Kinotipp der Woche: Knurrig im Allgäu

Der Stadtteilladen Zielona Góra zeigt im März subversives „Heimatkino“ mit regionalen Bezügen ins Allgäu, darunter auch „Daheim sterben die Leut’“.

Zwei Männer in Anzügen Knien auf Kirchenbänken und haben die Hände gefaltet. Der Mann rechts dreht sich mit grimmigem Gesicht zum Mann hinter ihm.

Szene aus „Daheim sterben die Leut'“ (1984/1985) Foto: Leo Hiemer Filmproduktion

Auf Bauern mit Mistgabeln in der Hand, mit denen Autoreifen durchstochen werden, blickt man derzeit vielleicht nicht mit genau derselben Lachlust wie vor rund 40 Jahren, als „Daheim sterben die Leut’“ in die Kinos kam und ein sensationeller Publikumserfolg wurde. Seit Bauern in großer Zahl durchdrehen und von an Galgen baumelnden Grünen-Politikern fantasieren, weil die ihnen angeblich das Leben schwermachen, hat das Bild des aufmüpfigen, sich gegen die Obrigkeit stellenden Landwirts, das in dem Film von Klaus Gietinger und Leo Hiemer gezeichnet wird, einfach ein wenig gelitten.

Was aber nichts daran ändert, dass der extrem schrullige Film, in dem hauptsächlich Laiendarsteller agieren, die in einem Dialekt daherreden, für den Berliner Zu­schaue­r:in­nen sicherlich dankbar sind für die Untertitel, immer noch ein außergewöhnliches Werk ist. Mit welcher Hingabe hier letztlich die Menschen in einem Allgäuer Landstrich in Bayern und das vermeintliche Dorfidyll als Kulisse für allerlei Grauen gezeichnet werden, ist immer noch äußerst belustigend.

Da ist der Gesundbeter Guggenmoos, der für ein paar Hundert-Euro-Scheine seine „weiße Magie“ anwendet, was beim Landrat Strobel zu Problemen mit seiner Blase führt. Und wenn es beim Sohn von Bauer Allgeier zum Beischlaf mit einer Touristin kommt, schaut der Leibhaftige persönlich am Ort des Geschehens vorbei. Aberglauben und eine gewisse Renitenz haben im Allgäu einen ganzen Menschenschlag geformt, der hier auf die Schippe genommen wird. Kein Wunder, dass während der Coronapandemie auffällig viele Coronaleugner in genau diesem ländlichen Raum anzutreffen waren.

Subversives „Heimatkino“: Die Filme der „Westallgäuer Film­produktion“. Stadtteilladen Zielona Góra; 14. 3.: „Daheim sterben die Leut'“; 21. 3.: „Land der Räuber und Gendarmen; 28. 3.: „Leni …muss fort“, Grünbergerstr. 73

„Daheim sterben die Leut’“ wird am 14. März im linken, selbstverwalteten Laden Zielona Góra in Friedrichshain gezeigt. Von der Westallgäuer Filmproduktion (WAF), die hinter dem Film steht, stammt auch der 1981 für das ZDF produzierte Film „Land der Räuber und Gendarmen“, der genau eine Woche später am selben Ort läuft. „Leni … muss fort“ (1994), zu sehen am 28. März, rundet die kleine Reihe mit grotesken und subversiven Filmen aus dem Allgäu im Zielona Góra ab.

Die Westallgäuer Filmproduktion wurde Ende der 70er gegründet und war bis zu Beginn der 90er aktiv. Ihr mit großem Abstand erfolgreichster Film blieb „Daheim sterben die Leut’“. Der Titel ist einer beliebten Aussage von Wirtshausgängern im Allgäu entliehen, die damit zum Ausdruck bringen wollen, dass die Wahrscheinlichkeit, plötzlich tot umzufallen, in den eigenen vier Wänden ungleich höher sei als beim Bier am Stammtisch.

Den bissigen Spott der Filmemacher bekommen letztlich alle Figuren ab, die hier gezeigt werden. Außer vielleicht die Dorfjugend, die vor allem mit Flirten beschäftigt ist und dem Mief um sie herum zu entgehen sucht, indem sie sich im Jugendtreff Kreuz zum Schwofen trifft. Die Polizei, die hier nach dem Rechten sieht, erweist sich als unangemessen schießwütig. Landrat Strobel, der sich für besonders wichtig hält und nicht einmal den ländlichen Dialekt beherrscht, geht auch mit ziemlich handfesten Mitteln gegen seinen Intimfeind, den Bauern Allgeier, vor. Der wiederum will einfach nicht einsehen, dass er an das neue Wassernetz angeschlossen werden soll, wie von Strobel gewünscht, schließlich tut es doch auch wie eh und je sein Brunnen.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Mit einem klassischen Heimatfilm hat „Daheim sterben die Leut’“ wirklich gar nichts zu tun. Hier wird kein Landleben idealisiert, sondern es werden knurrige Gestalten gezeigt, die man fast gerne haben möchte, bis sie dann in der Wirtschaft kollektiv aufstehen und die erste Strophe des „Lied der Deutschen“ schmettern, als sei das völlig normal.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.