+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Kein Frieden in Sicht

Netanjahu lehnt eine Friedensregelung mit den Palästinensern ab. Im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis ist wegen anhaltender Kämpfe der Betrieb zusammengebrochen.

Benjamin Netanjahu vor Israel-Flaggen

Besteht auf Bodenoffensive in Rafah: Israels Premier Benjamin Netanjahu Foto: Abir Sultan/ap/dpa

Israels Regierung stimmt gegen eine Friedensregelung

Israels Regierung lehnt eine von internationalen Parteien aufgezwungene Friedensregelung mit den Palästinensern ab. Das Kabinett des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu billigte am Sonntag einstimmig eine entsprechende Erklärung. Eine Friedensregelung sei nur als Ergebnis direkter Verhandlungen beider Seiten ohne Vorbedingungen denkbar, hieß es darin weiter.

„Israel lehnt die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates weiter ab“, lautete die Regierungsentscheidung zudem. „Eine solche Anerkennung nach dem Massaker am 7. Oktober wäre ein riesiger Preis für den beispiellosen Terror und würde jede künftige Friedensregelung verhindern.“

Die Regierung folgte mit den Entscheidungen Vorgaben des Ministerpräsidenten. Netanjahu reagierte damit auf Medienberichte, denen zufolge die USA und andere Bündnispartner auch ohne israelische Zustimmung einen palästinensischen Staat anerkennen könnten.

Netanjahu sprach vor der Abstimmung von „Gesprächen, die zuletzt in der internationalen Gemeinschaft zu hören sind, über den Versuch, Israel einseitig einen palästinensischen Staat aufzuzwingen“.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten drei Millionen Palästinensern rund 700 000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

Die Vereinten Nationen hatten Palästina 2012 den Status als Beobachterstaat eingeräumt. Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt. Deutschland und die USA gehören nicht dazu. Sie hatten bisher immer betont, ein palästinensischer Staat müsse im Rahmen von Friedensverhandlungen mit Israel vereinbart werden. Diese liegen allerdings schon seit einem Jahrzehnt brach. (dpa)

Hamas-Behörde: Wichtigste Klinik in Süd-Gaza außer Betrieb

Im wichtigsten Krankenhaus im Süden des Gazastreifens ist nach Angaben der dortigen Palästinenser-Behörden wegen der anhaltenden Kämpfe der Betrieb zusammengebrochen. Im Nasser-Krankenhaus in der südlichen Stadt Chan Junis kümmerten sich derzeit nur noch vier medizinische Teams mit insgesamt 25 Mitarbeitern um die Patienten, sagte ein Sprecher der Gaza-Gesundheitsbehörde am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters. Wegen Treibstoffmangels für die Notstromaggregate und der Kämpfe in der Umgebung sei der Betrieb der Klinik vollständig zum Erliegen gekommen.

„Das Nasser-Krankenhaus ist das Rückgrat der Gesundheitsversorgung im südlichen Gazastreifen. Wenn es nicht mehr funktioniert, ist das ein Todesurteil für Hunderttausende palästinensischer Vertriebener in Chan Junis und Rafah“, sagte der Sprecher der von der militant-islamistischen Palästinenser-Organisation Hamas kontrollierten Behörde.

Das israelische Militär teilte mit, dass Spezialeinheiten weiterhin im Nasser-Krankenhaus und der Umgebung im Einsatz seien. Israelische Truppen hatten die zuletzt größte noch funktionierende Klinik im Gazastreifen am Donnerstag gestürmt. 100 Verdächtige wurden der Armee zufolge auf dem Gelände festgenommen. Zudem seien Bewaffnete in der Nähe getötet und Waffen im Inneren der Klinik gefunden worden. Die Hamas weist israelische Vorwürfe zurück, ihre Kämpfer nutzten medizinische Einrichtungen als Schutzschild. Mindestens zwei freigelassene israelische Hamas-Geiseln erklärten allerdings, sie seien im Nasser-Krankenhaus gefangen gehalten worden.

Das israelische Militär teilte weiter mit, dass bei den Kämpfen am Samstag im gesamten Gazastreifen Dutzende militante Palästinenser getötet worden seien. Zudem sei eine große Menge an Waffen beschlagnahmt worden. Die Gaza-Gesundheitsbehörde erklärte, dass bei den israelischen Angriffen in den vergangenen 24 Stunden 127 Palästinenser getötet worden seien. 205 weitere seien verletzt worden. Insgesamt seien damit seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober in dem dicht besiedelten Küstengebiet 28.985 Palästinenser getötet und 68.883 verletzt worden. (rtr)

USA wollen erneut Resolution im Sicherheitsrat blockieren

Der UN-Sicherheitsrat wird laut Diplomaten voraussichtlich am Dienstag über eine Forderung nach einer sofortigen humanitären Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der Hamas abstimmen. Die USA deuten aber bereits ihr Veto gegen den von Algerien vor zwei Wochen vorgelegten Resolutionsentwurf an.

„Die Vereinigten Staaten unterstützen die Verabschiedung dieses Resolutionsentwurfs nicht. Sollte er in der vorliegenden Form zur Abstimmung kommen, wird er nicht angenommen werden“, teilt die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield mit. Eine solche Resolution könnte die laufenden „sensiblen Verhandlungen“ über eine Waffenruhe und eine Freilassung der Geiseln der Hamas gefährden, die derzeit zwischen den USA, Ägypten, Katar und Israel stattfinden.

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die anderen Parteien diesem Prozess die besten Chancen auf Erfolg einräumen, anstatt Maßnahmen zu ergreifen, die ihn – und die Chance auf eine dauerhafte Beendigung der Feindseligkeiten – gefährden“, sagt Thomas-Greenfield. (rtr)

Netanjahu besteht auf Offensive in Rafah

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will sich trotz internationaler Warnungen nicht von einer Ausweitung der militärischen Offensive auf Rafah im südlichen Gazastreifen abbringen lassen. Man werde sich in der Frage internationalem Druck nicht beugen, betonte er am Samstag in Jerusalem vor Journalisten. „Wer uns an dem Einsatz in Rafah hindern will, sagt uns letztlich „Verliert den Krieg“.“ Das werde er nicht zulassen. Vor dem Beginn einer Offensive werde die israelische Seite es den Zivilisten in den Kampfgebieten aber ermöglichen, sich in sichere Gegenden zu begeben.

Israel bereitet eine Militäroffensive auf die an Ägypten angrenzende Stadt Rafah vor, um auch dort gegen die islamistische Hamas vorzugehen. In dem Ort im Süden des Gazastreifens haben Hunderttausende Binnenflüchtlinge Schutz gesucht. Die Pläne für eine Ausweitung der israelischen Einsätze in der überfüllten Stadt stoßen international auf große Kritik. Auch die USA als wichtigster Verbündeter Israels warnen davor. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verlangt mit Blick auf Rafah die Einrichtung langfristig sicherer Orte für die Menschen dort.

Netanjahu bekräftigte, man werde mit der Hamas-Führung „die Rechnung begleichen“. Dies sei nur eine Frage der Zeit. Man werde sich auch in der Frage einer künftigen Friedensregelung mit den Palästinensern keine Vorschriften aus dem Ausland machen lassen. „Eine Regelung kann nur durch direkte Verhandlungen zwischen beiden Seiten ohne Vorbedingungen erzielt werden“, betonte Netanjahu.

Der Regierungschef reagierte auch auf Medienberichte, denen zufolge die USA und andere Partner einen palästinensischen Staat selbst ohne israelische Zustimmung anerkennen könnten. Unter seiner Führung werde sich Israel vehement gegen eine „einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates wehren“, sagte Netanjahu. Denn nach dem 7. Oktober gäbe es aus seiner Sicht „keinen größeren Preis für diesen beispiellosen Terror“. (dpa)

Berichte über zahlreiche Tote bei Luftangriffen Israels

Bei israelischen Luftangriffen im zentralen Abschnitt des Gazastreifens gab es am Samstag nach palästinensischen Angaben wieder zahlreiche Tote. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, es seien mehrere Häuser von Kampfjets bombardiert worden, darunter in Deir al-Balah. Dabei seien acht Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt oder verschüttet worden. Sanitäter sprachen sogar von 40 Toten. Viele Verletzte seien ins Krankenhaus gebracht worden. Ein israelischer Armeesprecher sagte auf Anfrage, man prüfe die Berichte. (dpa)

Zahlreiche Festnahmen bei Einsatz in Krankenhaus

Die israelische Armee hat bei ihrem Einsatz im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis im Süden des Gazastreifens bisher rund 100 Menschen festgenommen. Es handele sich um „Personen, die verdächtigt werden, an Terroraktivitäten beteiligt gewesen zu sein“, teilte das Militär am Samstag mit. Nach Darstellung der Hamas-Gesundheitsbehörde gehören viele der Festgenommenen zum medizinischen Personal.

Nach Angaben der Gesundheitsbehörde kamen bisher fünf Patienten auf der Intensivstation wegen eines Stromausfalls im Zuge des israelischen Einsatzes ums Leben. Ihre Sauerstoffversorgung sei unterbrochen worden.

Die Armee erklärte dagegen, sie habe die Stromversorgung nicht attackiert. Die dort tätige Einheit habe strikte Anweisung gehabt, das kontinuierliche Funktionieren des Krankenhauses zu gewährleisten. Deshalb habe sie auch einen schadhaften Generator gegen ein Ersatzgerät aus Israel ausgetauscht. (dpa)

Tausende Israelis demonstrieren gegen Regierungspolitik

Tausende Israelis protestierten am Samstag in verschiedenen Städten gegen die Politik der rechtsreligiösen Regierung Netanjahus. Bei einer laut Polizei nicht genehmigten Großkundgebung in der Küstenmetropole Tel Aviv blockierten Demonstranten eine Straße in beide Richtungen und entzündeten Fackeln. Auch nahe der Villa Netanjahus in Caesarea kam es zu Protesten. Viele der Demonstranten forderten Neuwahlen. Andere sprachen sich für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und für einen raschen Deal mit der Hamas zur Freilassung weiterer Geiseln aus. (dpa)

Lazzarini sieht Kampagne gegen UNWRA

Chef des UN-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge sieht Israel auf Vernichtungskurs gegen seine Organisation. „Israel führt eine Kampagne, um die UNRWA zu zerstören“, sagte Philippe Lazzarini dem Zürcher „Tages-Anzeiger“. So hätten die Behörden Vertragspartner angewiesen, bestimmte Nahrungsmittel für das UNRWA in Aschdod nicht mehr abzufertigen. Die Organisation solle nicht mehr von der Mehrwertsteuer befreit werden. Zudem habe das Parlament ein Gesetz in die Wege geleitet, dass die UNRWA-Zentrale aus Jerusalem verbannen solle.

Lazzarini sagte, hinter all dem stecke die israelische Regierung, die zudem seinen Rücktritt verlange. Israel glaube offenbar, wenn das UNRWA beseitigt werde, sei auch der Flüchtlingsstatus Hunderttausender Palästinenser ein für alle Mal aus der Welt und mit ihm das Recht auf Rückkehr.

Das UNRWA war nach der Gründung Israels 1948 ins Leben gerufen worden, um etwa 700 000 Palästinenser zu unterstützen, die aus dem Gebiet des neuen Staates geflohen waren. Heute versorgt die Organisation etwa 6 Millionen Nachkommen der damaligen Flüchtlinge im Westjordanland, im Gazastreifen, in Jordanien, Syrien und Libanon mit Lebensmitteln, Schulen, Gesundheitsfürsorge und anderen Dienstleistungen.

Das Außenministerium in Jerusalem wies Lazzarinis Vorwürfe zurück. Das Problem sei nicht, dass Israel das UNRWA kritisiere. „Das Problem ist, dass die Hamas die Aktionen des UNRWA unterwandert“, sagte Sprecher Lior Haiat.

Schon am Freitag hatte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant neue Vorwürfe gegen das Hilfswerk erhoben. Es gebe „wichtige Hinweise“, dass sich mehr als 30 weitere UNRWA-Mitarbeiter an den Terrorangriffen vom 7. Oktober beteiligt hätten. Knapp 1500 UNRWA-Angestellte seien Mitglieder der Hamas oder des Islamischen Dschihad, das sind etwa zwölf Prozent des Personals im Gazastreifen. 230 von diesen gehörten zu den bewaffneten Abteilungen dieser militanten Gruppen. (ap)

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