Polizeieinsatz in Connewitz: Jenseits aller Verhältnismäßigkeit

In Leipzig-Connewitz erwartete die Polizei am „Tag X“ mit einem absurd teuren Großaufgebot den ganz großen Krawall. Und der kam – wie auf Bestellung.

Polizei in schwerer Uniform beim Einsatz in Leipzig

Einer der größten Polizeieinsätze der vergangenen Jahre in Leipzig – gegen die Antifa-Demonstration Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Es hätte ein schöner Abend in Leipzig werden können: Frühsommerlicher Sonnenschein lockte etliche Leip­zi­ge­r*in­nen und Gäste aus der ganzen Bundesrepublik zu einem der vielen Großevents. Im Zentralstadion spielte Herbert Grönemeyer vor 48.000 Leuten, Hunderttausende feierten parallel beim jährlichen Stadtfest, etwas außerhalb vom Zentrum kickte sich der Regionalligist Lok Leipzig erfolgreich zum Sachsenpokal.

Aber Einheimische und Tou­ris­t*in­nen staunten nicht schlecht, als die Leichtigkeit von schwerem Gerät unterbrochen wurde: Ein martialischer Räumpanzer der Bundespolizei lärmte am Nachmittag über die Kneipenmeile. Er fuhr nach Süden, Richtung Connewitz. Schon zwei Tage zuvor kam es hier zu vereinzelten Zusammenstößen zwischen Linksautonomen und Polizisten. Anlass war die Verurteilung der Linksextremistin Lina E.. Für gut fünf Jahre muss die 28-Jährige ins Gefängnis. Die autonome Szene trommelte nach dem Urteilsspruch bundesweit zum „Tag X“ in Leipzig.

Kurz zuvor hatten aber die Behörden jegliche Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Prozess verboten. Angemeldet waren schließlich nur einige kleinere Kundgebungen, die Polizei sprach zuletzt von knapp 1.500 Teilnehmer*innen. Diese überschaubare Dynamik hielt die Behörden aber nicht davon ab, einen der lebendigsten Stadtteile Leipzigs mit Hunderten Polizisten aus der ganzen Republik, Dutzenden Fahrzeugen, Räumpanzern, Wasserwerfern und einem Helikopter in eine blau-grün-weiße Bürgerkriegserwartungskulisse zu verwandeln.

Nachdem die Polizei dann einige De­mons­tran­t*in­nen über mehrere Stunden vorsorglich eingekesselt hatte, ließ die befürchtete Eskalation nicht mehr lang auf sich warten. Vermummte warfen mit Steinen und Pyrotechnik, die Polizei sprach von „massiven Ausschreitungen“, es kam zu vereinzelten Festnahmen. Das daraus resultierende Bild ist das ewig gleiche: In Connewitz kämpft die Staatsmacht gegen ein angeblich resolutes Viertel, durchsetzt von linken Autonomen.

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Dass der Stadtteil eigentlich ein recht bürgerlicher ist – geschenkt. Für ein paar Hundert teils minderjährige Antifas wurde ein Polizeizirkus jenseits jeglicher Verhältnismäßigkeit inszeniert. Was wäre passiert, hätte man sie laufen lassen? Ein paar brennende Mülltonnen? Ein Ausgehviertel im Ausnahmezustand und einen millionenschweren Polizeieinsatz hätte es dafür nicht gebraucht.

Gebraucht wird der Mythos Connewitz jedoch von einem Sicherheitsapparat, der nicht mehr weiß, wen er beschützen soll – außer zuvorderst sich selbst.

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Seit 2013 freier Journalist, seit 2022 bei der taz. IJP-Fellow (Tel Aviv, 2021). DAAD-Stipendiat (New York City, 2016/17). Themen u.a.: Pop & Punk, Kapitalismus & Kultur, Rechte & Linke. Berlin/Leipzig

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