Sacharow-Preis für die Ukraine: Eine europäische Verpflichtung

Mit der Verleihung des Sacharow-Preises an die Ukrai­ne­r*in­nen ist die EU eine Verpflichtung eingegangen. Zur Unterstützung ohne Wenn und Aber.

UkrainerInnen suchen Schutz vor den Bombenangriffen in einem U-Bahntunnel

UkrainerInnen suchen Schutz vor den Bombenangriffen in einem U-Bahntunnel Foto: Emilio Morenatti/ap

Die Ukraine kann sich dieser Tage vor hochkarätigen internationalen Auszeichnungen kaum retten. Nach dem Friedensnobelpreis, der vollkommen zu Recht auch an das Zentrum für bürgerliche Freiheiten (CCL) in Kiew ging, hat das EU-Parlament seinen diesjährigen Sacharow-Preis dem ukrainischen Volk zuerkannt. So weit, so gut und richtig. Wem, wenn nicht den Ukrainer*innen, gebührt höchster Respekt.

Denn sie sind es, die trotz Tod, Leid und Zerstörung fest entschlossen sind, sich nicht zu beugen und dem russischen Aggressor weiter die Stirn zu bieten – um ihrer selbst, aber auch um ihres Staates willen. In Kriegszeiten, wie diesen, wo es ums nackte Überleben geht, kann auch moralische Unterstützung eine große Kraft entfalten. Doch damit diese Botschaft des Sacharow-Preises bei den Ukrai­nie­r*in­nen auch ankommt und ernst genommen wird, muss sich die EU zuallererst selbst ernst nehmen.

Hier sind Zweifel angebracht. Wer schert sich heute noch groß um die belarussische Opposition, die 2020 in Brüssel ausgezeichnet wurde? Dabei wäre Aufmerksamkeit mehr als angebracht. Viele Oppositionelle sitzen im Gefängnis. Die Zahl politischer Gefangener steigt fast täglich, was auf dem Portal der Menschenrechtsorganisation Vjasna in Echtzeit zu verfolgen ist.

Wer erinnert sich an Daria Nawalnaja, die im Dezember vergangenen Jahres anstelle ihres inhaftierten Vaters Alexei Nawalny den Sacharow-Preis entgegennahm und eindringlich vor Wladimir Putin sowie einer Eskalation im Ukraine-Konflikt warnte? Stattdessen verkaufte Bundeskanzler Olaf Scholz der Öffentlichkeit die Pipeline Nord Stream 2 damals noch als „rein privatwirtschaftliches“ Projekt.

Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi, dessen Partei Forza Italia bald der neuen rechten Regierung angehören könnte, benennt in dieser Woche den wahren Schuldigen an dem barbarischen Krieg mitten in Europa: Die Ukraine. Wie absurd. Die Ukrai­ne­r*in­nen riskierten ihr Leben, „um die Werte zu schützen, an die wir alle glauben: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, begründete EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Mittwoch die Entscheidung für den Sacharow-Preisträger 2022.

Wenn das so ist, heißt das nur eins: Die Ukraine, und dabei vor allem die Zivilgesellschaft, mit allen Mitteln zu unterstützen und das nachhaltig – ohne Wenn und Aber. Die EU ist mit dieser Auszeichnung eine Verpflichtung eingegangen. Auch an ihr muss sie sich künftig messen lassen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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