Golfprofi und Wendehals Jon Rahm: Fahnenflucht zu den Saudis

Der Spanier Jon Rahm wird für etwa eine halbe Milliarde Euro auf der saudi-staatlichen LIV Tour golfen. Zuvor gehörte er zu deren Kritikern.

Jon Rahm schwingt seinen Golfschläger über seinen Kopf

Doch käuflich: Jon Rahm schwingt künftig seinen Schläger für saudische Geldgeber Foto: Kamran Jebreili/ap

Cristiano Ronaldo kickt sich irgendwo in Saudi-Arabien sein Gnadenbrot zusammen? So what. Soll er doch im Frühwinter seines sportiven Daseins noch mal absahnen. Dann kann er sich eine noch etwas längere Superyacht aus den Werften von Viareggio leisten, vielleicht nicht nur mit Hubschrauber-Landeplatz, sondern auch für den schnuckeligen Privatjet. Technologisch wäre das mal eine Herausforderung: Jet auf Schiff.

Das ist aber nichts gegen die aktuelle Meldung aus der Golfwelt. Die liest sich wie: Jet explodiert auf Schiff. Der Spanier Jon Rahm hat jetzt erklärt, er werde sich in das ölöstliche Wunderreich verkaufen, sprich: ab 2024 auf der saudi-staatlichen LIV Tour mitschwingen. So wie viele andere Stars seit 2022 – von Dustin Johnson, Brooks Koepka über Sergio Garcia bis zu Altmeister Phil Mickelson und vielen anderen. Geschätztes Rahm-Salär, nun ja, 400 bis 600 Millionen Euro für drei Jahre. Eine Rekordsumme. Da zieht auch der Sozialfall Ronaldo die Augenbrauen hoch.

Der Baske Rahm, 29, ist nicht irgendwer: Er stand zuletzt beständig in der Weltrangliste zwischen den Positionen 1 und 5, er gewann 20 Turniere (darunter die US Open 2021 und die Masters in diesem Jahr). Und er war im Europa-Team des Ryder Cup der überragende Spieler beim letzten Sieg in Rom.

Für die unanständige halbe Milliarde müsste Rahm auf der regulären US-Tour Bälle über die Wiesen prügeln, bis er etwa 70 oder 80 Jahre alt ist. Oder er müsste in den nächsten drei Jahren alle Turniere mitspielen und gleichzeitig alle Plätze von Erster bis Letzter belegen. Ohne 150-faches Selbstklonen auch für einen Weltklassemann wie Rahm schwer durchführbar.

Erfreuliches Erpresssungsmaterial

Rahms Fahnenflucht ist umso gewichtiger, als er sich immer sehr kritisch und ablehnend gegenüber den Golfspaltern aus dem Morgenland positioniert hatte. Jetzt ist Rahms Demission wie ein Trikotwechsel von Dortmunds Schwatzgelb zu Königsblau oder als würde Frodo Beutlin Kommandant der Orks. Alberne Begründung: Er tue das „im Sinne seiner Familie“.

Eine gezielte Provokation war zudem die Art der Mitteilung: Rahm gab sein Überläufertum auf Fox News bekannt, per „special report“ im Hauptprogramm, in einer Politiksendung. Und politisch ist Rahms Wende durchaus: Fox ist bekanntlich Donald Trumps geschätzter rechtspopulistischer Haussender, und auf zwei Trump-Plätzen finden LIV-Turniere statt. Passt schon.

Den Saudis verschafft das Rahm-Invest erfreuliches Erpressungspotenzial. Bis 31.12. laufen Verhandlungen mit der traditionellen PGA Tour über mögliche Kooperationen. Fusion oder Ausverkauf? Wer kaum noch prominente Spieler hat, dem fehlen die Argumente. Erstmals ist ein Branchenfremder dabei, sich eine ganze, immerhin olympische Sportart einzuverleiben.

Bis dahin bleiben nur noch der Nordire Rory McIlroy und die Immerlegende Tiger Woods als Superstars im wortreichen Widerstand. Woods, der nach massiven Verletzungen nur noch nebenher mal den Platz betritt, hat vor drei Jahren angeblich ein LIV-Angebot über eine Milliarde Dollar bekommen – er lehnte ab. Und ist bis heute von vehementer Bockigkeit und Streitlust.

McIlroys Reaktion auf Rahms Demission macht indes stutzig. Bislang war Fahnenflucht gleichbedeutend mit dem Aus für den Ryder Cup, dem unter den Spielern so gehypten Turnier USA gegen Europa. Teamgeist und Ehre statt Geld, Europa statt Einzelkämpfertum – fertig. Jetzt schwenkte McIlroy um: „Ich will Jon im nächsten Ryder-Cup-Team.“

Wird McIlroy der nächste Überläufer im „Bürgerkriegs des Golfsport“ (Guardian)? Womöglich ist die Fairwaywelt verseuchter als befürchtet. Womöglich wird das gesamte Golf bald vom Golf gesteuert, mit der klaren Tendenz zu Image, Business, Showspektakel, garniert mit reichlich Trumpismus. Vielleicht ist das schöne Spiel schon gar kein Sport mehr.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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