Urlaubs-Fails aus dem Sommer 2023: Mein schlimmstes Urlaubserlebnis

Hefte raus, Klassenaufsatz! Die Sommerferien sind vorbei und – es war nicht alles eitel Sonnenschein. Zehn Geschichten.

Eine Möwe im Regen

Die Kinder tragen's mit Fassung. Aber bei mir tropft nicht nur der Regen von der Nasenspitze Foto: John North/imago

Wir warten eine halbe Stunde, aber nichts bewegt sich

Die Erkenntnis, dass ich lieber in den Süden geflogen wäre statt in der Uckermark zu bleiben und ein guter Mensch zu sein, trifft mich, als ich am fünften Regentag in Folge mit meinen Kindern die Datsche am See verlasse, zu Fuß 20 Minuten zur Bushaltestelle laufe, um von dort über eine Stunde mit dem Bummelbus in die Therme zu fahren. Mit dem Auto hätte die Fahrt 25 Minuten gedauert. Aber wir haben kein Auto, denn, wir wollen ja gute Menschen sein.

Aus einer Stunde Busfahrt werden wegen einer Verspätung und eines verpassten Umstiegs fast zwei. Als wir nach dieser Odyssee an der Therme ankommen, stellen wir uns im strömenden Regen in die Schlange, die vom Eingang etwa 100 Meter Richtung Parkplatz führt (alle anderen Gäste sind natürlich mit dem Auto gekommen) und warten dort eine halbe Stunde, ohne dass sich etwas bewegt. Bis es irgendwann heißt: Wegen Überfüllung geschlossen.

Meine Kinder tragen es mit Fassung. Bei mir dagegen ist es nicht nur der Regen, der von meiner Nasenspitze tropft.

Kersten Augustin

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Wir schlafen in Schichten, um nicht ausgeraubt zu werden

Auf dem Weg zum Berliner Hauptbahnhof öffne ich die DB App, um die Verbindung zu überprüfen, und das Chaos beginnt: Unsere Fahrt fällt aus. Es gibt einen Alternativzug, aber weil dieser die Passagiere von gleich drei Fahrten aufnehmen muss, ist er zu voll, um loszufahren; nach zehn Minuten Gedränge müssen meine Freun­d*in­nen und ich wieder aussteigen.

Niedergeschlagen und voll bepackt buchen wir uns von Zug zu Zug, Interrailpass sei Dank, und erreichen um 1 Uhr morgens schließlich Budapest. Unser Plan, im Bahnhof zu übernachten, schlägt fehl: Securitymitarbeiter winken uns hinaus und schließen hinter sich zu. Die Sitzbänke vor dem Bahnhof sind unsere einzige Option, wir „schlafen“ in Schichten, damit wir nicht ausgeraubt werden oder dergleichen. Immerhin ist es eine warme Nacht.

Am nächsten Tag rollt unser Zug nach Bukarest gemütlich durch die Karpaten, als wir plötzlich anhalten: Die Lok muss ausgetauscht werden! Unsere Essens- und Wasservorräte werden langsam knapp und irgendwann geht natürlich auch noch die Klimaanlage kaputt. Es ist 2 Uhr morgens, als wir endlich in Bukarest aussteigen, nach 40 statt 28 Stunden Fahrt, mit krummen Rücken, schweren Taschen, leeren Mägen und Schlafmangel – aber überglücklich und reiselustig. Ann Toma-Toade

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Zur Sicherheit mache ich einen Schritt zurück

Laut reden ist verboten, abends das Licht in der Küche einschalten ebenfalls – es könnte die Nachbarn blenden. Auch sonst ist unsere Airbnb-Wohnung in Palermo eine Herausforderung, sie ist dunkel, verschmutzt und hat kaum Ähnlichkeit mit der gemütlichen Unterkunft, die auf den Fotos zu sehen war. 5 Nächte wollen wir bleiben, nur 30 Minuten nach unserer Ankunft stornieren wir die Wohnung komplett, schicken Fotos zur Begründung mit.

Unsere Gastgeberin akzeptiert das und erstattet umgehend die Kosten. Ihre Mutter akzeptiert es weniger und kommt zur Wohnung, aufgebracht, wütend. Ich hätte zu viel Geld zurückbekommen, wirft sie mir vor und holt dabei ein Küchenmesser aus einer Schublade. Ich halte den Atem an. Die Mutter macht ein paar Schritte Richtung Kühlschrank und dreht mit dem Messer eine Schraube fest. Ich entspanne mich, aber nur für eine Millisekunde, schaue herüber zu meinen Partner, der in einer anderen Ecke des Raumes steht und mich genauso ansieht, wie ich mich fühle. Während die Frau mit dem Messer herumfuchtelt, will sie weiter über die Erstattung der Kosten diskutieren. Zur Sicherheit mache ich einen Schritt zurück. Jetzt fällt ihr wohl selbst auf, was sie da in der Hand hat, und legt das Messer zur Seite. Doch da haben wir schon unsere Rucksäcke geschultert und fliehen hinaus in die dunklen Gassen Palermos. Johanna Pichler

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Im Bus wurde mir klar: Mit der Gyros Pita stimmte was nicht

Die Hose ist schwarz und aus Seide, dünner Stoff mit weitem Bein, mein Begleiter zu jeder Jahreszeit. Nun ist sie weg, liegen geblieben in einer Ferienwohnung in Sarajevo. Auf Anfrage bei der Gastgeberin erfahre ich, dass ihre Mutter meine Lieblingshose weggeschmissen hat. Die Müllabfuhr war bereits da.

Bedrückt erreiche ich Kotor, nur um festzustellen, dass es sich hierbei um meine ganz persönliche Tourihölle handelt – naiv von mir, zu glauben, dass ich in einer Unesco-Weltkulturerbe-Stadt den authentischen Charme Montenegros aufsaugen könnte und allein von Bergen umgeben sei. Ich flüchte vor den Menschenmassen an der Uferpromenade in ein kleines Restaurant und bestelle eine Gyros Pita. Dass mit der irgendwas nicht in Ordnung war, wird klar, als ich im Bus nach Belgrad mehrmals Wasser in eine Plastiktüte erbreche und nach meiner Ankunft den Busbahnhof mit tellergroßen Kotzpfützen schmücke. Die geplante letzte Übernachtung storniere ich und nehme den erstbesten Bus zurück nach Deutschland. Vivien Mirzai

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Gleich fühle ich mich noch etwas unwillkommener

Es regnet in Strömen, als ich bei meiner Airbnb-Unterkunft in Greifswald eintreffe. Die Vermieterin erwartet mich mit einer sehr umfangreichen Liste von Dingen, auf die ich zu achten hätte. Schuhe immer in den Schuhschrank im Flur („nicht in der Wohnung tragen“), Garagentor immer sorgfältig schließen („sonst kommt hier jeder aufs Grundstück“), dreckige Wäsche in den Schuhschrank legen („die nehm ich dann zum Waschen raus“). Ich nicke pflichtschuldig alles ab. Die Wohnung riecht intensiv nach Weichspüler und in jedem Schrank, in jeder Schublade finde ich Putzmittel. Nach einem – angekündigten – Wochenendbesuch meines Mannes lege ich seine benutzte Bettwäsche mitsamt eines Handtuchs in den Schuhschrank. Der riecht jetzt auch nach Weichspüler. Niemand nimmt die Sachen zum Waschen raus. Dafür habe ich am Montag eine hektische Nachricht auf der Mailbox: „Ich müsste jetzt mal wissen, wann du Samstag abfährst“. Gleich fühle ich mich noch ein bisschen unwillkommener.

Nach zwei Wochen lege ich meine Bettwäsche und das zweite Handtuch neben das Bett und übergebe die geputzte Wohnung persönlich. Abends erreicht mich eine SMS: „Hier fehlt ein Duschtuch. Du hast es sicher aus Versehen eingesteckt.“ Zusätzlich schickt sie mir die Nachricht per Email und spricht mir auf die Mailbox. „Schreib ihr“, sagt mein Mann, „dass man diesen Weichspülergeruch nie mehr aus der Wäsche kriegt. Schon allein deshalb würde man das niemals klauen“. Gaby Coldewey

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Nach einem Dutzend toter Mäuse hören wir auf zu zählen. Riesige Exemplare zumeist, rotbraun gefärbte darunter

Als Henkersmahlzeit gibt es ein Stückchen Dattel

Sie halte es nicht aus, schreit meine Freundin ins Telefon. „Mäusedreck, überall!“ Sie ist vorgefahren in den Schwarzwald, familienbedingt besitzen wir dort eine Wohnung in einem 200 Jahre alten Haus, die Wände über einen Meter dick. In den Wänden wohnen Mäuse, man hört mitunter ihr Trippeln. Das hat etwas Zartes.

Jetzt aber waren die Mäuse in die Küche eingedrungen. Aus Mangel an Nahrung machten sie sich über die Gallseife her. Und über einen 3-Liter-Kanister mit Olivenöl, der fast voll war. „Warum war der Kanister nicht verschlossen?“, schreit meine Freundin ins Telefon. Bis klar wird, die Mäuse haben das Plastik abgenagt, weil Olivenölspuren dran waren. Sie müssen Hunger gehabt haben. Voll Verachtung stellt meine Freundin den Kanister vors Haus.

Als ich ein paar Tage später eintreffe, übernehme ich die Mäusebekämpfung, stelle Fallen auf. Totschlagfallen – ich entschuldige mich bei den Kreaturen. Als Henkersmahlzeit gibt es ein Stückchen Dattel. Nach einem Dutzend toter Mäuse hören wir auf zu zählen. Riesige Exemplare zumeist, rotbraun gefärbte darunter. Drei Mäuse überleben das Massaker in den Fallen. Als ich sie draußen freilasse, hüpfen sie benommen davon.

Am letzten Ferientag entsorge ich endlich das Olivenöl auf dem Kompost. Beim Ausschütten flutschen noch zwei in Öl ersoffene Mäuse aus der Öffnung. Waltraud Schwab

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Die Fahrt in den 6. Stock dauert gefühlte 30 Minuten

Wenn schon Las Vegas, dann richtig, dachte ich – und buchte Zimmer im Luxor. Die 107 Meter hohe schwarze Pyramide, aus deren Spitze ein Laser lila in den Nachthimmel strahlt, verspricht Vier-Sterne-Superlative im ägyptischen Design: 4.400 Zimmer, 4 Mega-Pools, 11.000 Quadratmeter Casinofläche und eine monumentale Sphinx, die vor dem Eingang wacht. Vor Ort aber ist von Glamour keine Spur. In der Casinolobby sitzen apathische Zocker in einem Mief aus Bier und Zigarettenrauch, der Teppichboden hat schon bessere Zeiten gesehen und am Getränkestand plärrt uns die Stimme des drittklassigen Hotelentertainers ins Ohr. Der große Außenpool ist wegen Personalmangels geschlossen, der kleine eine warme Pfütze, in der sonnenverbrannte Leute stehen und saufen. Schatten kostet auch extra.

Wir wollen nur noch ins Zimmer, aber weil der vielgerühmte schräge Aufzug einen Defekt hat, dauert die Fahrt in den sechsten Stock gefühlte 30 Minuten – mit Schlangestehen. Gratiswasser oder einen Kühlschrank gibt es in unserer „Pyramid-Suite“ nicht, und der Blick aus dem Fenster geht genau auf den, nun ja, Arsch der Sphinx. Beinahe den gesamten Fensterrahmen füllt der aus. Nina Apin

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Wir fühlen uns unsexy und fehl am Platz

Dass Amsterdam zu den schönsten Hauptstädten gehört, liegt auch daran, dass es sich seit Jahrhunderten kaum verändert hat (mal abgesehen davon, dass der Doors-Coffeeshop irgendwann schließen musste). Und im Gegensatz zu vielen anderen Metropolen ist auch Amsterdams Speckgürtel sehr hübsch, wovon wir uns Anfang August überzeugen können, als die erste verfügbare Butze eine halbe Bahnstunde außerhalb der Innenstadt liegt. Das hätte uns stutzig machen sollen. Der Gulden fällt aber erst, als wir am Bahnhof ankommen, bereit, uns durch die Touritrauben zu kämpfen und uns in den herrlichen Gassen zwischen den Grachten zu verlieren.

Aber nix mit gewöhnlichen Touris, stattdessen überall nackte Haut und Regenbögen. Wir haben bei der Reiseplanung das Gay Pride Festival übersehen. Dafür hätten wir nicht nach Holland fahren müssen, das hatten wir wenige Wochen zuvor auf dem CSD in Berlin. Jetzt hingegen fühlen wir uns unvorbereitet, verhüllt und unsexy fehl am Platz, da hilft auch ein Pisco Sour to go nur wenig: Der Dam ist ein Dancefloor, die Heerengracht eine Partymeile, der Vondelpark ein Sündenpfuhl. Ob ich die Stadt immer noch so mag wie vor 20 Jahren, muss ich noch mal an einem spaßbefreiten Heterotag checken. Philipp Brandstädter

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Wir sollen für Geld lügen, schlägt der Vermieter vor

Kopenhagen ist eine Stadt, die dich wie eine Freundin in den Arm nimmt. Die Radwege, die Architektur – wir wären am liebsten geblieben. Dann aber auf jeden Fall in einer anderen Wohnung.

Sie hat zwar Platz für neun und liegt nur wenige Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, aber sie hält nichts von dem, was der Vermieter auf Airbnb angepriesen hatte. Alles „stunning“, umwerfend, „breathtaking“, atemberaubend? Das Badezimmer halb marode und viel zu klein, das Klo wackelig, die Spülung defekt. Die Küche – „der Traum eines jeden Kochs“ – mit Wasserhahn auf halb acht, einer Pfanne, einem Kochtopf, kaum Gläsern, spartanisch wie im Campingurlaub. Lustig die Beschreibung eines Gemäldes im Wohnzimmer: „Das schöne große Kunstwerk an der Wand verleiht dem Raum Farbe und Persönlichkeit und lässt ihn wie ein Zuhause wirken.“ Das schöne große Kunstwerk war schwarz-weiß.

Wir bitten die vermietende Agentur um Abhilfe und bekommen Standardmails, „bemühen uns, alle Probleme zu lösen“. Es passiert: nichts. Wir bitten Airbnb um Hilfe, schicken Fotos, beschreiben die Lage. Alles nicht schlimm, an sich auch amüsant – aber doof. Und irgendwann unverschämt, als sich die Agentur schließlich meldet und einen Deal vorschlägt: Wir vergeben eine 5-Sterne-Bewertung („Super! Gerne wieder!“), dafür bekommen wir Geld zurück.

Wir sollen lügen. Gegen Geld. Haben wir nicht gemacht und dank Airbnb dennoch ein Drittel der Kosten erstattet bekommen. Felix Zimmermann

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Eine unsichtbare Grenze teilt die Leute auf dem Bahnsteig

In dem herrlichen Park vor dem Hauptbahnhof von Zagreb lagern morgens Backpacker und warten auf ihren nächsten Zug. Aber nicht nur: Im Schatten von Bäumen sitzt eine Gruppe von afghanischen Männern. Da steht plötzlich die Polizei vor ihnen und schickt sie lautstark weg. Warum, ist mir nicht klar, sie scheinen in Kroatien registriert zu sein. Als die Polizisten nach einer „Yellow Card“ fragen, kramen sie die bereitwillig hervor.

Wenige Minuten später, im Bahnhof, setzt die Polizei zur Treibjagd an. Die Männer aus dem Park und noch andere wollen den Zug nach Slowenien und weiter nach Österreich besteigen. Sie verteilen sich und versuchen unauffällig einzeln in die Waggons zu kommen, aber die Polizisten sind schneller. In ihren adretten Uniformen verrichten sie ihren Dienst so beflissen, als wollten sie zeigen: Wir sind die EU-Musterschüler, wir halten euch Mitteleuropäern die Flüchtlinge vom Leib! Die Touristen mit ihren weißen nackten Beinen und Wasserflaschen in der Hand kümmert die Szene nicht, sie sind damit beschäftigt, über die Zugverspätung zu meckern. Eine unsichtbare Grenze teilt die Leute auf dem Bahnsteig: Jene, die mit ihren EU- oder US-Pässen ungehindert durch Europa reisen können, und jene, die das nicht dürfen, obwohl sie in einem EU-Land leben.

Man muss die Dinge nicht gesehen haben, um sie zu begreifen, lesen reicht, habe ich meistens gedacht. Seit Zagreb habe ich meine Zweifel. Gunnar Hinck

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