Geheimdienste mit neuer Rechtsgrundlage: Reform in letzter Minute

Karlsruhe verordnet eine Reform des Nachrichtendienstrechts. Die Ampel kommt dem nach – und kritisiert die Innenministerin.

Portrait von Nancy Faeser

Ihr Gesetzentwurf wurde harsch kritisiert: Bundesinnenministerin Nancy Faeser Foto: Florian Gärtner/photothek/imago

BERLIN taz | Den Einsatz gleich mehrerer Werkzeuge des bayerischen Verfassungsschutzes hatte das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr 2022 als verfassungswidrig deklariert: die Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung oder Handyortung. Die Instrumente an sich seien zwar zulässig, deren Anwendung werde im Gesetz aber viel zu wenig reglementiert. Und das zielte auch auf den Bundesverfassungsschutz, wie Karlsruhe in einer Entscheidung im November 2022 klarmachte. Von dort kam die Vorgabe: Es bedarf einer Neuregelung bis Ende dieses Jahres.

Die Zeit wurde knapp, aber am Donnerstagabend nun wollen die Ampel-Fraktionen im Bundestag die nötige Gesetzesreform im Bundestag verabschieden. Zuvor hatten sie einen Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) deutlich überarbeitet. Dieser war nicht nur von Experten, sondern auch von der eigenen Koalition harsch kritisiert worden: Zu auslegungsoffen, zu weitgehend sei er. Verbände hatten nur 24 Stunden Zeit, sich dazu zu äußern.

Im neuen Gesetzentwurf wird nun vor allem der Rahmen enger gefasst, wann das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Erkenntnisse an die Polizei oder andere Behörden weitergeben und dort vor extremistischen Gefahren warnen darf. Bei der Polizei soll dies nur noch möglich sein, wenn eine „konkretisierte Gefahr“ besteht und „ein besonders gewichtiges Rechtsgut“ bedroht ist – was Leib, Leben oder Freiheit einer Person meint oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes.

Es braucht eine „konkretisierte Gefahr“

Für die „konkretisierte Gefahr“ muss sowohl eine geplante Tat schon „zeitlich absehbar“ sein als auch ein konkret handelnder Personenkreis erkennbar. Eine bloß abstrakte, „drohende Gefahr“, wie es in Bayern galt, reicht nicht mehr. Droht eine akute Gefahr, ist der Verfassungsschutz dagegen verpflichtet, der Polizei sein Wissen zu übermitteln.

Hintergrund ist der Grundsatz, dass Verfassungsschutz und Polizei getrennt agieren sollen. Jenseits konkreter Gefahren sollen Datenweitergaben des Geheimdiensts mit anderen Behörden die Ausnahme bleiben. Auch die werden im Gesetz benannt: etwa für die Überprüfung von Be­wer­be­r*in­nen des öffentlichen Dienstes auf ihre Verfassungstreue, für die Vorbereitung von Parteien- oder Vereinsverboten oder für Zuverlässigkeitsprüfungen für Waffen- und Jagdscheine.

An private Stellen ist eine Übermittlung personenbezogener Daten nur in Ausnahmefällen zulässig. Auch das hatte der Faeser-Gesetzentwurf offen gelassen: Der Verfassungsschutz hätte so etwa auch Sportvereine vor Extremisten warnen können. Nun sah der Gesetzentwurf indes nur Warnungen für Einrichtungen der kritischen Infrastruktur, der Cybersicherheit oder von Schulen vor. Und auch das nur, wenn schwere Straftaten drohen.

Vorgaben auch für den BND

Mit einem zweiten Gesetz werden ähnliche Vorgaben auch für den BND festgelegt. Diesen Gesetzentwurf hatte das Kanzleramt erarbeitet – allerdings offenbar ohne Abstimmung mit dem Gesetz von Faeser, obwohl es um gleiche Fragen geht. Auch dieser Entwurf wurde nachgebessert. Der BND soll nun ebenso künftig Daten an Strafverfolgungsbehörden nur noch weitergeben können, wenn eine „dringende Gefahr“ besteht.

Auch werden, wie beim Verfassungsschutz, strengere Regeln für die Übermittlung von Daten Minderjähriger formuliert. Zugleich sollen beide Behörden ihre Eigensicherung stärken: Sie dürfen nun auch in Verdachtsfällen Taschen oder Handys ihrer Angestellten kontrollieren – was bisher nicht möglich war. Auslöser hierfür war der Fall des BND-Manns Carsten L., der interne Papiere an Russland geliefert haben soll.

Der Grüne Konstantin von Notz betonte, aufgrund der Vielzahl an Bedrohungen sei man auf Nachrichtendienste angewiesen. Eine gute gesetzliche Grundlage sei „unentbehrlich“. Vor allem über den Gesetzentwurf des Innenministeriums sei man „sehr irritiert“ gewesen, so von Notz zur taz. Die Ampel-Fraktionen hätten mit den „umfassenden“ Überarbeitungen nun „das Risiko, erneut in Karlsruhe zu scheitern, minimiert“. Man habe „extrem weitreichende Öffnungsklauseln gestrichen“ und für eine Kohärenz der beiden Gesetze gesorgt. Die Dienste könnten nun „auf verfassungsfeste Rechtsgrundlagen vertrauen“.

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