Protestwoche gegen die AfD: Polarisiert euch!

Wie man die Spaltung der Gesellschaft überwindet? Indem man sich einfach mal auf die richtige Seite stellt. Schließlich geht es hier um Werte.

Ein Protestschild gegen die Rechts.

Auf die Straße gegen die AfD: Eine Demonstration in Berlin im Januar 2014 Foto: Kira Hofmann/dpa

Die Polarisierung der Gesellschaft schreitet nahezu unaufhaltsam voran. Landauf, landab wird ihre Spaltung als fast schon größtes Problem der Bundesrepublik gesehen. Da sind nicht nur die latent rechtsoffenen Proteste der Bauern, die mit ihren Treckern am liebsten jede Ampel umnieten würden, nur um ein Zeichen gegen die Regierung zu setzen. Da ist vor allem der seit Monaten unaufhaltsam scheinende Aufwind für die rechtsextreme AfD, die laut Umfragen keineswegs nur im Osten extremen Zuspruch bekommt. Die dort aber, das kann längst nicht mehr ausgeschlossen werden, bei den Landtagswahlen im Spätsommer sogar an die Macht kommen könnte. Und das nicht trotz, sondern wegen ihrer keineswegs geheimen, sondern sehr offenen rassistischen und antihumanen Politik.

Ja, das stellt die Kuscheligkeit der Konsensrepublik Deutschland infrage. Das Sicherheit gebende Gefühl, dass sich alle politischen Lager trotz heftigster Dispute am Ende gegenseitig Raum zum Leben geben, scheint perdu.

Zwar gibt es Stimmen, die behaupten, dass der Graben noch längst nicht so tief ist, wie es in den erhitzten Debatten den Anschein hat. So hatte der Soziologe Steffen Mau zusammen mit Kollegen im Herbst eine viel diskutierte Studie vorgelegt, laut der es zwar eine „zerklüftete Konfliktlandschaft“ gebe. Doch in Deutschland sei anders als etwa in den trumpisierten USA die Gesellschaft noch nicht unüberwindbar gespalten.

Nur, klingt das tatsächlich noch beruhigend? Nein. Denn angesichts der grenzenlosen Radikalität der Rechtsextremen kann es nicht mehr darum gehen, einzelne durch kluge Argumentation zurückzugewinnen. Es geht um die Frage, auf welcher Seite man steht.

Ums Ganze

Die Spaltung kommt ja nicht aus der Mitte der Gesellschaft. Es geht nicht um Debatten wie pro oder kontra Atomkraft, pro oder kontra Verkehrswende, pro oder kontra 3 Cent mehr für Bür­ger­geld­emp­fän­ger:in­nen, über die man sich leidenschaftlich zerfetzen kann und muss. Es geht ums Ganze. Die Rechts­extremen haben die Axt an die Grundfesten der Gesellschaft angelegt. Nicht um sie zu verändern, sondern um sie und die ihr innewohnende Humanität zu zerstören. Da gibt es keinen Kompromiss mehr. Da gilt nur noch eins: Polarisiert euch!

Die Enthüllungen der Rechercheplattform Correctiv, laut denen ­AfDler, Werteunion-Mitglieder und Rechtsidentitäre ganz offen von Deportation der ihnen nicht deutsch genug erscheinenden Menschen reden, haben zum Glück bei vielen das Fass zum Überlaufen gebracht. Seit letztem Wochenende gab es keinen Abend mehr, an dem nicht irgendwo Hunderte, Tausende oder wie in Berlin, Potsdam und Köln sogar Zehntausende auf die Straßen strömten, um gegen die AfD zu demonstrieren. Und die Protestwelle wird in den kommenden Tagen weiterrollen. Der von verschiedenen Ini­tia­ti­ven geplanten Großdemo am 3. Februar in Berlin kann man nur eine überwältigende Teil­neh­me­r:in­nen­zahl wünschen.

Bei diesen Protesten geht es nicht mehr ums Überzeugen der anderen, sondern um Überzeugung. Es geht nicht darum, die am rechten Rand verirrten Schafe wieder einzusammeln, sondern Grenzen zu setzen. Kein Fußbreit! Nie wieder!

Verteidigung der Kuscheligkeit

Vor allem geht es um die Selbstvergewisserung einer hoffentlich sehr großen Mehrheit, dass sie genau das ist: eine sehr große, eine starke Mehrheit, die die demokratische Gesellschaft mit ihrer Kuscheligkeit verteidigen will.

Deshalb ist es auch kein Widerspruch, dass die Verteidiger der offenen Gesellschaft ernsthaft über die Anwendung der härtesten Mittel diskutieren. Ein Verbot der AfD hat im Bundestag Befürworter aus allen seriösen Parteien. Und fast 1,5 Millionen Menschen haben mittlerweile eine Petition unterzeichnet, laut der dem Nazi Björn Höcke Grundrechte wie das passive Wahlrecht entzogen werden sollen.

Solche Möglichkeiten sind kein autoritäres Überbleibsel aus unseligen Zeiten. Im Gegenteil. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sie angesichts unserer faschistischen Vergangenheit in die Verfassung geschrieben. Als Auftrag für Zeiten wie die heutigen.

In diesem Grundgesetz stehen trotz aller Änderungen auch immer noch die Werte, um die es jetzt geht: Die Würde des Menschen ist unantastbar! Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden! ­Politisch Verfolgte genießen Asylrecht!

Mit der entsprechenden Verve vorgetragen, klingen diese Artikel wie Kampfparolen. Wie ein Aufruf zur Polarisierung.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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