Kiffen in Berlin: Im Rausch der Legalisierung

Die Reaktionen auf die Cannabis-Freigabe in Berlin fallen gemischt aus. Um die genaue Ausgestaltung wird nun gerungen.

Auf der „Bubatz-Karte“ sieht man, wo man demnächst kiffen darf und wo nicht. Rot markiert sind die Verbotszonen

Auf der „Bubatz-Karte“ sieht man, wo man demnächst kiffen darf und wo nicht. Rot markiert sind die Verbotszonen Foto: bubatzkarte.de

BERLIN taz | Die Entkriminalisierung von Cannabis, die der Bundestag vergangenen Freitag beschlossen hat, löst in der Hauptstadt geteilte Reaktionen aus: In der Cannabis-Lobby ist die Freude über die historische Entscheidung groß. Die Prohibitionspartei CDU kündigt weiterhin vehementen Widerstand gegen das Gesetz an, das eine schrittweise Liberalisierung ab dem 1. April vorsieht. Die Polizeigewerkschaft GdP klagt, in Zukunft eher noch mehr Arbeit zu haben.

Und nicht zuletzt hätten sich die Aktivisten gegen die Prohibition ein weit weniger kompliziertes Gesetz gewünscht. Viele Fragen rund um beispielsweise die Cannabis Social Clubs, über die ab dem 1. Juli Cannabis an Mitglieder abgegeben werden darf, sind weiterhin ungeklärt. Wie genau werden die Aufgaben der Suchtbeauftragten aussehen, die die Clubs haben müssen? Wie wird der Datenschutz sichergestellt?

Viele Berliner sehen das entspannter. Wie der Betreiber eines Tattoo-Ladens in Friedrichshain, dessen Eingang dauerhaft in eine Marihuanawolke gehüllt ist. Hier wird auch schon vor der Entkriminalisierung gekifft. Er glaubt, dass die Drogenkriminalität in Berlin nun runtergehen und der Schwarzmarkt verschwinden wird. Dafür könne man in Zukunft mit der legalen Abgabe von Cannabis Geld erwirtschaften und Steuern einnehmen. Sein Fazit: „Die Entkriminalisierung ist gut für Deutschland.“

Auch Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, begrüßt die Teillegalisierung: „Die Verbotspolitik und Kriminalisierung von Konsumenten hatte keinerlei Erfolg“, sagt er der taz. „Der Konsum von Cannabis ist in den letzten Jahren angestiegen.“ Was nun komme, sei wichtig, „um der Repression und Stigmatisierung von Konsumenten entgegenzuwirken“.

Franco glaubt aber auch, dass der Schwarzmarkt nur geringfügig kleiner wird. Touristen zum Beispiel würden weiterhin etwa im Görlitzer Park Gras erwerben wollen. Für ihn ist das Gesetz nur ein erster Schritt in die richtige Richtung: „Der Kampf für eine gerechte und vernunftbasierte Drogenpolitik ist definitiv noch nicht zu Ende.“

Phase zwei der Entkriminalisierung ungewiss

Teil dieses Kampfs wird die angekündigte Phase zwei bei der Entkriminalisierung von Cannabis sein. In dieser dürfen sich Gemeinden und Städte dafür bewerben, als Modellregionen Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften abzugeben. Das Ganze soll wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.

Der Grünen-Politiker Franco befürchtet, dass ausgerechnet die Hauptstadt der Kiffer sich dafür gar nicht erst bewerben wird. Schließlich hält die CDU Cannabis für Teufelszeug und auch die SPD votiert alles andere als geschlossen für eine weitere Legalisierung.

Moritz Förster, der den Blog „Krautinvest“ betreibt und die Entkriminalisierung von Cannabis vor allem aus wirtschaftlicher Perspektive für Unternehmen beobachtet, ist skeptisch, dass Phase zwei in dieser Legislatur überhaupt noch Realität wird. Schließlich müsse diese genau vorbereitet werden, und derzeit sei noch völlig unklar, wie diese Versuche mit den Modellregionen überhaupt ausgestaltet werden sollen.

Polizeigewerkschaft: Kontrolle nicht möglich

Ganz und gar nicht zufrieden mit dem nun eingeschlagenen Weg im Umgang mit Cannabis ist die Gewerkschaft der Polizei in Berlin. Die Kontrolle der Kiff-Verbotszonen werde nicht zu bewerkstelligen sein, kritisiert Sprecher Benjamin Jendro im Gespräch mit der taz. In einem Radius von 100 Metern von Jugendeinrichtungen und Schulen darf nämlich kein Marihuana konsumiert werden. Jendro glaubt, weder die Polizei noch die Konsumenten werden einen Überblick darüber haben, wo genau nun ein Joint gerollt werden darf.

Auch er ist sich sicher, dass der Schwarzmarkt bleiben wird. Die Dealer würden zudem verstärkt auf härtere Drogen setzen und auf THC-haltigeres Cannabis, um im Vergleich zu den Cannabisvereinen konkurrenzfähig bleiben zu können, so der Polizeigewerkschafter.

Vasili Franco, Grüne

„Die Polizei soll sich auf wichtigere Dinge konzentrieren als die Verfolgung von Konsumenten“

Dass das neue Gesetz Mehrarbeit für die Polizei bedeuten soll, kann der Abgeordnete Vasili Franco nicht verstehen. „Bereits heute ist ja keinerlei effektive Kontrolle des bestehenden Verbots gegeben“, sagt er. „Natürlich kann nicht jeder Fall 99 Meter von der nächsten Jugendeinrichtung sofort sanktioniert werden. Die Polizei soll sich auf wichtigere Dinge konzentrieren als auf die Verfolgung von Konsumenten.“ Franco ist vielmehr überzeugt, dass die Polizei in Zukunft weniger und nicht mehr Arbeit haben wird.

Medizinische Abgabe wird erleichtert

Sehr zufrieden mit dem neuen Gesetz zeigt sich Julian Wichmann, Geschäftsführer der Telemedizinplattform Algea Care. Denn ab dem 1. April gilt Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel, bislang stand es auf einer Stufe mit etwa Morphium. Durch die neuen Regelungen werde es zu einem verschreibungspflichtigen Medikament wie Antibiotika.

Über seine Plattform könnten Ärzte und Ärztinnen dadurch viel leichter E-Rezepte für medizinisches Cannabis ausstellen. Etwa bei Depressionen oder Schlaf- und Angststörungen. „Wahrscheinlich ist Cannabis ein sichereres und effizienteres Medikament als so manche Antidepressiva und hat oft kaum Nebenwirkungen.“ Wichmann hofft, dass künftig „mehr Erkrankungen mit besserem Ergebnis behandelt werden können“.

Für einige wird die Entkriminalisierung von Cannabis immer eine bittere Medizin bleiben. Wie für Dirk Stettner, den Vorsitzenden der Berliner CDU-Fraktion, der zur Freigabe schreibt: „Drogen sind großer Dreck.“ Andere sehen es wie Mann vom Tattoo-Shop: Die Freigabe von Cannabis wird gut sein für die Stadt.

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