Gebäudeenergiegesetz und Handwerker: Der Winter kann wohl kommen

Die Regierung einigt sich auf letzte Details zum Heizungsgesetz. Klimafreundliche Heizungen sollen mit bis 70 Prozent gefördert werden.

Dach mit qualmendem Schornstein

Geheizt wird hier offenbar. Bloß womit? Foto: Willibald Wagner/imago

FRANKFURT/M. taz | „Das Gebäudeenergiegesetz hat uns wirklich extremst gefordert.“ Dennis Kern ist Meister für Sanitär und Heizungen, er führt einen Betrieb mit 20 Mitarbeitern im hessischen Dreieich und installiert für seine Kunden Pelletheizungen, Solaranlagen, Wärmepumpen sowie Öl- und Gasheizungen. Außerdem berät er seine Kunden auch als Energieberater. Aber eine solide Beratung sei in den letzten Monaten gar nicht möglich gewesen. Der Installateurmeister berichtet von verunsicherten Kunden, die „nicht wussten, was wird verboten, was geht noch, wie wird es finanziert“. Und aus Angst vor hohen Umrüstungskosten schnell noch eine vertraute Gasheizung orderten.

Mit der Verunsicherung und solchen Panikkäufen soll nun Schluss sein. In der Nacht zum Dienstag haben sich die Spitzen der Ampelkoalition auf letzte Detail zum lange umstrittenen Heizungsgesetz geeinigt. „Es ist gelungen eine Einigung zu erzielen, die Klimaschutz, Technologieoffenheit und sozialen Ausgleich verbindet. Damit bringen wir den Gebäudesektor auf den Weg zur Klimaneutralität“, heißt es in einem gemeinsamen Statement der Vi­ze­frak­ti­ons­che­f:in­nen von SPD, Grünen und FDP.

Einem Hintergrundpapier der Grünen zufolge sollen die Menschen bis zu 70 Prozent der Kosten für den Umstieg auf klimafreundliche Wärmequellen erstattet bekommen. Eine Grundförderung von 30 Prozent sollen alle erhalten, darüber wird es eine einkommensabhängige zusätzliche Förderung von bis zu 30 Prozent geben. Sie gilt für Menschen mit einem jährlichen Bruttoeinkommen bis 40.000 Euro.

Wer sich schneller als gefordert für eine klimafreundliche Heizung entscheidet, kann einen Bonus von 20 Prozent erhalten. Wie das Nachrichtenportal Pioneer berichtet, beläuft sich die jährliche staatliche Fördersumme auf bis zu 9 Milliarden Euro.

Die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP haben offene Punkte beim Heizungsgesetz geklärt: Die Modernisierungsumlage – mit der Eigentümer die Kosten für Sanierungen auf Mieter umlegen – soll von 8 auf 10 Prozent erhöht werden können – aber nur, wenn der Vermieter eine staatliche Förderung in Anspruch nimmt. Die Mieterhöhung soll dann geringer ausfallen als ohne Förderung. Bei der staatlichen Förderung sollen unter bestimmten Voraussetzungen 70 Prozent der Investitionskosten beim Kauf einer klimafreundlicheren Heizung übernommen werden. Geplant ist ein einheitlicher Fördersatz von 30 Prozent einkommensunabhängig für alle Haushalte. Für einkommensschwache Haushalte soll es eine höhere Förderung geben, zudem ist ein „Geschwindigkeitsbonus“ geplant. Am Donnerstag will die Koalition die Details der Öffentlichkeit vorstellen. (dpa)

Wie Pioneer weiter berichtet, sollen Vermieter:innen, die die staatliche Förderung in Anspruch nehmen, 10 Prozent der Kosten für den Austausch von Heizungen auf die Mie­te­r:in­nen umlegen können, aber nicht mehr als 50 Cent pro Quadratmeter.

Linke kritisiert soziale Schieflage

Die Linkspartei kritisiert die bekannt gewordenen Fakten zur Förderung als sozial unausgewogen. „Selbst Geringverdienende müssten demnach ein Drittel der Einbaukosten übernehmen“, so der stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin. Haushalte mit Durchschnittseinkommen müssten die Hälfte der fünfstelligen Summe selbst tragen.

Laut Grünen-Hintergrundpapier sollen nur unabhängige Energieberater die nötige Pflichtberatung für Menschen durchführen, die sich künftig doch für eine fossile Heizung entscheiden.

Heizungsinstallateur Kern dürfte letzteres entlasten. „Wir haben definitiv nicht die Zeit und das Personal, solche verpflichtenden Beratungen durchzuführen“, berichtet er. Schon jetzt müssten Kun­d:in­nen zwei bis drei Monate auf einen Beratungstermin warten.

Zudem, so erzählt er, sei der Altersdurchschnitt in der Innung recht hoch. „Nicht alle Kollegen sind so offen und steigen jetzt auch auf Wärmepumpen um.“ Manche würden sich dann eben darauf verlegen, die verbliebenen Öl- und Gasheizungen instand zu halten.

Kern, der auch Vorsitzender der Kreishandwerkerschaft in Offenbach ist, ist an diesem Montag zusammen mit anderen Meistern in die Handwerkskammer Frankfurt Rhein-Main gekommen, zu Gast ist die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast, die auf Sommerreise ist und von denen, die sie umsetzen sollen, erfahren will, wie das mit der Transformation klappt.

Während der Heizungsinstallateur berichtet und Mast eifrig mitschreibt, verhandeln in Berlin die Spitzen der Ampelfraktion noch über jene Details, die Kern so dringend vermisst hat. Die verabredeten Einzelheiten wollten die Fraktionen am Donnerstag verkünden, so ein SPD-Sprecher.

Bundestag soll vor der Sommerpause final entscheiden

Die zuständigen Ministerien für Klima und Wohnen arbeiten die von den Koalitionsspitzen verabredeten Änderungen nun in den Gesetzentwurf ein. Über die Änderungsanträge sollen sich Sachverständige am Montag in einer zweiten Anhörung beugen, am Dienstag sollen sie von den Fraktionen und am Mittwoch im Ausschuss für Klima und Energie beraten und beschlossen werden. Am kommenden Freitag will der Bundestag das Gebäudeenergiegesetz verabschieden. FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hat am Dienstag verkündet, dass seine Partei zustimmen werde.

Für die FDP war zudem wichtig, dass auf Wasserstoff umrüstbare Heizungen auch weiterhin eingebaut werden dürfen, wenn sie an ein Gasnetz angeschlossen werden können. Die Liberalen ließen das auch so in den vor zwei Wochen vereinbarten gemeinsamen Leitplanken verankern.

Das Wasserstoff-Paradoxon

Das leuchtet Kern nun wiederum gar nicht ein. Woher so viel Wasserstoff nehmen bei gleichzeitiger Wasserknappheit? Zumal der viel dringender für die Industrie gebraucht werde. „Wenn wir teuren Wasserstoff ineffizient in Heizungen verbrennen, schießen wir uns ins Knie“, prognostiziert der Heizungsinstallateur. Mast muss lächeln und pflichtet ihm bei. Gasheizungen, die mit Wasserstoff betrieben werden, seien wohl keine flächendeckende Lösung. „Mir fehlt auch die Phantasie, wie das billiger sein könnte als andere Alternativen.“

Als Mast dem Heizungstechniker Kern am Montag versichert: „Wir werden das Gesetz vor der Sommerpause verabschieden, damit Sie Klarheit haben“, wirkt der erleichtert. Er lächelt und nickt.

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