Justizminister reformiert Familienrecht: Gleichstellung für lesbische Mütter

Marco Buschmann (FDP) will das Familien- und das Abstammungsrecht reformieren. Es soll der Vielfalt heutiger Familienformen Rechnung tragen. Die taz hat die Eckpunkte exklusiv.

Eine hochschwangere Frau wird von einem Jungen auf dem großen Bauch geküsst, dahinter steht eine andere Frau,d ie sie hält

Für mehr glückliche Familien Foto: Adam hester/getty

BERLIN taz | Wenn es um die geplante Familienrechtsreform geht, dann bemüht der Justizminister Marco Buschmann (FDP) große Worte: „Wir denken und arbeiten hier tatsächlich in historischen Kategorien“, sagte er im Januar 2023. Im Koalitionsvertrag hat die Ampel neue familienrechtliche Regelungen vorgesehen vor allem für unverheiratete Paare, für queere Ehepaare mit Kindern und für Gemeinschaften, die nicht aus einer Liebesbeziehung bestehen.

Den ersten Teil dieser Reform, die Änderungen im Unterhaltsrecht, hatte der Justizminister bereits im Sommer vorgestellt. In den kommenden Wochen will sein Ministerium zwei weitere Eckpunktepapiere vorlegen: eines zum Abstammungsrecht und eines zum Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht. Der taz liegen beide Dokumente bereits vor.

Das Abstammungsrecht

Das erste Eckpunktepapier betrifft das Abstammungsrecht. Es geht also um die Frage, wer rechtliche Mutter und wer rechtlicher Vater eines Kindes ist.

Traditionell gilt in Deutschland die Grundregel: Die Frau, die das Kind geboren hat, ist immer Mutter, und der Mann, mit dem sie verheiratet ist, wird automatisch rechtlicher Vater (selbst wenn ein anderer Mann biologischer Vater ist).

Seit 2017 können aber auch zwei Frauen heiraten. Mit Hilfe einer Samenspende können auch sie Kinder bekommen, die sie gemeinsam aufziehen wollen. Auch hier gilt natürlich, dass die gebärende Frau Mutter ist, ihre Ehepartnerin wurde dagegen bisher nicht Mitmutter. Der Automatismus, der für Ehemänner gilt, ist für lesbische Ehefrauen bisher nicht vorgesehen. Um Mitmutter zu werden, muss die Partnerin das Kind bisher adoptieren, mit aufwändiger Prüfung durch das Jugendamt.

Das will Justizminister Buschmann endlich ändern. Die mit der Geburtsmutter verheiratete Frau soll automatisch Mitmutter werden. Ist ein lesbisches Paar nicht verheiratet, soll die nicht-eheliche Partnerin der Geburtsmutter das Kind einfach anerkennen können. Eine Stiefkindadoption, die ja eigentlich für Kinder vorgesehen war, die in eine neue Beziehung mitgebracht werden, ist bei gemeinsam geplanten Kindern künftig also nicht mehr erforderlich.

Die zweite Neuerung im Abstammungsrecht

Als zweite große Neuerung im Abstammungsrecht ist die Einführung von Elternschaftsvereinbarungen geplant. Hier sollen die Beteiligten vor der Geburt des Kindes vertraglich klären, wer neben der Geburtsmutter das zweite rechtliche Elternteil sein soll.

Ein praktischer Anwendungsfall könnte sein, dass sich ein lesbisches und ein schwules Paar zusammentun. Sie könnten vereinbaren, dass neben der Geburtsmutter der schwule Samenspender rechtlicher Vater wird. Allerdings soll das Dogma des deutschen Familienrechts bestehen bleiben, dass ein Kind nur zwei rechtliche Eltern haben kann und nicht drei oder vier, wie es hier ja durchaus naheläge.

In einer Elternschaftsvereinbarung kann auch negativ geregelt werden, wer nicht rechtlicher Vater sein soll. Wenn etwa ein unverheiratetes (lesbisches oder heterosexuelles) Paar mit Hilfe eines Samenspenders ein Kind bekommen möchte, könnte mit diesem vereinbart werden, dass er definitiv nicht rechtlicher Vater wird. Stattdessen könnte der Partner respektive die Partnerin der Geburtsmutter als Vater oder Mitmutter vereinbart werden.

Für schwule Paare bringen Buschmanns Eckpunkte keinen Durchbruch, weil in der Regel (Ausnahme: Transmänner) beide Partner keine Kinder gebären können und sie deshalb eine Leihmutter benötigen. Derzeit ist die Leihmutterschaft in Deutschland aber verboten. Ob zumindest die altruistische (also unbezahlte) Leihmutterschaft erlaubt wird, berät eine Regierungskommission, die ihren Bericht bald vorlegen soll.

Das Sorge- und Umgangsrecht

Die Reform des Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrechts soll der Vielfalt heutiger Familienformen Rechnung tragen: Trennungsfamilien sollen dabei unterstützt werden, die Betreuung ihrer minderjährigen Kinder besser zu organisieren. Nichtverheiratete Elternpaare, Patchwork- und Regenbogenfamilien sollen gestärkt werden. Außerdem soll der Schutz vor häuslicher Gewalt verbessert und das Adoptionsrecht liberalisiert werden.

Ausgeweitet werden soll das „kleine Sorgerecht“. Damit sollen bis zu zwei Personen, die nicht die rechtlichen Eltern eines Kindes sind, sorgerechtliche Befugnisse bekommen. Das können zum Beispiel die neue Partnerin des Vaters sein oder der private Samenspender, die dann über Angelegenheiten des täglichen Lebens mitentscheiden dürfen.

Für getrennte Elternpaare sind neue Betreuungsregeln vorgesehen. Erstmals soll das Wechselmodell gesetzlich geregelt werden. Bisher gilt das sogenannte Residenzmodell, nach dem ein Kind nach der Trennung bei einem Elternteil, meist der Mutter, lebt. Das Wechsel­modell sieht nun vor, dass Kinder nach der Trennung in beiden Haushalten der Eltern leben. Die Familiengerichte sollen das Wechselmodell anordnen können, heißt es im Eckpunktepapier. Das Kindeswohl soll aber zentraler Maßstab für die Anordnung bleiben.

Das Wechselmodell wird vor allem von der FDP favorisiert. Unter Ex­per­t*in­nen ist es jedoch umstritten. Eine Studie der Universität Marburg ergab im Jahr 2021, dass das Wechselmodell vor allem dann funktioniert, wenn die Eltern trotz ihrer Trennung kooperativ miteinander umgehen und das Kind zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung hat.

Ist beides gegeben, wirkt sich das positiv auf das Kind aus. Ex­per­t*in­nen haben bei einem gerichtlich angeordneten Wechselmodell allerdings die Sorge, dass das zwanghafte Pendeln zwischen zwei Eltern-Wohnungen Kinder in Loyalitätskonflikte bringen kann.

Mehr Schutz vor häuslicher Gewalt

Das Eckpunktepapier sieht außerdem endlich einen besseren Schutz vor häuslicher Gewalt in Umgangs- und Sorgeverfahren vor. Erstmals wird dabei auch Partnerschaftsgewalt explizit aufgenommen: Die Gerichte sollen künftig systematisch ermitteln, wenn es Anhaltspunkte für häusliche Gewalt gegenüber dem Kind und/oder gegenüber dem anderen Elternteil gibt.

Ein gemeinsames Sorgerecht soll nicht nur bei Gewalt gegenüber dem Kind, sondern auch bei Partnerschaftsgewalt regelmäßig nicht in Betracht kommen. Damit greift das Eckpunktepapier eine zentrale Forderung der Istanbul-Konvention auf, jenem Abkommen des Europarats, das Gewalt gegen Frauen bekämpfen soll. Deutschland hat die Konvention 2017 ratifiziert.

Allerdings haben verschiedene Organisationen den Gesetzgeber immer wieder dafür gerügt, dass die hiesige Gesetzeslage und die Rechtspraxis Frauen nicht genug vor häuslicher Gewalt schütze. Das liegt laut Ex­per­t*in­nen auch daran, dass vielen Fa­mi­li­en­rich­te­r*in­nen die Expertise im Umgang mit häuslicher Gewalt fehlt.

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung hatte daher vorgesehen, dass Fa­mi­li­en­rich­te­r*in­nen einen Fortbilungsanspruch zum Thema bekommen sollen. Der steht im Eckpunkte-Papier nicht drin.

Das Eckpunktepapier sieht auch neue Regeln für das A­doptionsrecht vor. So sollen künftig auch unverheiratete Paare und Paare in eingetragenen Lebenspartnerschaften ein fremdes Kind adoptieren dürfen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.