Dokumentarfilm über Zwillinge: Mit Herz und Nieren

Matthias darf leben, weil Christian seine Niere spendete: In ihrem Dokumentarfilm „Die Bergmanns“ erzählt Susanne Hensdiek von einem Zwillingspaar.

Zwei Zwillinge, Männer, sitzen auf einem Sofa und reden miteinander

Man sucht sofort nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten: die Bergmann-Zwillinge auf dem Sofa Foto: Susanne Hensdiek

Eineiige Zwillinge wirken im Kino immer ein wenig unheimlich. Stanley Kubrick und David Cronenberg haben sich diesen Gruseleffekt in ihren Filmen „Shining“ und „Die Unzertrennlichen“ zunutze gemacht. Auch wenn Susanne Hensdiek ihre Protagonisten Matthias und Christian Bergmann zusammen auf einem alten Sofa sitzen lässt, irritiert dieses erste Bild in ihrem Film. Sofort beginnt man nach den vielen Ähnlichkeiten und wenigen Unterschieden zwischen den beiden zu suchen. Wenn sie dann miteinander reden, spürt man zugleich ihre Vertrautheit und wie verschieden sie dann doch sind.

Denn Matthias ist zwar der fünf Minuten ältere Bruder, er war aber auch immer viel schwächer. Christian ist ein in Bremen beliebter Schauspieler geworden, während Matthias in Süddeutschland ein ruhiges Leben als Angestellter führt. Als Kind und Jugendlicher war Matthias ständig müde und antriebsschwach. „Zum Glück war er nicht faul, sondern krank!“, sagt Christian dazu – ein ironischer, ja tragikomischer Satz, denn diese Krankheit hat die beiden in Lebensgefahr gebracht.

Denn Matthias hatte seit seinem vierten Lebensjahr einen schweren Nierenschaden, der erst in seinem 18. Lebensjahr diagnostiziert wurde. Nur eine Spenderniere von Christian konnte ihn retten. Bei der Operation war die Überlebenschance von Matthias 50 Prozent und die von Christian 80 Prozent. Wie abgeklärt und komisch die beiden heute von dieser Grenzerfahrung erzählen, gehört zu den schönen Überraschungen des Films.

Denn Susanne Hensdiek lässt die beiden reden – und sie konzentriert sich so konsequent auf die Essenz der Geschichte. Dabei hatte sie viel mehr Filmmaterial gedreht, sodass ihr erster Rohschnitt über zwei Stunden lang war. Mit 53 Minuten und nur einer Handvoll von Drehsituationen gelingt es ihr nun, den beiden Brüdern sehr nah zu kommen.

Die Bergmanns, Regie: Susanne Hensdiek, Deutschland 2023, 53 Minuten; der Film wird am Sonntag 10.03. um 17.30 Uhr im Bremer Kino City 46 als „Heimspiel“ des Bremer Filmbüros gezeigt

Sie sitzen auf dem Sperrmüllsofa und unterhalten sich, sie machen zusammen eine (ziemlich wackelige) Kanutour auf einem kleinen Fluss. Es werden einige Familienfotos gezeigt und ­Matthias hat ein paar Bleistiftzeichnungen über ihre gemeinsame Zeit im Krankenhaus gemacht, die sehr minimalistisch animiert wurden und nebenbei zeigen, dass Matthias ähnlich künstlerisch begabt ist wie sein Bruder.

Dazu hat André Feldhaus einen atmosphärischen Soundtrack komponiert, der stark an die Musik von The Smiths erinnert – die Brüder waren und sind immer noch Fans von Morrissey.

All das verbindet Susanne Hensdiek zu einem jener geglückten Porträtfilme, bei denen es den Fil­me­ma­che­r*in­nen gelingt, eine Form zu finden, die dem Charakter und der Lebensgrundstimmung der Prot­ago­nis­t*in­nen entspricht. Dazu gehört auch ihr trockener Humor: Auf die Frage, ob Matthias ihm etwas schulde, sagt Christian, er habe damals fünf Mark Schulden bei seinem Bruder gehabt. Die wären der Preis für die Niere gewesen.

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