Kabinett billigt Infektionsschutzgesetz: Die Länder sind am Zug

Das Infektionsschutzgesetz gibt den Ländern die Entscheidungshoheit über viele Coronamaßnahmen. Weiter wird über Maskenpflicht im Flieger diskutiert.

Buschmann und Lauterbach mit Maske geben sich den Faustschlag

Faust drauf: Gesundheitsminister Lauterbach (r.) und Justizminister Buschmann am Mittwoch Foto: Wolfgang Kumm/dpa

BERLIN taz | Das Wort, das nach der Pressekonferenz zum Infektionsschutzgesetz im Ohr klingt ist „Oder“. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett in Berlin den Gesetzesvorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen. Die meisten Coronamaßnahmen liegen dabei in der Verantwortung der Länder – diese können im Herbst und Winter neue Regeln verhängen – oder nicht.

Dem Kabinettsbeschluss sind viele Diskussionen vorangegangen. Vorgestellt wurde das neue Infektionsschutzgesetz durch die beiden zuständigen Minister bereits Anfang August. Anschließend wurde es von der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder diskutiert. Gelten soll es ab dem 1. Oktober und bis zum 7. April 2023. Zuvor muss es noch im Bundestag und Bundesrat beraten werden.

Die Pläne Buschmanns und Lauterbachs sehen vor, dass die Länder ab Oktober wieder eine Maskenpflicht in Innenräumen vorschreiben können, wenn wegen steigender Infektionszahlen eine Überlastung des Gesundheitswesens droht. Dieses Szenario hält Lauterbach für äußerst wahrscheinlich, er gehe davon aus, dass „wir im Oktober Schwierigkeiten bekommen werden.“

Bundesweit einheitlich soll lediglich eine Maskenpflicht im Fernverkehr der Bahn und beim Fliegen gelten sowie in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Dort soll außerdem eine Testpflicht für Beschäftigte und Besucher gelten. Lockdowns und Schulschließungen werden ausdrücklich ausgeschlossen.

„Moderate Regeln“ oder „effektiver Schutz“?

Am meisten Kritik hatte es an geplanten Ausnahmen bei der Maskenpflicht gegeben. In öffentlich zugänglichen Innenräumen sollten nach den ersten Plänen bei Kultur- und Sportveranstaltungen und in Restaurants tagesaktuell getestete, frisch geimpfte und frisch genesene Menschen davon befreit sein. Die Impfung oder Infektion hätte dann höchstens drei Monate her sein dürfen.

Als Reaktion auf die Kritik sollen mögliche Ausnahmen bei der Maskenpflicht nun den Gas­tron­om*in­nen überlassen werden. Generell könne die Gastronomie ihr Hausrecht verhängen und eigene Regeln aufstellen, sagte Buschmann. Sinnvoll wäre in seinen Augen eine Maskenpflicht in Behörden, da diese von allen Menschen, auch vulnerablen Gruppen, aufgesucht werden müssten.

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Buschmann betonte, dass die Maßnahmen nicht darauf abzielten jede einzelne Infektion zu verhindern, sondern das gesamte Pandemiegeschehen möglichst gering zu halten. Ihm sei es wichtig, den Menschen angesichts der schwierigen Lage mit der Inflation und der Energiekrise etwas Normalität zu ermöglichen. Die Arbeit von Minister Lauterbach und ihm selbst lobte er als „sehr transparent“ und bescheinigte sich selbst eine „Verfahrensklugheit.“ Wie schon Anfang August sprach Buschmann von „moderaten Regeln“ und Lauterbach von „effektivem Schutz“.

Angesichts der Mühe, die die Minister hatten, die Stufenplänen und vielen Regeln in der Pressekonferenz zu erläutern, wirkte Lauterbachs Satz „Die Regeln müssen einfach gehalten sein“ etwas deplatziert. Wie hart der Regelkatalog zwischen den Ministern umkämpft war, dazu äußerten sich beide nicht. Doch während Lauterbach erneut vor Long-Covid-Fällen warnte und mit einer „massiven Coronawelle im Herbst“ rechne, sprach Buschmann davon, dass er sich auch wünschen würde, „dass der ganze Mist“ bald vorbei sei. Aufgrund von Ex­per­t*in­nen­mei­nung halte er die getroffenen Schutzmaßnahmen aber für wichtig.

Lob für das Gesetz kam von den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt und Dirk Wiese: „Die heute vom Kabinett beschlossenen Vorkehrungen bilden eine gute Grundlage, um Deutschland winterfest zu machen und um eine gute Vorsorge zum Schutz der vulnerablen Gruppen zu treffen.“

Kritik äußert Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. „Wir brauchen EU-weit einheitliche Maßnahmen. Wichtig ist, dass die Maßnahmen nachvollziehbar, praxistauglich und transparent sind. Gerade was die verschärfte Maskenpflicht im Fern- und Flugverkehr anbelangt, sehe ich Nachbesserungsbedarf. Das zeigen auch die Bilder aus dem Regierungsflugzeug“, so Ullmann gegenüber der taz. Ullmann spielt damit auf die gerade neuentfachte Diskussion um eine einheitliche Regelung der Maskenpflicht an.

Debatte um Maskenpflicht im Flieger

Ausgelöst hatten den neuen Streit die jüngsten Bilder von der Flugreise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Kanada. Die Delegation reiste im Flugzeug ohne Maskenpflicht. Die Bundesregierung begründete das damit, dass in dem Flieger der Luftwaffe andere Regeln gelten und keine Maskenpflicht herrsche. Alle Teilnehmende der Reise mussten zuvor einen negativen PCR-Test vorlegen und auch geimpft sein.

Dass für den Flieger der Luftwaffe andere Regeln gelten als für den Linienbetrieb führte zu Unverständnis. Die Opposition klagte über Ungleichbehandlung und Doppelmoral.

Von sich aus erwähnten sowohl Lauterbach als auch Buschmann die Debatte um den maskenlosen Flug am Mittwoch nicht. Auf Nachfrage sagte Lauterbach, dass sich bei dem Flug an die Regeln der Luftwaffe gehalten wurde. Ausnahmen für Getestete in anderen Flugzeugen seien nicht vorgesehen.

Buschmann äußerte mehr Verständnis für die Empörung. „Mein Gefühl ist, dass sich das Kabinett damit noch beschäftigen wird“, sagte Buschmann. „Politisch würde ich uns als Bundesregierung empfehlen, dass überall die gleichen Regeln gelten.“ Es könne sonst „das Gefühl entstehen, das wir uns die eigenen Regeln selbst nicht zumuten wollen“, ergänzte der Justizminister.

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