Neue Alben der Cumbia-Musik: Im Rhythmus der Gurkenratsche

Die Cumbia gilt als das Rückgrat der lateinamerikanischen Musik. Vier neue Veröffentlichungen feiern die Vielfalt des Genres.

Eine Zeichnung von ganz vielen Menschen in bunter Farbe

Beim aktuellen Meridian-Brothers-Album trifft Salsa auf Cumbia Foto: Ansonia Records

Der Río Magdalena war einmal die Lebensader Kolumbiens. Seine Ufer sind oft überflutet und bilden sogenannte Ciénagas aus, Schwemmland. An einem Nebenarm des Río Magdalena liegt auch die längst in Vergessenheit geratene Stadt Mompox – sie diente als Vorlage für Gabriel García Márquez' legendären Ort Macondo aus seinem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“.

An den Ufern des Río Magdalena im Hinterland der Karibik, so lautet die Legende, sei auch die Cumbia entstanden – musikalisch ist sie eine Mischung aus afrokolumbianischen und indigenen Rhythmen und spanischen Melodien. Gespielt wird sie üblicherweise mit Gaitas (Flöten), Akkordeon, Trommeln – und einem Güiro. Güiro ist diese wie eine Gurke aussehende Ratsche, die der Cumbia ihren unverwechselbaren, immer etwas schleppend klingenden Rhythmus verleiht.

Die Cumbia hat ein mittleres Tempo (80 bis 110 bpm) und ist wie etwa der Reggae eine Art Hülle, die – sofern bestimmten Grundregeln gefolgt wird – einigen Freiraum in der Ausgestaltung zulässt. Man sagt, die Cumbia sei das Rückgrat der lateinamerikanischen Musik, sie wird jedenfalls auf dem ganzen Kontinent gehört, von Argentinien im Süden bis Mexiko im hohen Norden.

Perú Selvático – Sonic Expedition into the Peruvian Amazon 1972–1986 (Analog Africa)

Saturno 2000 – La Rebajada de Los Sonideros 1962–1983 (Analog Africa)

Son Rompe Pera: Chimborazo (AYA Records)

Meridian Brothers: Meridian Brothers & El Grupo Renacimiento (Ansonia Records)

Eine Reihe von Neuveröffentlichungen bietet einen guten Einblick in die ganze Bandbreite des Genres. Wobei sich zuletzt ausgerechnet das 2004 von Samy Ben Redjeb in Frankfurt gegründete Label Analog Africa auf die historische Cumbia-Genese spezialisiert hat (und immer schöne, aufwändige Booklets mitliefert). Die Kompilation „Perú Selvático“ etwa begibt sich in die Tiefen des peruanischen Dschungels, um die „Chicha“, eine mit schneller Timbal-Perkussion gefütterte und von Gitarren getragene instrumentale Cumbia-Spielart, näher zu beleuchten. Das klingt dann bisschen so wie ein hyperaktiver Cousin der US-amerikanischen Surfmusik.

Die Gruppe der ­Wieder­geburt

„Saturno 2000“ von Analog Africa wiederum widmet sich einem Subgenre, das sich in der nordmexikanischen Stadt Monterrey seit den 1960er Jahren herausgebildet hat (angeblich nachdem ein Plattenspieler eines Soundsystems einen Kurzschluss hatte) – die „Cumbia Rebajada“, also noch mal heruntergepitchte, verlangsamte Cumbia. Scheint weird und klingt auch so. Unbedingt anhören! (Übrigens: In dem sehenswerten Netflix-Spielfilm „I’m No Longer Here“ von 2020 über einen aus Monterrey in die USA migrierenden jugendlichen Cumbiero wird die Cumbia Rebajada zum Soundtrack der Entwurzelten.)

Ebenfalls aus Mexiko kommt der Cumbia-Punk der Band Son Rompe Pera. Ihr neues Album „Chimborazo“ ist ein Marimba-getriebener Ritt durch moderne Cumbia, tropische Dancebeats, harten Punk, mexikanischen und kolumbianischen Folk, voller psychedelischer Gitarren und Bläser und mit einer Prise Dub und HipHop.

Noch eigenwilliger ist das aktuelle Konzeptalbum der Meridian Brothers. Mastermind Eblis Álvarez setzt seine Reise durch die reiche Musikkultur Kolumbiens fort und hat sich dafür eine hübsche Geschichte einfallen lassen: Auf dem Album werden Songs der vermeintlich sagenumwobenen „B-Class“-Salsa Dura-Band El Grupo Renacimiento aus den 1970er Jahren nachgespielt. Doch diese „Gruppe der Wiedergeburt“ ist eigentlich allein Eblis Álvarez’ überbordender Fantasie entsprungen.

Das Album mit seinen verstimmten Gitarren und einem leicht schiefen, nasalen Nörgel-Gesang ist mehr Salsa als alles andere, atmet aber auch den anarchischen Geist der Cumbia.

Der Artikel erscheint in der Beilage taz thema global pop.

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