Film „Die Geschichte vom Holzfäller“: Der Film hat die Ruhe weg

Der Spielfilm „Die Geschichte vom Holzfäller“, das Debüt des finnischen Regisseurs Mikko Myllylahti, ist nicht von dieser Welt. Nun erscheint er auf DVD.

Ein erwachsener Mann und ein Kind in Winterkleidung laufen durch den Schnee, weg von der Kamera.

Im finnischen Film „Die Geschichte vom Holzfäller“ bewegen sich die Figuren von vorne nach hinten Foto: eksystent

Pepe, sagt ein Freund über ihn, ist einer, für den ist das Glas immer halb voll und niemals halb leer. So nimmt Pepe es erstaunliche gleichmütig hin, dass die Holzmühle schließt, für die er und dieser Freund und viele Menschen in der kleinen Stadt arbeiten. Meist steht er da, draußen im Schnee, die Pelzmütze auf dem Kopf, die ihm beim Abnehmen immer den schönen Überkämmer zerstört, oder er sitzt, oder liegt, in der Kneipe oder zu Hause, und blickt staunend auf das, was ihm oder anderen widerfährt. Und Widerfahrnisse gibt es reichlich, manche sind von dieser Welt, andere sind es nicht.

Da ist der Jobverlust nur der Beginn. Eben glitten auf der sehr breiten Leinwand die Baumstämme noch hinter den Menschen dahin. Dann kamen in schwarzen Autos die Bosse, die Bosse machen nicht viele Worte, der Laden ist dicht, es findet sich für manche, auch Pepe, andere Arbeit, sie tragen weiße Säcke von hier nach da, und von da wieder nach hier. In der Kneipe hatte einer der Arbeiter, der auch sonst recht existenzialistisch drauf ist, gefragt. Wer ist der Mensch? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?

Die Antwort des Films scheint zu lauten: Wir kommen von rechts im Bild und gehen nach links. Oder wir bewegen uns von vorne nach hinten. Oder stehen nur da, mit aufgerissenem Mund. Und manchmal sinken wir zu Tode erschöpft von der Sinnlosigkeit in den Schnee.

Pepe aber ist der, der wieder aufstehen wird. Als seine Mutter stirbt, die ihn bei seinem letzten Besuch im Krankenhaus auch noch beschimpft. Und auch, als er von oben, durch ein Loch in der Decke, mit ansehen muss, wie sein bester Freund den Liebhaber seiner Frau mit der Axt erschlägt. Und auch, als Pepes Frau sich mit dem gemeinsamen Sohn in den Bus setzt, weil sie es in der Öde, im Schnee, mit der Sinnlosigkeit und dem Mörder nicht mehr aushält.

„Die Geschichte vom Holzfäller“ (Finnland 2022, Mikko Myllylahti). Die DVD ist ab rund 15 Euro im Handel erhältlich.

Der Sohn allerdings steigt unterwegs aus dem Bus und kehrt in das Städtchen im Schnee und zum Vater zurück. Den er allerdings bald darauf wieder verlässt, als ein komischer Heiliger auftaucht und die Verbindung zu den Toten herzustellen verspricht. Zu dem zieht der Sohn, aber Pepe macht weiter, auch als der Heilige ihm auf der Bühne vor Publikum blutig die Nase einschlägt.

Ein schwarzes Zottelwesen

Das sind die Dinge, die in Mikko Myllylahtis Langfilmdebüt von dieser Welt sind, auch wenn vieles daran etwas merkwürdig ist. Aber dann gibt es noch das Auto, das in finsterer Nacht die Straße entlangfährt und brennt und als fahrende Fackel die finstere Nacht ein wenig erhellt. Es gibt ein schwarzes Zottelwesen, nicht Schaf und nicht Bär und nicht Hund, das erscheint, dann verschwindet es wieder. Vater und Sohn fliehen vor dem brennenden Auto in eine Hütte, die auf dem Eis eines Sees steht. Aus dem Loch im Boden der Hütte streckt ein Fisch seinen Kopf und spricht krächzend zu ihnen.

„Die Geschichte vom Holzfäller“ ist die Geschichte von einem, der fast nichts hat und auch das noch verliert. Der Film hat dabei die Ruhe weg, die Einstellungen sind schön komponiert, immer wieder spielt Musik, mal elegisch, mal pumpend, sie hat manchmal durchaus andere Dinge im Sinn als die Lakonik, die nicht das Geschehen, das oft genug wild ist, aber seine Darstellung prägt. Irgendwo steckt da immer auch verschrobene Komik, sie scheint jedoch nicht das, worauf der Film am Ende hinaus will.

Was das Milieu und die Lakonik betrifft, liegt der Vergleich mit dem großen Finnen Aki ­Kaurismäki recht nahe. Die Seltsamkeiten erinnern an den Schweden Roy Andersson. Selbst an David Lynch kann man hier und da denken. Mikko Myllylahti findet aber doch einen ganz eigenen Ton, so dass man gespannt sein darf, was ihm in Zukunft noch einfallen wird.

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