Klimagipfel in Afrika: Supermacht im Klimaschutz

Afrikas Staaten beanspruchen mit ihrem Klimagipfel eine Führungsrolle in der Energiewende – und machen ein schwieriges Angebot.

Menschen bei einer Demonstration.

Ausstiegs­forderungen: Klima­aktivist:innen fordern von den versammelten Politike­r:innen in Nairobi eine Abkehr von fossiler Energie Foto: James Wakibia/imago

KAMPALA taz | „Afrika erwache!“, singt die kenianische Musikband; „Afrika ist die Lösung“, heißt es in der zweiten Strophe. Dann tritt Kenias Präsident William Ruto auf das Podium, um seine Abschlussrede zu halten. Hinter ihm haben sich Dutzende afrikanische Staats- und Regierungschefs auf dem zentralen Platz des Kongressgeländes aufgestellt, um die Abschlusserklärung des dreitägigen Afrika-Klimagipfels zu verlesen, der diese Woche in Kenias Hauptstadt Nairobi stattgefunden hat.

„Wir haben in Nairobi Geschichte geschrieben“, fasste Ruto die Verhandlungen der vergangenen Tage zusammen. „Diese Woche haben wir afrikanische Staatschefs eine gemeinsame, starke, afrikanische Position erarbeitet, wie die internationale Gemeinschaft sich engagieren soll im Angesicht der nicht zu leugnenden Dringlichkeit, dass der Klimawandel den Wohlstand der Menschheit gefährdet.“

Einstimmig wurde die Nairobi-Erklärung am Mittwoch am Spätnachmittag angenommen. Insgesamt wurden 23 Milliarden Dollar zugesagt, die in den nächsten Jahren auf dem Kontinent in grüne Energie investiert werden sollen. Dabei wird nun ein ganz neues Narrativ angestimmt: Der afrikanische Kontinent, der bereits unter extremen Folgen des Klimawandels wie Dürre, Fluten und Starkregen leidet, will sich nicht weiter als Opfer, sondern als Lösung des weltweiten Klimawandels verstehen.

„Afrika ist der Kontinent mit 60 Prozent der weltweiten erneuerbaren Energieanlagen, darunter Solar- und Windenergie, Geothermie und Wasserkraft“, betonte Ruto. „Wir verfügen über zwei Drittel des unkultivierten Ackerlands der Welt, das eine intelligente Landwirtschaft in den Produktionsspeicher der Welt verwandeln kann“, sagte er und forderte, eine „globale Koalition aus Notfallhelfern zu mobilisieren, um sicherzustellen, dass die Industrialisierung, die für den künftigen wirtschaftlichen Wandel erforderlich ist, die Vitalität und das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten wiederherstellt“.

Afrika kann ein grüner Industriestandort sein

In der Praxis bedeute dies, so wurde auf dem Gipfel immer wieder betont, dass die Afrikaner sich wünschten, dass westliche Konzerne und Investoren auf dem Kontinent nicht auf die Ausbeutung fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas setzten, wie es nach wie vor der Fall ist. In Ostafrika bauen der französische Ölmulti Total und der chinesische Staatskonzern CNOOC derzeit die längste beheizte Ölpipeline der Welt. Ziel solle es vielmehr sein, dass internationale Konzerne in Zukunft nach Kobalt, Mangan und Platin bohrten – alles seltene Rohstoffe, die für die Herstellung von Wasserstoffbrennzellen oder Akkus für Elektroautos weltweit dringend benötigt werden.

„Afrika kann ein grüner Indus­trie­standort sein, der anderen Regionen hilft, ihre Netto-null-Strategien bis 2050 zu erreichen“, sagte Ruto auf dem Gipfel. „Die Erschließung der erneuerbaren Energieressourcen, die wir auf unserem Kontinent haben, ist nicht nur gut für Afrika, sondern auch gut für den Rest der Welt.“

Nach Angaben der Vereinten Na­tio­nen trägt der Kontinent nur knapp 3 Prozent zu den weltweiten Emissionen bei, leidet aber am meisten unter dem Klimawandel. Extreme Wetter­ereignisse sind in den letzten Jahren häufiger geworden. „Erneuerbare Energien könnten das afrikanische Wunder sein, aber wir müssen es schaffen. Wir müssen alle zusammenarbeiten, damit Afrika eine Supermacht für erneuerbare Energien wird“, betonte UN-Generalsekretär António Guterres am Dienstag auf dem Gipfel.

Kenias Präsident William Ruto steht vor einem kleinen gelben Elektroauto und zieht sich ein Sakko über

Einstiegs­angebot: Kenias Präsident William Ruto fuhr auf der Konferenz mit E-Auto vor Foto: Monicah Mwangi/reuters

Schulden gegen Energie tauschen

Die Hürde bleibt allerdings die Finanzierung. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht forderten die Internationale Energieagentur (IEA) und die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) in einer gemeinsamen Erklärung im Rahmen des Gipfels die Geber- und Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen auf, die Finanzierung gewaltig aufzustocken, um Investitionen des privaten Sektors in Afrikas Energiesektor zu fördern. Dazu heißt es in dem gemeinsamen Kommuniqué: „Kapital von rund 28 Milliarden US-Dollar pro Jahr ist erforderlich, um bis 2030 Investitionen des Privatsektors in Höhe von 90 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren – eine mehr als zehnfache Steigerung gegenüber heute.“

Immerhin, die AfDB kündigte an, sie werde 23 Milliarden US-Dollar in den Africa Climate Change Fund „für grünes Wachstum, Klimaschutz- und Anpassungsbemühungen“ einstellen. Und auch andere Geber machten Zusagen: Die Vereinigten Arabischen Emirate, wo im Dezember der nächste internationale Klimagipfel COP28 stattfinden wird, sagten 4,5 Milliarden Dollar zu. „Wir hören euch“, betonte auch Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, in ihrer Rede und stellt 150 Milliarden Euro in Aussicht, die die EU in Zukunft in Afrikas grüne Energiewende investieren wolle.

Die Bundesregierung hat in Nairobi rund 480 Millionen Dollar in Aussicht gestellt, um bei der Entwicklung einer grünen Energieinfrastruktur zu helfen. Darunter sind auch rund 65 Millionen Dollar, die als „Schuldenumwandlung für Naturschutz“ eingesetzt werden sollen. Diese sogenannten Debt-for-nature Swaps sind jüngst in der Frage, wie die heillos überschuldeten Staaten Afrikas überhaupt in der Lage sein sollen, in neue, umweltschonende Energien zu investieren, als Finanzierungsinstrument populär geworden. Dabei erlässt die Bundesregierung nun in diesem Beispiel dem Land Kenia Schulden im Umfang von 65 Millionen Dollar. Das frei gewordene Geld soll Kenia stattdessen in Naturschutzprojekte investieren.

Ein System das alle gleich behandelt

Doch diese Schuldenumwandlung hat auch einen Haken, so Malina Stutz vom Bündnis Erlassjahr, das sich für Schuldenerlasse für den Globalen Süden starkmacht. Laut deren jüngstem Bericht, so Stutz „befinden sich drei Viertel der Länder in Subsahara-Afrika in einer kritischen oder sehr kritischen Situation“, was die Verschuldung betrifft. Rund 60 Millionen Dollar seien in Anbetracht der kenianischen Gesamtverschuldung von über 37 Milliarden Dollar quasi ein Tropfen auf den heißen Stein. Ob ein solcher Erlass den Staaten tatsächlich hilft, bleibt zu bezweifeln, denn, so Stutz: „Häufig bedeuten solche Swaps aber auch, dass Rückzahlungen, die vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren fällig geworden wären, in den nächsten zwei Jahren gezahlt werden müssen.“

Immerhin, ein Vorteil sei, dass die Länder die Zahlung in ihrer eigenen heimischen Währung leisten, nicht in Euro oder US-Dollar. „Das ist natürlich ein ganz, ganz großer Pluspunkt, wodurch eigentlich der wirkliche Erleichterungseffekt entsteht“, erklärt Stutz. Aus Sicht deutscher Nichtregierungsorganisationen wie Erlassjahr oder Brot für die Welt braucht es aber tatsächliche, strukturelle Veränderungen und Mechanismen, mit denen man wirklich Schulden erlässt, „allerdings auf einem ganz anderen Niveau“, so Stutz.

Deswegen pochen die Afrikaner in Nairobi erneut auf eine grundlegende Reform des gesamten internationalen Finanzsystems: von der Weltbank bis zum Internationalen Währungsfonds. Kenias Präsident Ruto hat bereits auf dem letzten Klimagipfel in Paris im Juni auf den Tisch gehauen und die ungleiche Behandlung Afrikas bemängelt, dessen Staaten deutlich höhere Zinsen auf Kredite zahlen als der Globale Norden.

„Wir wollen ein System, das alle gleich behandelt“, forderte Ruto nun noch einmal in Nairobi: „Modernisierte Institutionen müssten stärker auf afrikanische Belange der wirtschaftlichen Entwicklung eingehen, insbesondere die Überschuldung“, betonte er und forderte Umschuldungen und Schuldenerleichterungen in Form von Moratorien im Fall extremer Klimaereignisse sowie einen Zehnjahresaufschub von Zinszahlungen, wenn Länder in Anbetracht von Dürre und Fluten die Gelder dringend brauchten, um den Katas­trophen zu begegnen.

„Ablasshandel“

Zum Abschluss appellierten die afrikanischen Staatschefs an die Weltgemeinschaft, sich den Vorschlag einer globalen CO2-Besteuerung zu eigen zu machen, die sowohl den Handel mit fossilen Brennstoffen wie auch die Luft- und Schifffahrt umfassen sollte.

Für Hamira Kobusingye aus Uganda, Klimaaktivistin und Mitglied von Fridays for Future, klingt das alles viel zu gut, um wahr zu sein. Als die taz mit ihr am Mittwochabend am Telefon spricht, hört man im Hintergrund die Rede der Abschlussdeklaration auf dem Gipfel in Kenia. „Was hier geschieht, ist sehr viel Greenwashing“, so ihre Schlussfolgerung nach drei Tagen Gipfel. „Ich habe das Gefühl, dass wir zu keiner wirklichen Lösung kommen“, stellt sie klar und nennt als Beispiel den CO2-Handel, der auf dem Gipfel stetig als Lösungsidee genannt wurde. ­

Kobusingye ist wie viele afrikanische Aktivisten gegen diesen „Ablasshandel“, wie sie ihn bezeichnen Denn wenn der Globale Norden und die großen Industriekonzerne nun in Afrika ihre CO2-Emmis­sio­nen mit Investitionen wiedergutmachen könnten, dann bedeutet dies für Kobusingye, „dass der Westen nicht darauf bedacht ist, die Emissionen zu reduzieren und den Weg oder das Ziel zu erreichen, den Temperaturanstieg unter 1,5 Grad zu halten“.

Ein Block gemeinsamer Interessen

Es wirke eher so, als „blicken alle in eine glorreiche Zukunft, ohne darüber nachzudenken, was wir mit der derzeitigen Situation und den Katastrophen machen sollen, denen wir bereits ins Auge sehen“, klagt sie und nennt die Toten durch Fluten und Dürre, die Gemeinden, die vom Klimawandel betroffen sind. Immerhin, der Gipfel habe nun dazu beigetragen, dass die afrikanischen Länder eine gemeinsame Position erarbeitet hätten, womit sie im Dezember zur internationalen Klimakonferenz COP28 nach Dubai reisen wollten.

Dort wollen die Afrikaner als ein Block die Interessen ihres Kontinents gemeinsam vertreten. Um diese Posi­tio­nen zu stärken, soll der Afrika-Klimagipfel in Zukunft alle zwei Jahre stattfinden. Kobuyingye mahnt allerdings auch an, „nicht zu viel zu reden, sondern besser zu handeln“.

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