Soundart bei der Monheim Triennale: Klangkunst im Nahverkehr

Die "Monheim Triennale", gestartet als Musikfestival, macht nun in Performance- und Soundart. Bei der technischen Umsetzung hapert es leider noch.

Lautsprecher hängen in Bäumen: Soundinstallation "Lost Lullaby" von Anushka Chkheidze

Lautsprecher hängen in Bäumen: Soundinstallation „Lost Lullaby“ von Anushka Chkheidze Foto: Niclas Weber/Monheim Triennale

Es wird erzählt, dass der Chemiker Carl Leverkus (1804–1889) einst seine Fabrik in Wiesdorf am Rhein gebaut habe, weil er in der Rheinschleife zwischen Köln und Düsseldorf das Rheingold, den Schatz der Nibelungen, vermutete. Mit dieser Fabrik gab er den Startschuss für eine weiterreichende Ansiedlung der Petrochemie und der Pharmazeutikaherstellung.

Längst ist Wiesdorf Teil der Stadt, die seit 1930 den Namen des Fabrikanten trägt: Leverkusen. In Wiesdorf steigen heute jene um, die in das nördlich angrenzende Monheim am Rhein reisen wollen. Obwohl die Stadt mit ihren knapp 40.000 Ein­woh­ne­r*in­nen in den letzten Jahren einen Boom erlebt hat – ein niedriger Gewerbesteuerhebesatz macht es möglic –, ist die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln für das Rheinland ungewohnt aufwendig.

Warum also eine ruckelige Busfahrt durch das suburbane Nordrhein-Westfalen auf sich nehmen? Die Antwort lautet: zwecks Besuchs der Monheim Triennale. Ursprünglich war diese als handelsübliches Musikfestival mit einem zentralen Event am Anfang eines Zyklus und Leerlauf bis zur nächsten Ausgabe geplant. Corona-bedingt fiel jenes Groß­event 2020 ins Wasser und Festivalleiter Rainer Michalke (lange Jahre Chef des Jazzfestivals Moers) und sein Team nahmen Abstand von der Idee. Stattdessen wird die Triennale fragmentiert dargeboten: Drei verschiedene Formate für die drei Jahre eines Turnus.

Gleich ein Klangskulpturenpark

Im Jahr 2023 eröffnete man nun den zweiten Turnus mit einer simplen Idee: Die Stadt Mon­heim wird für den Zeitraum von einem Monat zum Klang­skulp­tu­ren­park. Im Stadt­ge­biet verteilt warten Instal­la­tio­nen auf die Be­su­che­r*in­nen und Ein­woh­ner*in­nen. Man verlieh der neuerlichen Edition ohne falsche Scham den strotzenden Namen „The Sound“; was bisweilen hohe Erwartungen weckt.

„The Sound: Sonic Art in Public Spaces“, noch bis 2. Juli 2023; monheim-triennale.de

Wer nach ellenlanger Bustour im Stadtzentrum ankommt, darf sich gleich in den nächsten Bus setzen. Die autonom fahrende Linie A01 wird zum Klangkunstvehikel. Das Versprechen lautet: Steigt in einen der vier Busse und lauscht den Installationen von Geert-Jan Hobijn, Gründer des holländischen Industrial-Labels Staalplaat. Ich mache dennoch ein langes Gesicht, als die 16 selbstgebauten Spieluhren, die etwas heimgewerkelt daherkommen, nicht anspringen wollen.

Dabei verheißt die Installation in Kombination mit dem eh schon quängelnden Kleinkind, das mit im Minibus fährt, interessant zu werden. Auch der behände Druck auf die drei Abspielknöpfe (Rhythm, Lyrics, Minimal) hilft da nicht weiter. Der begleitende Angestellte der Stadtwerke zeigte sich indes unbeeindruckt: „Ist Solarstrom betrieben. Klappt nicht.“ Die gleißende Sonne an diesem Nachmittag widersprach seiner These.

Die Warnsirenen gekapert

Nicht der einzige Sand im Getriebe: Die „Saab Sculpture“, ein mit Hornlautsprechern ausgestatteter Oldtimer, der Brüsseler Künstlerin Amber Meulenijzer sollte zunächst ebenfalls stumm bleiben, genau wie auch die Installation „A Moment in Passing“ des Künstlers Hakeem Adam. Wenigstens funktionierte die Arbeit der Niederländerin Angela de Weijer, die jeden Samstag um 16 Uhr die Warnsirenen der Stadt kapert und mit einem somnambulen, atmosphärischen Soundtrack bespielt, der pittoresk durch die Stadt schimmert. Hier sieht das Experiment, eine Stadt zum Skulpturenpark ummünzen zu wollen, gelungen aus.

Auch sehr stimmig: Die Windharfen hinter dem Damm, der die Stadt vor dem angrenzenden Rhein beschützt, oder der Spielplatz eines verlassenen Kindergartens in der Nähe der Altstadt, der von der georgischen Künstlerin Anushka Chkheidze zum Erinnerungsort transformiert ist. Aus sechs Boxen, die in die Bäume vor dem verlassenen Gebäude verpflanzt wurden, tönen aus verschiedenen Richtungen wunderschön spatialisierte Klänge.

Es sind Kinderlieder, um genau zu sein: Schlaflieder. „Lost Lullabys“, so der Name der Installation, lässt mich zwischen den wild und unkultiviert wachsenden Gräsern rasten. Modularsynthese, Ambiance und ungeübter Gesang treffen aufeinander – sehr berührend. Auf dem (wieder überlangen) Rückweg gibt es genug Zeit, um zu rekapitulieren.

„The Sound“ ist ein ehrenwerter Versuch, die eventisierte Natur der Bi- und Triennalen aufzubrechen. Es hakt nur etwas bei der Ausführung, doch bleiben wir gnädig: Auch Carl Leverkus suchte bekanntermaßen bis zuletzt vergeblich nach dem Rheingold.

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