Neues Microhouse-Album von Isolée: Endstation Sehnsucht

Houseproduzent Isolée bricht sein Schweigen. Mit dem Album „Resort Island“ umsegelt der Hamburger souverän die eigenen künstlerischen Klippen.

Rajko Müller alias Isolée légèr mit den Händen in den Hosentaschen

Ab und an eine Statusmeldung: Isolée Foto: Jan Reiser

„Bei der Produktion am neuen Album habe ich so seh wie noch nie den Dancefloor mitgedacht“, vertraut mir Isolée an, während wir es uns zu fortgeschrittener Stunde – die Uhr schlägt bald Mitternacht – auf einer Parkbank gemütlich gemacht haben.

Im Laufe der Nacht soll dieses Zentrum zu eben jenem Dancefloor werden, für den „Resort Island“, das insgesamt vierte Album des in Hamburg beheimateten Isolée, gemacht wurde. Rajko Müller, wie der Produzent bürgerlich heißt, macht nach einigen Wirrungen um Zimmerschlüssel und Getränkemarken einen gelassenen Eindruck; er wolle irgendwann zum DJ-Pult, da sein Kumpel, Produzent und DIAL-Labelbetreiber Lawrence auflegt.

Es war eine unerwartete Nachricht, als im Frühjahr verkündet wurde, dass nach zwölf Jahren Funkstille endlich ein neues Album des 1971 in Frankfurt geborenen Isolée veröffentlicht würde. Der bis dahin letzte Langspieler „Well Spent Youth“ war bereits 2011 bei DJ Kozes Label Pampa erschienen. Schon damals hatte dies Nachrichtenwert, zwischen Album zwei und drei hatten wiederum sieben Jahre gelegen.

Höheres Energielevel

Die Künstleridentität Isolée ist niemand, die sich hetzen lässt; die Person Rajko Müller hingegen pflegt ein höheres Energielevel. Schnell springt er in seinen Antworten von Gedanken zu Gedanken, erkennt in den Nebensätzen neue Ansatzpunkte und skizziert seine Karriere in flotten Pinselstrichen.

Isolée: „Resort Island“ (Resort Island/Word&Sound)

Warum Müller von seiner musikalischen Sozialisation im Indie der 1990er Jahre erzählt, weshalb er immer noch das Songwriting von Depeche Mode ehrt, wieso er dann seinen ersten Hit, den Housetrack „Beau Mot Plage“ komponiert hat – alles ergibt Sinn. Es klingt wie ein unveröffentlichter Bildungsroman zur Generation X, der von einem besonderen Verhältnis zu Theorie und Kultur, zu Stil und Pose, zu Haltung und Feingeistigkeit handelt.

Natürlich ist das auf „Resort Island“ zu hören: Es beginnt bei quicklebendigen Sample-Schnipseln, die von Isolée zu wunderschön melancholischen Tracks konstruiert werden. So wirft einen der Auftakt, „Coco’s Vista“, in eine krypto-elegische Strandatmosphäre mit einem Beat, der sich Richtung karibischer Soca assoziieren lässt, ohne je konkret daran anzuschließen.

Distanz zu den Vorbildern

Distanz zu seinen Vorbildern kennt man bereits aus der Frühzeit, wo sich ab 1996 ein eigener, kühlerer Sound aus dem US-Deephouse herausschälte. Zeitgleich mit dem Label Perlon und dem Star-DJ Ricardo Villalobos bastelte der Wahl-Hanseat an einer Technik, die unzählige Microsamples zu kopfstarken Dancemosaiken verfugte: Folgerichtig prägte der US-Autor Philipp Sherburne 2001 den Begriff „Microhouse“ für diese Form, die selten auf Tuchfühlung ging, sondern würdigen Abstand hielt.

Das Spiel aus nah und fern zeigt sich auch bei „Pardon my French“, einer retroaktiven Popnummer, die an die Primetime des Musiksenders Viva 2 und an Videoclips von Röyksopp bis Air in Dauerschleife erinnert. Bei fußwippenden 121 Bpm ziehen sich feingliedrige Streicher-Synths, Bleeps, Effekte und ein poppiger Beat über mehr als fünf Minuten.

Es ist der willkommene Gegenentwurf zur derzeitigen Discomanie, die sich gerade bei ADHS-induzierenden 150 Bpm einfinden – eine Entwicklung, die Isolée „baff“ werden ließ. Er selbst halte da nicht mit. Stattdessen spielt er stärker denn je mit Ideen von Vereinzelung, wie bereits der Albumtitel und der Name des Labels, „Resort Island“, verrät.

Auf der Suche nach Fluchtorten

Doch ganz so einfach ist das nicht: „In der Musikästhetik gibt es ein Zusammenspiel aus glatter Hochglanzästhetik von Urlaubsresorts, was man oberflächlich interessant finden kann, und der Intuition, dass man dann doch keine Zeit dort verbringen möchte.“ Vermutlich sei er ständig auf der Suche nach Fluchtorten. „Wenn man das Gefühl bekommt, gerade bricht alles um einen herum zusammen, wird ‚Resort Island‘ zum Sehnsuchtsort – zumindest einem musikalischen. Dann jedoch entpuppt sich das als Illusion. Da kommen viele Wendungen zusammen.“

Ähnlich reich an Wendungen zeigt sich die Reihung der Tracks, die zwischen klar strukturierten Tanzflächenstücken und lyrischen, ambienteren Klängen („Let’s Dence“) changiert. Oft fühlt man sich an seinen Hit „Beau Mot Plage“ erinnert, der nicht ohne Grund als einer der wichtigsten House­tracks in die Sammlung des Frankfurter MOMEM – Museum Of Modern Electronic Music aufgenommen wurde.

Ob er, wie man es mitunter als Rockstar pflegt, seinen Hit eigentlich hasst? „Abneigung hegte ich gegen das Stück nie – mit 25 Jahren Abstand schon gar nicht.“ Es habe Momente gegeben, als Remix-Anfragen bei ihm eintrudelten, ob er nicht wieder so was wie „Beau Mot Plage“ machen könne. „Das fand ich öde.“ Heute könne er sogar sagen: „Ich bin stolz auf das Stück!“

Wenn bei „Modernation“ von „Resort Island“ die Gitarren kurz angeschlagen werden, wird die Klangverwandtschaft offensichtlich; und das ist die Leistung dieses neuen Werks: Es überwindet mehrere Dekaden Microhouse, ohne je verstaubt zu klingen. Im Gegenteil: Die Musik klingt wie der Anfang eines kommenden Revivals, bei dem introvertiertere Klänge und der Künstler Isolée bedeutende Rollen einnehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.