Hamas-Angriff auf Israel: Gegenschlag ist fast die einzige Wahl

Ein Einmarsch in Gaza scheint im Gespräch. Doch der birgt Risiken. Nicht nur für die Palästinenser dort, sondern auch für die israelischen Geiseln.

Panzer auf einer Straße zwischen Pkws.

Israelische Panzer auf dem Weg in Richtung der Grenze zum Gazastreifen, 8. Oktober Foto: Baz Ratner/The Washington Post/Getty Images

TEL AVIV taz | Zwei Tage nach dem brutalen Großangriff der islamistischen Hamas auf Israel wird langsam das Ausmaß der blutigen Aktion deutlich. Mehr als eintausend Menschen sind tot, viele weitere werden sterben. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sein Land auf einen langen Krieg eingeschworen, die Armee dreihunderttausend Reservisten einberufen. In der Nacht gab es heftige Luftangriffe auf den Gazastreifen mit vielen Toten, darunter dutzende Kinder.

Israels Regierung steht unter massivem Druck, Antworten auf fast unlösbare Fragen zu finden. Der Konflikt mit den Palästinensern, der in der israelischen Politik zuletzt immer weniger eine Rolle gespielt hat, ist mit aller Grausamkeit zurück. Der düstere Erfolg der Hamas lässt die Meldungen der vergangenen Wochen, etwa über Annäherungen an Saudi-Arabien, wie aus einer anderen Zeit erscheinen. Es ist fraglich, wie ein anderer Umgang mit der Hamas hätte aussehen können, die offensichtlich nie an einer konstruktiven Lösung interessiert war. Doch eines lässt sich sagen: Der Ansatz israelischer Regierungen in den vergangenen Jahren, den Konflikt zu managen, statt zu lösen, hat einen schweren Schlag erhalten.

Doch zuallererst müssen Israels Regierung und Armee nun reagieren. Mehr als 700 Israelis sind tot, die meisten von ihnen Zivilisten. Sie wurden brutal in ihren Häusern, auf den Straßen, auf einem Musikfestival erschossen. Mehr als einhundert Menschen wurden von den Angreifern in den Gazastreifen verschleppt.

Die US-Antisemitismusbeauftrage Deborah Lippstadt nannte den Hamas-Angriff „den tödlichsten Angriff auf Juden seit dem Holocaust“. Das Vertrauen der Israelis in die Armee, die Regierung und die Geheimdienste ist tief erschüttert. Am zweiten Morgen nach dem Angriff kämpften noch immer zehntausende Soldaten im Süden des Landes darum, bewaffnete Eindringlinge aufzuspüren und die Kontrolle zurückzuerlangen.

Israel hat angesichts dieser Katastrophe kaum eine Wahl, als entschieden vorzugehen. Mit Luft- und Artillerieschlägen greift die Armee seit Samstag Einrichtungen der Hamas in dem dicht besiedelten Gebiet an. Auch ein Einmarsch in Gaza scheint im Gespräch, da nach Einschätzung von Experten durch Luftangriffe allein kaum alle Strukturen der von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuften Palästinensergruppe erreicht werden könnten.

Doch eine erneute Eroberung des Küstenstreifens, in dem die Hamas zwar autoritär regiert, aber durchaus über einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung verfügt, wäre voraussichtlich ebenfalls mit hohen Verlusten verbunden. Und eine Garantie, die entführten Israelis lebend zurück nach Hause zu bringen, ist auch sie nicht.

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berichtet für die taz aus Israel und den palästinensischen Gebieten. Geboren 1989. Er hat Politik- und Sozialwissenschaften in Jena, Dresden und Kairo studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Ernst Cramer & Teddy Kollek-Fellow.

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