Kritik an Fridays for Future: „Ab jetzt Israelhasserin“

Die deutsche Klima-Szene distanziert sich: Fridays-Initiatorin Greta Thunberg wird nach einem Auftritt in Amsterdam erneut Antisemitismus vorgeworfen.

Greta Thunberg trägt ein Pali-Tuch und spricht in eine Mikrofon

Stark in der Kritik: Greta Thunberg am 12. November in Amsterdam Foto: Peter Dejong/ap

BERLIN/CALAIS taz | Die deutsche Sparte der Klimabewegung Fridays for Future hat sich erneut von Initiatorin Greta Thunberg und anderen internationalen Mist­rei­te­r:in­nen distanziert.

„Durch die neuen Äußerungen von Greta Thunberg fühlen wir uns in unserem Kurs der letzten Wochen bestätigt“, schrieben die Ak­ti­vis­t*in­nen der taz am Montag auf Anfrage. „Wir haben die Prozesse mit der internationalen Vernetzung ausgesetzt.“ Fridays for Future agiere in Deutschland als eigenständige Organisation und sei „schon lange über Greta als Person herausgewachsen“.

Thunberg war am Sonntag auf einer Klimademo in Amsterdam aufgetreten. Mit einem schwarz-weißen Palästinensertuch um den Hals sagte sie, die Klimaschutzbewegung habe die Pflicht, „auf die Stimmen jener zu hören, die unterdrückt sind und die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen“. Dann wollte Thunberg das Mikrofon an eine Frau weitergeben, die ebenfalls ein Palästinensertuch trug und behauptete, Israel begehe „in meinem Land einen Völkermord“.

Das ging einigen Teil­neh­me­r*in­nen der Aktion offenbar zu weit. Ein Mann in grüner Regenjacke sprang vor laufenden Kameras auf die Bühne und rief ins Mikrofon: „Ich bin für eine Klimademonstration hierhergekommen, nicht, um politische Ansichten zu hören.“ Er wurde in einem Gerangel weggezerrt, Thunberg ging wieder ans Mikro und skandierte: „No climate justice on occupied land.“ – „Keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land.“

Forderung nach Umbenennung von deutschen Fridays

Es ist nicht das erste Mal, dass Thunberg sich israelkritisch geäußert hat. Im vergangenen Monat hatte sie sich bereits in den sozialen Medien für die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen ausgesprochen – zunächst ohne die israelischen Opfer des Massakers der Hamas vom 7. Oktober mit rund 1.200 Toten als Anlass des aktuellen Konflikts zu erwähnen.

Auf dem internationalen Instagram-Account von Fridays for Future war zudem ein mehrteiliger Post erschienen, in dem unter anderem behauptet wurde, dass „westliche Medien Gehirnwäsche betreiben“ würden, um Solidarität mit Israel zu erzeugen. Der Post ist mittlerweile gelöscht.

Die deutschen Fridays-Ak­ti­vis­t*in­nen distanzierten sich prompt. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, war das schon damals nicht genug: Er forderte eine komplette Abkoppelung der deutschen von der internationalen Bewegung – auch durch eine Namensänderung.

Nach Thunbergs Auftritt in Amsterdam sprach auch Volker Beck, ehemals grüner Bundestagsabgeordneter und jetzt Präsident der Deutsch-israelischen Gesellschaft, vom „Ende von Fridays for Future als Label für Ökologie“. Thunberg sei „ab jetzt hauptberuflich Israelhasserin“, schrieb er beim Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter.

Deutsche Fridays-Partner sind bislang mit der Reaktion der deutschen Gruppe zufrieden. Die Gewerkschaft Verdi etwa stellte die schon länger bestehende Zusammenarbeit mit der Klimagruppe nicht infrage.

„Die Äußerungen eines Teils der internationalen Akteure von Fridays for Future sind absolut inakzeptabel, ändern aber nichts an der Tatsache, dass in Sachen Klimaschutz unverändert dringender politischer Handlungsbedarf besteht“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. „Insofern begrüßen wir die unmissverständlichen Klarstellungen von Luisa Neubauer, die sich für die deutsche Sparte von Fridays for Future in Sachen Nahostkonflikt eindeutig von Greta Thunberg und anderen distanziert hat.“

„Wir reden nicht mehr über Klimaschutz“

Ähnlich sieht das Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft und Mitgründer der an Fridays for Future angelehnten Bewegung Scientists for Future. „Greta Thunberg hat sich diskreditiert“, so der Wissenschaftler.

Die deutschen Ak­ti­vis­t*in­nen hätten sich aber „deutlich distanziert“, sagte er der taz. Die Diskussion spiele der politischen Rechten in die Hände. „Da ist das gefundenes Fressen: Wir reden nicht mehr über Klimaschutz, sondern über den Antisemitismus von Greta Thunberg. Die meisten Kolleg:innen, mit denen ich spreche, sind deshalb genervt.“

So geht das auch den Grünen. Greta Thunberg missbrauche das richtige Anliegen für Klimapolitik für eine einseitige Positionierung zum Israel-Palästina-Konflikt, bei der sie die Täter nicht benenne, sagt Parteivorsitzende Ricarda Lang. Das sei „absolut unanständig“. Thunberg habe sich als „Gesicht der Klimabewegung diskreditiert“.

In der niederländischen Medienlandschaft steht etwas anderes im Vordergrund: Dort ist von einer „historischen“ Versammlung die Rede, weil noch nie so viele Menschen in dem Land für das Klima demonstriert hätten. Laut der Tageszeitung Volkskrant waren es „sicher 70.000 Menschen“.

Erfolge der Klimabewegung in den Niederlanden

Das Bewusstsein fürs Klima ist in dem deutschen Nachbarland gerade groß, die Klimabewegung hat dort zuletzt einige Erfolge gefeiert. Unter anderem haben die Straßenblockaden von Extinction Rebellion dafür gesorgt, dass sich die Regierung mit der Abschaffung fossiler Subventionen beschäftigen muss.

Zu der Demo am Wochenende hatte ein breites Bündnis namens Klimaatcrisis Coalitie aufgerufen, das auch bis ins bürgerliche politische Spektrum reicht. In den Niederlanden dominiert beim Nahostkonflikt eine fast plakative Zweiteilung: Linke und progressive Kräfte zeigen sich mit den Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen solidarisch, konservative Kreise mit Israel. Etliche Demo-Besucher*innen verließen den Protest, als dort der anti-israelische Slogan „From the river to the sea“ skandiert wurde.

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