Ampel-Koalition geht in die Sommerpause: Besser als ihr Ruf

Die Erfolge der Ampel verblassen hinter den Streitigkeiten der Koalitionspartner. Sie muss dringend das Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen.

Lindner Scholz und Habeck gehen nebeneinander und werden von hinten fotografiert

Endlich Sommerpause für die Ampel-Koaliton Foto: Christian Spicker/imago

Angenommen, Sie planen eine Gipfeltour, wollen mehrere Achttausender bezwingen. Der Rucksack ist schwer, die Schuhe drücken. Sie haben so was noch nie gemacht und obendrein Höhenangst. Und dann diese drei Bergführer, die sich pausenlos über den Weg streiten, rechts, links oder doch geradeaus. Wer will da nicht am liebsten umkehren?! So ähnlich geht es vielen Menschen derzeit mit der Ampelregierung.

Angetreten ist sie 2021 als Fortschrittskoalition, um die großen Herausforderungen der Zeit anzugehen: die Dekarbonisierung, den demografischen Wandel und die Digitalisierung. Nun ist fast die Hälfte der Legislatur rum, doch statt beherzt voranzuschreiten, schleppt sich die Ampel in die Sommerpause. Grüne und FDP zanken und die SPD schaut dabei zu.

Kein Wunder, dass drei Viertel der Menschen laut ARD-Deutschlandtrend beunruhigt von den aktuellen Verhältnissen sind. Von der von Olaf Scholz oft beschworenen Zuversicht ist im Land wenig zu spüren, was auch an den mangelnden Führungsqualitäten des Kanzlers und dem Dauerstreit in der Regierung liegt. Zugegeben: Den russischen Überfall auf die Ukraine, die daraus resultierende globale Energie- und Sicherheitskrise hatte im Dezember 2021 niemand so vorhergesehen.

Doch während die Ampel mit gemeinsamer Kraftanstrengung die Krisen im vergangen Jahr bewältigte, treibt es sie nun, wo sie endlich gestalten kann, auseinander. Die Streitigkeiten um das Heizungsgesetz haben viel Vertrauen gekostet. Nun wird es doch erst nach der Sommerpause verabschiedet. Für sich genommen ist das kein Beinbruch. Schließlich kommt es beim großen Ziel, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird und dann entsprechend heizt, nicht auf ein paar Wochen an.

Gewinnerin ist die AfD

Doch man hat mittlerweile Zweifel, ob wirklich alle drei Koalitionspartner dieses Ziel ansteuern. Besonders die FDP erweckt den Eindruck, als wollte sie möglichst viele Verschnauf­pausen und Umwege machen. Die Uneinigkeit der Ampel, gepaart mit schlechter Vorarbeit im grün geführten Wirtschaftsministerium, was schließlich in den übereilten, nun gestoppten Endspurt führte, ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Die kann zwar nur blöken: „Keine Heizung ist illegal“. Sie hält auch keine Lösung parat, aber um Dampf abzulassen, reicht dieses Angebot.

Dabei hat die Ampel durchaus Erfolge vorzuweisen: Sie hat den Mindestlohn deutlich erhöht, auch wenn diese Erhöhung angesichts der Inflation schon nicht mehr ausreicht. Sie hat ein Bürgergeldgesetz eingeführt, das endgültig damit Schluss macht, Menschen in jeden miesen Job zu vermitteln. Sie hat ein Einwanderungsgesetz verabschiedet, das Ausländer:innen, die in Deutschland arbeiten wollen und können, endlich eine legale Einreise ermöglichen wird.

Gebraucht werden sie dringend, denn ohne zusätzliche Einwanderung drohen Deutschland ein drastischer Fachkräftemangel und in der Folge massive Wohlstandsverluste, was die Mehrheit fast überall begriffen hat, außer an Orten wie Sonneberg oder Ra­guhn-Jeßnitz. In den Ausbau der erneuerbaren Energien kommt nach der Merkel-Flaute wieder Schwung, denn die Ampel hat unter anderem das Gesetz „Windenergie an Land“ beschlossen, das Genehmigungsverfahren für Windkraft massiv beschleunigen dürfte.

Es gibt endlich eine Kennzeichnungspflicht, die transparent macht, wie die Tiere, die wir essen, gehalten wurden. Das und vieles andere haben SPD, Grüne und FDP gemeinsam und effizient beschlossen. Es geht also. Doch was nützt es, wenn man viele richtige Dinge macht, sich aber zwischendurch so miserabel aufführt, dass alle nur mit dem Kopf schütteln. Selbst die Union, die mit so krassen Kloppern wie einem Mautgesetz, das die Steu­er­zah­le­r:in­nen 243 Millionen Euro kosten wird, davonkommt, entblödet sich nicht, über die Regierung zu lästern.

Die Ampel steht nun vor der Halbzeit und an einer Weggabelung: Entweder sie reißt sich zusammen und geht die anfangs genannten Berge von Herausforderung geschlossen an. Damit all jene, die ängstlich und unerfahren sind, also fast alle, nicht das Gefühl haben, sie stürzen auf dieser Tour ab. Oder sie macht so kakophonisch weiter wie bisher.

Dass im Herbst Landtagswahlen in Bayern und Hessen sind und spätestens im nächsten Sommer der Bundestagswahlkampf einsetzt, wo jede Partei nur noch für sich kämpft, spricht eher für letzteres. Doch im Herbst 2024 wird auch in Sachsen, Brandenburg und Thüringen gewählt. Und gerade in Thüringen, wo die AfD in Umfragen stabil vorn liegt, droht mehr ins Rutschen zu geraten als eine Regierung. Nicht zuletzt angesichts dieser Lawinengefahr sollte die Ampel ihren Kurs noch einmal überdenken.

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Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

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