BND-Prozess gegen Doppelagent: „Natürlich eine Katastrophe“

Im Prozess gegen einen russischen Maulwurf beim BND sagt Geheimdienst-Chef Bruno Kahl aus. Den Fall nennt er „mit das schlimmste, was passieren kann“.

Zwei Männer stehen sich gegenüber

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND, Dr. Bruno Kahl, zu Gast im Auswärtigen Ausschuss im Bundestag in Berlin, 05.07.2023 Foto: Leon Kuegeler/photothek/imago

BERLIN taz | Bruno Kahl macht keine Umschweife. Der Fall sei „natürlich eine Katastrophe“ für sein Amt, erklärt der BND-Präsident am Mittwoch im Berliner Kammergericht, an einem kleinen Holztisch sitzend, eine schwarze Aktentasche neben sich. „Ein Innentäter ist mit das Schlimmste, was einem Nachrichtendienst passieren kann.“

Kahl sagt dies am Mittwoch als Zeuge in einem Prozess, der seit Dezember den wohl größten deutschen Spionagefall der jüngsten Zeit verhandelt. Im Dezember 2022 war ein Referatsleiter festgenommen worden, Carsten L., zuständig für Technische Aufklärung und Personelle Sicherheit. Der Vorwurf: schwerer Landesverrat. Im Herbst 2022 soll Carsten L. interne BND-Dokumente an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB weitergegeben haben – mitten im Angriffskrieg auf die Ukraine. Wenig später wurde ein mutmaßlicher Komplize festgenommen, Arthur E. – ein windiger Geschäftsmann und Bekannter von Carsten L. Er soll die Papiere nach Moskau gebracht haben.

Kahl hatte kurz danach die Brisanz des Falls eingeräumt: Mit Russland habe man es mit einem Akteur zu tun, der mit „Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft“ auftrete. In einem Interview mit dem Tagesspiegel im Juli 2023 beschwichtigte er: Es seien nur „sehr überschaubar“ Informationen weitergegeben worden, auch kein Material von Partnerdiensten. Das Vertrauen dieser Dienste sei inzwischen sogar „eher gestärkt“ durch die offene Aufarbeitung.

Im Gerichtssaal wird das von den Verteidigern der Angeklagten bereitwillig aufgegriffen: Der vorgeworfene Verrat sei also gar nicht so schlimm gewesen? Kahl mäandert und bemüht einen Vergleich: Auch ein Flugzeugabsturz, bei dem von 100 Passieren 20 überlebten, bleibe eine Katastrophe. Schlimmer noch hätte etwa ein über Jahre in den BND eingeschleuster Agent eines gegnerischen Dienstes sein können. So aber seien nur über kurze Zeit, im Herbst 2022, wenige Daten nach Russland gelangt, beteuert Kahl.

450.000 Euro für den Verrat

Dennoch hätten nach dem Verrat Partnerdienste weniger Informationen geteilt, der BND habe einen „schweren Reputa­tions­schaden“ erlitten. Auch für die Bundesregierung sei der Fall „ein Unglück“ gewesen. Mit dem Interview habe er dies wieder einfangen wollen. Als die Verteidiger nachbohren, welcher Schaden genau eintrat, macht Kahl dicht: Dies dürfe er nur in nichtöffentlicher Sitzung sagen. Die Verteidigung pocht auf Öffentlichkeit, aber das Gericht entscheidet am Nachmittag: Es wird nichtöffentlich weiterverhandelt.

Zuvor aber räumte Kahl noch ein, dass Carsten L. im Amt „ein gutes Standing“ hatte. Er sei als kompetent angesehen worden, als „gute Führungskraft“. Erst später sei ihm kolportiert worden, dass der 53-Jährige eigentlich unzufrieden mit seiner Arbeit gewesen sei – ein mögliches Motiv für den angeklagten Verrat. Ein anderes wäre ein finanzielles: 450.000 Euro soll Carsten L. von Russland für seine Dienste bekommen habe.

Carsten L. selbst schweigt zu den Vorwürfen, die Ausführungen seines früheren Präsidenten verfolgt er aufmerksam, macht Notizen. Dafür packte im Prozess sein Mitbeschuldigter Arthur E. aus: So soll Carsten L. ein privates Handy mit in den BND genommen und damit Fotos der Dokumente gemacht haben – Erkenntnisse aus einer russischen Messenger-App, welche die Wagner-Gruppe nutzte. Kahl will sich auch zu dem weitergereichten Material nur nichtöffentlich äußern.

Laut Johannes Eisenberg, der Verteidiger von Carsten L., der auch die taz presserechtlich vertritt, bleibe jedoch unklar, ob die durchgestochenen Daten wirklich von Carsten L. kämen. Möglich sei auch, dass die Sache von einem fremden Geheimdienst inszeniert worden sei, um die Bundesregierung in Zugzwang zu bringen, die Ukrai­ne stärker mit Waffen zu unterstützen. Der Prozess ist noch bis Juli terminiert.

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