Xis Anruf in Kiew: Noch kein Grund zur Freude

Gegenüber der EU präsentiert Chinas Staatschef sich mit seinem Anruf beim ukrainischen Präsidenten als Friedensvermittler. Glaubwürdig ist das nicht.

Peking profitiert von der Abhängigkeit Moskaus: Chinas Präsident Xi beim Staatsbesuch im Kreml Foto: Sergei Karpukhin/Sputnik/ap

Schon am Tag nach Xi Jinpings Telefonat mit Selenski folgt die Ernüchterung: Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass es sich beim ersten Gespräch zwischen den beiden seit Kriegsbeginn vor allem um einen klugen Schachzug Pekings handelt.

Immerhin 14 Monate hat sich Xi trotz mehrfacher Bitten Selenskis Zeit gelassen, um endlich zum Hörer zu greifen. Der Zeitpunkt hat mit einem di­plo­matischen Eklat zu tun: Am Freitag hatte Chinas Botschafter in Paris die Souveränität der ehemaligen Sowjetrepubliken infrage gestellt – und damit für immensen Missmut in der EU gesorgt, dem wichtigsten Handelspartner der Volksrepublik. Nun geht es für China um Schadensbegrenzung.

Vor allem aber kann Xi mit seinem Vorschlag, einen Sondergesandten nach Kiew zu schicken, zwei scheinbar gegensätzliche Ziele erreichen: Gegenüber Brüssel präsentiert er sich als Friedensvermittler, ohne bislang handfeste Resultate produzieren zu müssen. Indirekt dürfte er jedoch auch seinem „alten Freund“ Wladimir Putin beistehen: Schließlich bereiten sich die ukrainischen Truppen gerade auf eine große Gegenoffensive vor, die China nun mit seiner diplomatischen Intervention weiter verschieben wird.

Der tschechische Präsident und ehemalige Nato-General Petr Pavel hat seine Skepsis an der chinesischen Vermittlerrolle so formuliert: „Ich glaube, dass es im Interesse Chinas liegt, den Status quo zu verlängern, weil es Russland zu einer Reihe von Zugeständnissen drängen kann“, sagte er in einem Interview gegenüber Politico.

Fakt ist: Peking profitiert von der Abhängigkeit Moskaus, doch es hat kein Interesse daran, dass die russische Regierung in eine existenzielle Krise gerät.

Um die Kritiker eines Besseren zu belehren, müsste Chinas Staatschef einmal den Elefanten im Raum benennen: Dass Moskau der Aggressor ist. Bislang spricht Peking von dessen „legitimen Sicherheitsinteressen“. Die Schuld sieht China bei der Nato und den USA, die mit ihren Waffenlieferungen „Öl ins Feuer gießen“ würden.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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