Dokumentarfilm über Anne-Sophie Mutter: Der Weltstar mal nahbar

Bald feiert die Geigerin Anne-Sophie Mutter ihren 60. Geburtstag. Die Dokumentarfilmerin Sigrid Faltin gratuliert mit einem Filmporträt.

Anne-Sophie Mutter und John Williams sprechen miteinander am Rande eines Filmsets.

Im Film begegnet Mutter auch Musikerkollegen, hier dem Komponisten John Williams Foto: Filmwelt Verleihagentur

„Am privatesten sind Musiker auf der Bühne“, sagt Anne-Sophie Mutter ziemlich zu Beginn des Films; alles andere sei trivial. Die Star-Geigerin ist bekannt dafür, dass sie sich nicht gern über dieses triviale Andere befragen lässt, weshalb die Dokumentarfilmerin Sigrid Faltin sich einen Kunstgriff hat einfallen lassen, um die Porträtierte zum Plaudern zu bringen: Diese selbst hat aussuchen dürfen, mit welchen Gesprächspartnern sie im Film zusammentrifft. Das sind ausschließlich Männer, die meisten Musiker.

Daniel Barenboim ist darunter, die Komponisten John Williams und Jörg Widmann sowie der Pianist Lambert Orkis, Mutters Klavierpartner und „best buddy“, wie sie sagt. Aber auch der Zauberkünstler Steve Cohen ist mit von der Partie und nicht zuletzt ein weltberühmter Ballzauberer: Roger Federer. Mutter outet sich als riesengroßer Federer-Fan; sie habe oft versucht, erzählt sie, ihre Konzerttourneen analog zu den internationalen Grand-Slam-Turnieren zu planen.

Ob Federer zuvor schon wusste, wer Anne-Sophie Mutter ist, bleibt unklar; auf jeden Fall bekennt der Schweizer supersympathisch unbedarft, dass er am gestrigen Abend in ihrem Konzert mit seinem Handy gefilmt habe, und dann habe sich sein Nachbar doch glatt von ihm weggesetzt. Mutter ihrerseits gibt im Gegenzug preis, wie sie den Roger einmal in Wimbledon habe spielen sehen und so laut gekreischt habe, dass ihre Freunde zu Hause am Fernsehen sie herausgehört hätten.

Ziemlich sportlich ist die Hochleistungsmusikerin auch selbst, wie man sieht, als sie dem Filmteam voran zügig die Kitzbüheler Alpen durchwandert, dabei konstant gute Laune versprühend. Körperliche Fitness sei immens wichtig in ihrem Job, erklärt sie, und dass sie auf Anraten ihres Bruders irgendwann ein gezieltes Sportprogramm angefangen habe. Es darf wohl angenommen werden, dass sie es eisern durchhält.

„Anne-Sophie Mutter – Vivace“. Regie: Sigrid Faltin. Deutschland 2023, 91 Min. Ab 28. 3. im Kino

Welch enorme Disziplin im Leben einer solchen Ausnahmekünstlerin nötig ist, wird nie direkt thematisiert, scheint aber oft durch. Als Anne-Sophie Mutters erster Mann, der Rechtsanwalt Detlef Wunderlich, starb, war sie Anfang dreißig und plötzlich alleinerziehender Weltstar. Aufnahmen aus den neunziger Jahren zeigen, wie sie kurz vor einem Auftritt mit der kleinen Tochter telefoniert und sie vertröstet: In der Pause könnten sie länger miteinander sprechen, aber nun müsse sie leider gehen und sich umziehen.

Als Kind ohne Freundinnen

Wie ihre eigene Kindheit verlief, zeigt der Film in Archivaufnahmen, in Gesprächen wird diese Zeit wenig thematisiert. Allerdings heißt die Künstlerin explizit die Entscheidung ihrer Eltern gut, sie von der Schulpflicht entbinden und zu Hause unterrichten zu lassen, damit sie sich voll auf die Geige konzentrieren konnte. Freundinnen, so lassen Fernseharchivschnipsel wissen, habe die junge Anne-Sophie nicht gehabt; auch musiziert habe sie zu Hause ausschließlich mit ihren Brüdern.

Mit dem sinnreich geschnittenen Archivmaterial ergänzt Sigrid Faltin die Gesprächsepisoden, sodass sich insgesamt eine Art kommentierte Lebenserzählung ergibt. Dabei gibt Anne-Sophie Mutter sich so nahbar und down-to-earth, dass es nicht leicht ist, dieses Bild mit dem der unerreichbaren Geigenkünstlerin in Deckung zu bringen, deren perfektes Lächeln von gefühlt unzähligen Plattencovern strahlt.

Dass eine Frau, die „mega“ sagt wie ein Teenager und Basecap trägt wie eine amerikanische Touristin, die also scheinbar so normal sein kann wie du und ich – dass dieser Mensch so megagut Geige spielt, das bleibt auch, oder erst recht, nach diesem so unterhaltsamen wie informativen Film ein irgendwie unbegreifliches Phänomen. Ganz ähnlich eben wie beim Roger und dem Tennis.

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