Aktivistin zu Demos gegen rechts: „Auch im Alltag dagegenhalten!“

Gegen die AfD braucht es nachhaltiges Engagement, sagt Clara Seifert* von der Interventionistischen Linken. Die aktuellen Demos seien dafür zentral.

Protest gegen die AfD mit dem Schil: Lieber solidarisch als solide arisch

Protest auf der Straße ist gut und wichtig, aber nachhaltiges Engagement gegen die AfD auch Foto: Stefan Boness

taz: Frau Seifert, seit Jahren waren nicht mehr so viele Menschen gegen Rechts auf der Straße wie in den vergangenen Tagen. Wie erklären Sie sich diesen Zulauf?

Jahrgang 1998, ist an der Organisation der aktuellen Demos gegen Rechts in Leipzig beteiligt und in der Antifa Arbeitsgruppe der interventionistischen Linken Leipzig aktiv.*Name geändert.

Clara Seifert: Das ist so eine klassische Dynamik sozialer Protestbewegungen. Die Correctiv-Recherche hatte dafür einen zentralen Wert. Sie hat Bedrohungsszenarien durch Parteien wie die AfD für die bürgerliche Mitte greifbar gemacht. Dadurch ist ein Moment entstanden, etwas sehr Konkretes, auf das man sich beziehen konnte, woran sich Menschen gestört haben. Und wenn vielerorts richtig viele Leute auf die Straße gehen, dann ist es für andere Orte auch leichter, sich anzuschließen.

Sie organisieren schon länger Demonstrationen gegen Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen. Finden Sie es nicht fragwürdig, dass die bürgerliche Mitte erst jetzt auf die Straße geht?

Nein, es ist natürlich positiv, dass jetzt so viele Leute demonstrieren. Man kann sich über jede Person freuen, die es verstanden hat. Wir sind auch darauf angewiesen, dass die antifaschistischen Proteste aus einer fast schon schmuddeligen Ecke rausgeholt und breiter getragen werden. Das zeigt, dass das nicht nur ein Protest von irgendwelchen linken Studis ist, die sich in ihrer Jugend ausprobieren wollen, sondern dass es darum geht, dass die aktuelle politische Lage die gesamte Zivilgesellschaft bedroht.

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Oftmals wirken in großen, breiten Protestbewegungen Spaltungskräfte. Den Linksradikalen ist die Mitte zu lasch, der Mitte sind die Radikalen zu krass. Wird das auch für die aktuellen Proteste ein Problem?

Das gilt es zu vermeiden. Und hier sehe ich auch uns als interventionistische Linke, die ja häufig auf ihre Scharnierfunktion pocht, in der Pflicht, dem entgegenzuwirken. Es braucht sowohl die autonome Praxis als auch den bürgerlichen Protest. Alles davon muss in der Breite vorhanden sein, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

Genau darauf kommt es jetzt an: den Moment zu nutzen, die Proteste auf möglichst breite Füße zu stellen und den Elan, der jetzt gerade auf die Straße getragen wird, aufzufangen und beizubehalten. Damit auch nach den Septemberwahlen, bei einer potenziellen AfD-Regierungsbeteiligung, immer noch Leute auf die Straße gehen und sagen „Nee, das finden wir nicht in Ordnung!“

Wie kann das gelingen?

Erst mal ist es super, weiter zu mobilisieren. Man sieht ja gerade auch noch steigende Zahlen bei den Demonstrationsteilnahmen. Es gibt in vielen Teilen der Gesellschaft eine Aufbruchsstimmung, Momente von: „Irgendwas muss man doch noch machen!“ Aber man muss sich schon auch bewusst werden, dass das nicht für immer so sein wird. Um Frustrationsmomente vorwegzunehmen, braucht es Angebote, die engagierte oder aufgebrachte Personen wahrnehmen können.

Was meinen Sie mit „Frustrationsmomente“?

Dieses Gefühl von: „Wir gehen seit Wochen jeden Sonntag demonstrieren, und jetzt ist es wieder vorbei, weil keiner mehr kommt.“ Das kann dazu führen, dass wir engagierte Menschen verlieren. Deshalb müssen Bündnisse, Initiativen, Kampagnen und auch Organisationen wie wir Angebote schaffen, damit die Leute sich auch weiter treffen und aktiv sein können, wenn es keine großen Demonstrationen mehr gibt.

Gerade kleinere zivilgesellschaftliche Träger in ländlichen Räumen im Osten machen das bereits seit Jahren und leisten damit wichtige Arbeit. Da lohnt es auch den Blick hinzuwerfen und andere Narrative zu stärken als: „Naja, da gibt's halt nur Nazis“. Das ist nicht der Fall.

Wen sehen Sie noch in der Verantwortung?

Salopp gesagt alle demokratischen Akteure, die es gibt und die mit uns daran arbeiten, eine progressive Zivilgesellschaft zu schaffen. Also von Gewerkschaften über freie Bündnisse, über außerparlamentarische Organisationen und die Streikbewegung. Und auch die Linkspartei lässt sich hier nicht rausnehmen, gerade jetzt durch die laufenden Erneuerungsprozesse.

Viele denken, ohne die CDU lässt sich der Kampf gegen die AfD nicht gewinnen.

Für diese These müsste man davon ausgehen, dass die CDU mit Sicherheit nicht mit der AfD koalieren möchte. Diese Sicherheit gibt es zumindest in Sachsen und in Thüringen nicht. Das zeigt sich einerseits in der Nähe der Standpunkte und andererseits auch in diesem Narrativ der Brandmauern. Die sind ja in allen möglichen Bundesländern auf kommunaler Ebene gar nicht vorhanden.

Auch im Landtag in Sachsen ist es nicht so, dass die CDU da eine klare Kante zeigt. Im Gegenteil. Nicht umsonst hat AFD-Mann Tino Chrupalla kürzlich in einem Interview gesagt, dass Michael Kretschmer ihm nicht immer die Slogans klauen solle.

Kretschmer war am Wochenende auch auf einer Demo gegen Rechts. Auch andere Parlamentarier haben sich gezeigt und zum Teil Redebeiträge gehalten.

Man sollte sehr kritisch hinterfragen, in welchen Rollen die Po­li­ti­ke­r*in­nen der Ampelparteien und auch der CDU an diesen Demonstrationen teilnehmen. Wir sehen da sehr viel Profilierung und Appell an demokratische Bürgerinnen. Und wir sehen da sehr wenig bis eigentlich keine Reflexion der eigenen Mitverantwortung am Erstarken der AfD und dem politischen Rechtsruck.

Man kann sich nicht unter der Woche im Plenum hinsetzen und für ein Rückführungsgesetz stimmen, das das Recht auf Asyl aussetzt, und sich dann am Sonntag auf eine Demo stellen und sagen: „Hier, was die AfD macht, das ist ganz schlimm!“

Lässt sich die AfD als Regierungspartei in Sachsen überhaupt noch verhindern?

Das wird sich erst am Wahltag zeigen. Die aktuellen Proteste werden das Wahlergebnis aber nicht einfach so umstoßen. Wichtig ist, dass die Leute, die jetzt auf diese Demonstration gehen, verstehen, dass sie ihre Haltung nicht nur einmal sonntags auf einer Demo präsentieren müssen, sondern in ihren alltäglichen Lebenssituationen, in ihren Familien, Freundeskreisen und Arbeitsumfeldern. Das ist eine ganz andere Herausforderung. Aber wenn das gelingt, dann könnte es noch eine reelle Chance geben, die Prozente der AfD zu kippen.

Die Proteste haben gerade keine Wirkung?

Doch. Sie sind sehr wesentlich dafür, dass Menschen sich dazu bekräftigt fühlen, im Alltag zu widersprechen. Sie sehen bei den Protesten: „Hey, ich bin ja gar nicht unbedingt in der Minderheit. Es gibt ja sehr viele andere, die sehen das genauso wie ich. Die strengt der ganze rechte Scheiß genauso an.“ Das ist ein Effekt, den es nicht zu unterschätzen gilt.

Auch marginalisierten Gruppen, die am härtesten von Rechtsextremismus betroffen sind, zeigt das, dass sie nicht alleine sind. Und gleichzeitig löst das die Probleme nicht. Man muss die Leute dazu befähigen, sich bestenfalls irgendwo zu organisieren, sich anzuschließen, aktiv etwas in die Hand zu nehmen oder halt im kleinsten Maße in ihrem Umfeld etwas zu verändern.

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