Menschenrechte in Honduras: Ein paralysiertes Ministerium

In Honduras versagen die Schutzmechanismen für Menschenrechte und Pressefreiheit. Das kritisieren 55 Organisationen in einem offenen Brief.

Eine Frau in roten T-Shirt, auf dessen Rücken "Libre" steht.

Am zweiten Jahrestag der Vereidigung der Präsidentin ist ihre Partei Libre überall zu sehen Foto: Knut Henkel

TEGUCIGALPA taz | Joaquín Mejía hat unterschrieben. Dem national und international renommierten Menschenrechtsanwalt und Analysten blieb nichts anderes übrig. „Die Missstände im Ministerium für Menschenrechte sind gravierend.

Die Schutzmechanismen funktionieren nicht, sodass die Zahl der Morde an Umwelt-, an Menschen­rechts­aktivist:innen, aber auch an Jour­na­lis­t:in­nen steigen, statt zu sinken“, kritisiert der 48-Jährige.

Er hat erst vor wenigen Wochen eine UN-Delegation über die Ursachen der Krise im Ministerium unterrichtet, auf die diplomatische Karte gesetzt. „Doch passiert ist nichts: Die Regierung hält die Hand über Natalie Roque. Doch sie ist nicht tragbar“, erklärt Mejía ungewohnt deutlich.

Natalie Roque leitet die Secre­taria de Derechos Humanos, die den Rang eines Ministeriums hat und die Aufgabe, die chronisch miese honduranische Menschenrechtsbilanz zu verbessern. Das ist ein erklärtes Ziel der Regierung von Präsidentin Xiomara Castro, die seit dem 27. Januar 2022 im Amt ist und mit immensen Erwartungen auch seitens der Menschenrechtsorganisationen gestartet ist.

Schutzmechanismen funktionieren nicht

Die gehen seit nun auf Konfrontationskurs und werfen Ministerin Roque vor, das in mehreren Jahren ausgebildete Fachpersonal aus parteipolitischen Motiven entlassen zu haben, sodass die mühsam installierten Schutzmechanismen aus einer Mischung aus Personenschutz, gepanzerten Fahrzeugen, elektronischen Sicherungsanlagen in Wohnungen und vielem mehr nicht funktionieren.

Beleg dafür sind nicht nur die je nach Quelle 42 bis 45 Morde an queeren Ak­ti­vis­t:in­nen sowie mindestens 23 weitere an Um­welt­schüt­zer:in­nen, sondern auch die beiden Morde an Journalisten, die es im Jahr 2023 gab.

Der zweite Mord, nämlich der an dem 39-jährigen Francisco Ramírez, ereignete sich am 22. Dezember in der Stadt Danli, rund hundert Kilometer östlich der Hauptstadt Tegucigalpa gelegen. Ramírez, der für den Fernsehsender Canal 24 arbeitete, hatte im Umfeld der organisierten Kriminalität recherchiert.

„Er war gefährdet, es hatte bereits im Mai ein Attentat auf ihn gegeben. Gegen Ramírez war de facto ein Todesurteil von einer Drogenbande verhängt worden“, so Dina Meza. Die 61-jährige Journalistin, Herausgeberin der auf Menschenrechte und Pressefreiheit spezialisierten Online-Zeitung Pasos de Animal Grande (deutsch: Schritte des großen Tiers), macht dafür die Defizite im Sicherheitsmechanismus verantwortlich.

Auf Kritik folgt Diffamierung

„Der Mechanismus verfügt nicht über die Option, gefährdete Kol­le­g:in­nen schnell außer Landes zu bringen. Da braucht es Reformen. Zudem funktioniert der Schutzmechanismus ohnehin nur sehr eingeschränkt“, kritisiert Meza. Für sie ist der Mord an dem Reporter Ramírez dafür ein Beispiel. Er habe nur einen Polizeibeamten zum Schutz erhalten, der aber gegen ein Killerkommando, das aus mehreren Fahrzeugen auf das Duo schoss, keine Chance hatte und verletzt wurde.

„Ramírez hätte mehr gebraucht. Er hätte aus der Schusslinie gemusst, raus aus Danli, in eine gesicherte Wohnung mit speziell ausgebildeten Personenschützern. Doch das wurde nicht bewilligt“, kritisiert Meza. Sie geht genauso wie das Komitee für freie Meinungsäußerung, aber auch UN-Organisationen von einem Auftragsmord aus und fordert besseren Schutz für Menschen, die in Honduras „das Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben“.

Doch dafür stehen die Chancen schlecht, denn Ministerin Roque weist alle Kritik an ihrer Arbeit von sich und stellt ihre Kri­ti­ke­r:in­nen reflexartig in das Lager des politischen Gegners. „Eine Ministerin, die auf Kritik mit Diffamierung reagiert, die ihr Ministerium autoritär und konfrontativ führt und de facto ihre Arbeit liederlich macht, ist fehlt am Platz“, meint Meza.

Diese Einschätzung teilt auch Padre Ismael Moreno, in Honduras als Padre Melo bekannt. Er war Redaktionsleiter von Radio Progreso und kritische Stimme des Senders. Der Radiosender vertraut in Sachen Sicherheit seit mehr als einem Jahr nicht mehr auf die staatlichen Strukturen: „Wir setzen auf internationale Kanäle, haben es aufgegeben, mit Ministerin Natalie Roque zusammenzuarbeiten.“ Für die Menschen- und die Presserechte in Honduras eine verheerende Aussage.

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