Streamingportal LaCinetek: Hexen, Flüche und magische Kräfte

Das Streamingportal LaCinetek zeigt in der Reihe „Seeing Weimar“ Raritäten des Weimarers Kinos. Es sind dokumentarisch-historische Aufnahmen.

Eine alte schwarz-weiß-Aufnahme: eine indigene Frau tanzt mit geschlossenen Augen, im Hintergrund sitzen viele Zuschauer

Nahezu dokumentarische Bilder von der fernen Insel Bali zeigt der Film „Die Insel der Dämonen“ 1933 Foto: Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen

In Zeiten überbordender Möglichkeiten, wenn mit wenigen Klicks Hunderte, ach was, Tausende Filme auf Streamingportalen und in Mediatheken verfügbar sind, werden Empfehlungen immer wichtiger. Weniger die im Stile des „User, die A sahen, sahen auch B“, wie sie Netflix anbieten, als Empfehlungen von Freunden oder vielleicht auch einem Filmkritiker des Vertrauens – man darf ja hoffen.

Wie wäre es jedoch mit Empfehlungen von berühmten bis legendären Filmemachern? Dass ist das Prinzip des Strea­ming­por­tals LaCinetek, eine Initiative französischer Regisseure, die seit drei Jahren auch in Deutschland verfügbar ist.

Das mittels pay per view abrufbare Angebot ist mit knapp 700 Filmen zwar sehr überschaubar, dafür aber von illustrer Qualität, gerade was die erste Hälfte der Filmgeschichte bis etwa 1950, 1960 angeht.

Neben den Empfehlungslisten der Regisseur*innen, die zum Beispiel verraten, welche Filme Maren Ade, François Ozon oder Park Chan-wook empfehlen, veröffentlicht LaCinetek regelmäßig kuratierte Reihen, die sich unterschiedlichen Aspekten der Filmgeschichte widmen.

Seing Weimar – 26 Meisterwerke

Seit Kurzem finden sich dort unter dem Titel „Seing Weimar – 26 Meisterwerke des deutschen Kinos“ Filme aus der Weimarer Republik zusammengefasst, neben dem Neuen Deutschen Kino der 70er Jahre die wichtigste und auch international einflussreichste Ära des deutschen Films.

Viel ist über die Jahre zwischen den Kriegen geschrieben worden, am berühmtesten von Siegfried Kracauer, der in „Von Caligari bis Hitler“ eine direkte Linie von den Filmen der Weimarer Republik zu den Schrecken der Nazizeit zog.

„Seeing Weimar“ läuft auf www.lacinetek.com

Albtraumhafte Geschichten erzählten Regisseure wie Robert Wiene, Fritz Lang oder Georg Wilhelm Pabst, evozierten einerseits die Freiheit, die Exzesse der Weimarer Republik – wie sie im Kino in späteren Jahren etwa in „Cabaret“, im Fernsehen in „Babylon Berlin“ mythologisiert wurden – andererseits die Grenzen der neuen Freiheit, die Ahnung, dass eine Utopie wie die in „Metropolis“ gezeigte nicht von Dauer sein wird.

Die 26 bei LaCinetek zu streamenden Filme bieten einen guten Überblick über das Weimarer Kino, zumal die großen Klassiker allesamt verfügbar sind: Friedrich Wilhelm Mur­naus „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“, Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“, Fritz Langs „Metropolis“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, Georg Wilhelm Pabsts „Die Büchse der Pandora“, Joseph von Sternbergs „Der blaue Engel“.

Murnau, Papst, Lang

Wie dominant diese Regisseure in der Weimarer Repu­blik waren, zeigt sich nicht zuletzt daran, mit wie vielen Filmen sie vertreten sind: Murnau mit 4, Pabst mit 6, Lang sogar mit 7. Dass sich unter den 26 Filmen kein einziger findet, bei dem eine Frau Regie führte, mag man bedauern, letztlich spiegelt es aber nur wider, wer in dieser Phase des Kinos Filme machen konnte und wer nicht.

Neben den Säulenheiligen des deutschen Kinos sind zwei Aspekte der Auswahl hervorzuheben. Zum einen die beiden wunderbaren Berlin-Filme „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt“ von Slátan Dudow, der dem proletarischen Film zugerechnet wird (das Drehbuch schrieb Bertolt Brecht, die Musik komponierte Hanns Eisler).

Und „Menschen am Sonntag“ ein Film der neuen Sachlichkeit. Zwei herausragende Filme aus der späten Weimarer Republik, die sich dem Leben der Arbeiter­klasse widmen und neben vielem anderen inzwischen fast anthropologischen Wert besitzen.

Besonders an den Beteiligten des zweiten Films zeigen sich zudem eklatant die Verluste, die das deutsche Kino, die Deutschland, nur ein paar Jahre später erleiden würde. Regie führten Robert Siodmak und Edgar G. Ulmer, das Drehbuch schrieben Billy Wilder und Curt Siodmak, Eugen Schüfftan und Fred Zinnemann standen hinter der Kamera. Alle sechs sollten Deutschland bald verlassen. Schüfftan wurde in Frankreich ein begehrter Kameramann, die anderen fünf fassten in Hollywood Fuß.

Neben Filmklassikern auch Raritäten

Zum anderen bietet die Reihe neben vielen mehr oder weniger gut bekannten Klassikern auch einige bemerkenswerte Raritäten, die zum Teil erst vor Kurzem restauriert wurden. Da finden sich zum Beispiel zwei weniger bekannte Filme von Georg Wilhelm Pabst, der Antikriegsfilm „Westfront 1918“, der Anfang der 30er Jahre schnell verboten wurde.

Und das Bergarbeiterdrama „Kameradschaft“, das einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg im deutsch-französischen Grenzgebiet spielt. Ein Grubenunglück ereignet sich, das die Kooperation beider Länder verlangt. Besonders bemerkenswert sind die quasi dokumentarischen Aufnahmen von unter Tage, die das harte, lebensgefährliche Leben der Bergleute spürbar werden lassen.

Ebenfalls dokumentarisch angehaucht, wenn auch im Gewand eines Genrefilms, ist Friedrich Dalsheims „Insel der Dämonen“, der auf der damals schwer zu erreichenden und dadurch umso exotischeren Insel Bali gedreht wurde. Um Hexen, Flüche und magische Kräfte geht es, was zur Pre­miere des Films im Februar 1933, ein paar Tage nach der Machtergreifung der Nazis, noch einmal einen Moment des Eskapismus ermöglichte.

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