Neue Serie „The Bear“ auf Disney+: Sandwich vs. Haute-Cuisine

In „The Bear“ übernimmt ein Gourmetkoch das Imbissrestaurant seines Bruders und dessen miese Finanzen. Inclusive Fett, Schweiß und Gesundheitsamt.

Zwei Männer in Kochschürzen stehen sich in einem Vorratsraum gegenüber, ein Dritter Mann schaut durch die Tür

Stress in der Küche: Carmy, Marcus und Richie in „The Bear“ Foto: FX/Disney+

Das Interesse am professionellen Kochen ist dieser Tage riesig. Überall kann man Menschen am Herd über die Schulter schauen, in Competition-Shows à la „Masterchef“ genauso wie in betulichen Kochsendungen der Dritten Programme, in Dokumentarfilmen über Julia Child oder Wolfgang Puck ebenso wie in französischen Spielfilmen wie „À la carte – Freiheit geht durch den Magen“ oder aktuell „Die Küchenbrigade“. Doch ein echtes Gespür dafür, wie es tagtäglich wirklich zugeht in Profiküchen, bekommt man bei all dem kaum. Das führt ausgerechnet die fiktionale Serie „The Bear“ (zu sehen bei Disney+) eindrücklich vor Augen.

Das Setting ist dabei kein Restaurant mit Michelin-Sternen, anspruchsvoller Kundschaft und unbedingtem Willen zur Perfektion. Im leicht heruntergekommenen Schuppen namens The Original Beef Of Chicagoland mitten in Chicago bestellen die Leute am Tresen vor allem Sandwiches und Hot Dogs, aber es gibt auch Spaghetti mit Tomatensauce. Bislang zumindest. Denn nach dem Suizid des bisherigen Besitzers Michael übernimmt dessen jüngerer Bruder Carmy (Jeremy Allen White) den Laden. Carmy hatte Chicago und seine italienischstämmige Familie eigentlich hinter sich gelassen und es in New York als Küchenchef zu viel Ehre und Preisen gebracht.

Die Rückkehr in den Familienbetrieb ist deswegen nicht nur Trauerarbeit, sondern auch eine Flucht aus der Gourmetwelt, deren Dauerstress erkennbar Spuren hinterlassen hat. Die eigenen Ansprüche zurückschrauben will Carmy allerdings auch nicht. Und Veränderungen im Original Beef sind auch deswegen dringend notwendig, weil Michael (in kurzen Rückblenden verkörpert vom dieser Tage omnipräsenten Jon Bernthal) auch jede Menge finanzieller Ungereimtheiten hinterlassen hat.

Küchenalltag ist stressig anzusehen

Quasi-Restaurantleiter Richie (Ebon Moss-Bachrach), hat allerdings null Verständnis dafür, dass an der bewährten Speisekarte gerüttelt werden soll, und die meisten Mit­ar­bei­te­r*in­nen sind von Carmys Küchen-Vokabular genauso irritiert wie von der Tatsache, dass er alle als „Chef“ anspricht. Dass er obendrein die junge, ebenfalls Haute-Cuisine-gestählte Sydney (Ayo Edebiri) anheuert, erleichtert die Situation zunächst ebenso wenig wie die Tatsache, dass sowohl Gläubiger als auch das Gesundheitsamt bald auf der Matte stehen.

Selten war eine Serie so stressig anzusehen wie „The Bear“, eine Schöpfung von Christopher Storer, der viel mit Komikern wie Bo Burnham und Hasan Minhaj zusammengearbeitet hat und hier als Autor und Regisseur gemeinsam mit Joanna Calo verantwortlich zeichnet. Das Tempo und der Lärm, die Hitze und die Angespanntheit, dazu überall Fett und Schweiß – so mittendrin im Küchenalltag ist man als Zu­schaue­r*in selten gewesen. Den Druck, unter dem hier alle Figuren permanent stehen, übertragen Storer und sein Team in Bild, Ton und Atmosphäre derart glaubwürdig, dass sich selbst vorm Bildschirm der Puls erhöht.

„The Bear“, acht Folgen, ab 5. Oktober bei Disney+

Dass ein Restaurant wie das Original Beef mutmaßlich in Echt – zumal in den Pandemie-Nachwehen – nicht ganz so viele Mit­ar­bei­te­r*in­nen hätte? Geschenkt. Davon abgesehen wirkt die Serie, von der eine zweite Staffel schon bestellt ist, enorm authentisch, was auch daran liegen könnte, dass Storers Schwester Köchin ist und hier als Beraterin tätig war. Zudem wurde in einer Original-Location gedreht und die Schau­spie­le­r*in­nen mussten in diversen Küchen hospitieren.

Das großartige Ensemble trägt wesentlich dazu bei, dass man den größtenteils nur bedingt sympathischen Figuren gerne durch die acht meist halbstündigen Episoden folgt. Mindestens genauso bemerkenswert ist allerdings, dass „The Bear“ obendrein fernab aller Food-Porn-Klischees tatsächlich ein Gefühl von leckerem Essen vermittelt – und ganz ohne Sitcom-Konventionen ziemlich oft auch ziemlich witzig ist. Was den Stress dann wieder einigermaßen aufwiegt.

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