Medienwissenschaftlerin über Peter Weir: „Alle seine Figuren suchen etwas“

Das Hamburger Metropolis-Kino zeigt Langfilme des australischen Regisseurs Peter Weir. Der blieb trotz Erfolg immer eine Art Hollywood-Außenseiter.

Vier Frauen sitzen eng nebeneinander

Wenn viktorianische College-Kultur und erotisch aufgeladene Wildnis kollidieren: „Picknick am Valentinstag“ (1975) Foto: Metropolis

taz: Frau Wottrich, Sie haben einst Ihre Magisterarbeit über die Filme von Peter Weir geschrieben. Wissen Sie noch, was Sie an ihm so interessant fanden?

Erika Wottrich: Ich fand ihn toll und mochte alle seine Filme. Als ich zu studieren begonnen habe, lief gerade „Der Club der toten Dichter“ in den Kinos – und ich war begeistert. So habe ich mein Studium mit Peter Weir begonnen und auch beendet.

Seine Filme zeichnen eine immense inhaltliche und stilistische Bandbreite aus: vom Naturmystizismus von „Die letzte Flut“ (1977) bis zu einer romantischen Tragikomödie wie „Green Card“ (1990). Was verbindet sie miteinander?

In fast all seinen Filmen kommt es zu Kollisionen zwischen zwei Welten. In „Picknick am Valentinstag“ ist dies zum Beispiel die viktorianische englische College-Kultur und die wilde, erotisch aufgeladene Natur. Oder in „Der letzte Zeuge“ das moderne Amerika gegen die traditionell lebende Gemeinschaft der Amischen. Peter Weir hat das damit erklärt, dass er als Australier ja weit weg lebt von seinen europäischen Wurzeln. Und weil er die Geschichte seiner Herkunft nicht kennt, fehlt etwas – und so ist er immer ein Suchender. Alle seine Filmfiguren suchen etwas.

Ist er nicht vor allem ein sehr geschickter Erzähler?

Ja, aber er hat auch einen eigenen Stil, der sich jedoch nicht in den Vordergrund drängt. Er inszeniert seine oft leicht mysteriösen Geschichten mit wenig Dialog und er lässt sich Zeit damit. Vom australischen Kino sagt man ja, es stehe zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Film: Vom amerikanischen kommt die Vorliebe für das Genrekino, vom europäischen die eher langsame Erzählweise.

*1970, hat Neuere Deutsche Literatur und Medienwissenschaft studiert. 1997 stieß sie zu CineGraph – Hamburgisches Centrum für Filmforschung, dessen Geschäftsführerin sie seit 2004 ist.

Weirs Karriere ist bemerkenswert und begann schon mit seinen ersten, noch in Australien gedrehten Filmen.

Er hatte auch Glück, denn er begann in der Zeit der Neuen Welle des australischen Films in den 1970er-Jahren als Regisseur zu arbeiten. Und da wurde viel in die aufkeimende australische Filmindustrie investiert.

Neben dem Regisseurkollegen George Miller („Mad Max“) hat er auch den Darsteller Mel Gibson zu einem internationalen Star gemacht – durch die Filme „Gallipoli“ (1981)und „Ein Jahr in der Hölle“ (1982).

Und zwar in Rollen, die man ihm vorher nicht zugetraut hätte! Das Gleiche passierte mit Harrison Ford in „Der einzige Zeuge“. Peter Weir hat oft Schauspieler gegen ihr Image besetzt und sie waren dann in seinen Filmen auch sehr gut.

War er nicht auch der erste, der – in „The Truman Show“ (1998) – den Komödianten Jim Carrey mit einer ernsten Rolle betraut hat?

Ja, ganz ähnlich wie Robin Williams in „Der Club der toten Dichter“. Sie wollten beide ins Fach der Charakterdarsteller wechseln, Weir bot ihnen die Chance.

Weir hat sieben Filme in Hollywood gedreht und war für sechs davon für den Oscar nominiert. Bekommen hat er ihn aber erst 2022 für sein Lebenswerk. War er also einerseits erfolgreicher Hollywood-Regisseur, blieb aber, wie etwa auch Alfred Hitchcock, ein Außenseiter?

Er verlangt den ZuschauerInnen in seinen Filmen immer ein wenig mehr ab, denn er erklärt wenig und traut dem Publikum zu, dass es selbst interpretieren kann. Und er ist nie sentimental: In „Der einzige Zeuge“ oder „Green Card“ gelingt es ihm immer gerade so am Kitsch vorbei zu rutschen.

Eröffnung mit „Homesdale“ (OF), einem Filmgespräch mit Erika Wottrich sowie „Video-Überraschungen“: Dienstag, 17 Uhr, Hamburg, Metropolis. Ganzes Programm und weitere Infos auf www.metropoliskino.de.

Das Metropolis-Kino zeigt im Januar und Februar nun alle 15 Langfilme Peter Weirs, auch sein kaum bekanntes Debüt „Homesdale“ (1971), angekündigt als „groteske Komödie“. Auch sein zweiter Film mit dem schönen Titel „The Cars That Ate Paris“ – deutscher Verleihtitel: „Die Killer-Autos von Paris“ – war 1972 ja sehr makaber. Für seinen Humor ist Weir aber eher nicht bekannt, oder?

Es hat auch bei mir gedauert, bis ich diese Seite an ihm entdeckt habe. Dabei gehörte er in seiner Jugend zu einer Schauspielgruppe, die Sketche im Stil von Monty Python aufgeführt haben.

Seinen letzten Film „Der lange Weg“ hat er 2010 herausgebracht. Glauben Sie, da kommt noch was?

Nein – und ich finde es schade, dass es keine neuen Filme von ihm mehr geben wird. Er hatte zwar noch weitere Filmprojekte geplant, ist dann aber in den Ruhestand gegangen. Wohl auch, weil die Studios seine Art von Filmen nicht mehr produzieren. „Der lange Weg“ wurde ja auch schon unabhängig finanziert und war dann nicht so erfolgreich wie seine früheren Filme. Er hat seine Karriere mit dem letzten Stadium eines Vulkans verglichen: Der ist entweder aktiv, er ruht oder er ist erloschen. Im August wird Peter Weir 80 Jahre alt, und ich hoffe, im Laufe des Jahres werden seine Filme auch noch an vielen anderen Orten gezeigt.

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