Atomstreitkräfte Frankreich und UK: Eigene Interessen

Die zwei Atommächte Europas modernisieren ihre nuklearen Arsenale schon seit längerer Zeit. Die atomare Verfügungsgewalt soll national bleiben.

Atom-U-Boot.

Britisches Atom-U-Boot der Vanguard-Klasse mit Atomsprengköpfen an Bord Foto: British Ministry of Defence/dpa

BERLIN taz | Neben den USA zählt die Nato zwei weitere Atommächte: Frankreich mit geschätzt 290 Atomsprengköpfen und Großbritannien mit geschätzt 225. Im Vergleich zu den vom Rüstungsforschungsinstitut SIPRI festgestellten Zahlen von 5.224 Atomsprengköpfen in den USA und 5.889 in Russland ist das wenig. Im Kontext zunehmender Bedrohungen aus Russland und Zweifeln an der zukünftigen US-Bündnistreue sind sie für Europa aber durchaus bedeutsam.

Großbritanniens „Nuclear Deterrent“ ist komplett seegestützt, mit Atomraketen auf Atom-U-Booten, die mal in Schottland liegen und mal im Meer unterwegs sind. Frankreichs „Force de frappe“ ist zu 80 Prozent seegestützt, ansonsten auf Langstreckenbombern einsatzfähig. Seine landgestützten Kurzstreckenraketen, die auf Deutschland zielten, hat Frankreich in den 1990er Jahren abgeschafft.

Wie bei allen Atommächten ist die Nukleardoktrin Großbritanniens und Frankreichs national definiert. Eine Entscheidung zum Einsatz einer Atomwaffe obliegt, unter Einhaltung der üblichen Verfahren, in London dem Premierminister und in Paris allein dem Präsidenten. Großbritannien hat sein Atomwaffenarsenal zusammen mit den USA entwickelt und seine nuklearen Kapazitäten von Anfang als Teil der gemeinsamen Nato-Abschreckung definiert. Frankreich stattdessen hat sein Nuklearprogramm immer eigenständig definiert und aufgebaut und selbst bei der Rückkehr in die militärischen Strukturen der Nato nach langer Abwesenheit 2009 seine Atomwaffen explizit von den gemeinsamen Kommandostrukturen ausgenommen. Es ist bis heute nicht einmal Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe (NPG) der Nato.

Keine „Europäisierung“ französischer Atomwaffen

So stehen der Nato im Ernstfall die britischen, nicht aber die französischen Atomwaffen zur Verfügung. Was Trump seinen Verbündeten bisher lediglich androht, gilt in Frankreich als Staatsdoktrin und könnte, falls 2027 die Rechtspopulistin Marine Le Pen Präsidentin werden sollte, ähnliche Sorgen hervorrufen.

Gleichwohl ist Frankreich nach dem Brexit die alleinige Atommacht der EU. Damit richten sich die Augen von EU-Politikern, die mehr „europäische Souveränität“ wollen, automatisch nach Paris. Kurz nach dem Abschied Großbritanniens aus der EU, im Februar 2020, brachte Präsident Emmanuel Macron bei einer Grundsatzrede vor Soldaten in Paris die Ausdehnung schützenswerter französischer Interessen auf Europa ins Spiel. „Unsere Atomstreitmacht verstärkt allein durch ihre Existenz Europas Sicherheit“, behauptete er und forderte von willigen europäischen Partnern einen „strategischen Dialog über die Rolle der französischen atomaren Abschreckung in unserer kollektiven Sicherheit“.

Das war aber kein Türöffner zu einer „Europäisierung“ von Frankreichs Nukleararsenal, sondern wurde damals als verklausulierter Appell interpretiert, EU-Partner könnten sich doch an den Kosten beteiligen. Denn sowohl Frankreich als auch Großbritannien befinden sich nach mehreren Jahrzehnten der Abrüstung neuerdings in einem extrem teuren Prozess der Modernisierung und Aufstockung ihres Atomwaffenarsenals. Beide Regierungen kämpfen mit chronisch hohen Haushaltsdefiziten und können sich das nur auf Kosten anderer Staatsausgaben leisten.

Frankreich, das ein Achtel seines jährlichen Militärhaushalts in seine Atomwaffen steckt, investiert dafür 37 Milliarden Euro im Zeitraum 2020-25. Großbritannien hat für den Zeitraum 2022-32 umgerechnet 70 Milliarden Euro veranschlagt und will die Zahl seiner Atomsprengköpfe wieder erhöhen – von 225 auf 260.

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