Berliner Clubkultur: Feierarbeiter, vereinigt euch!

Die Berliner Clubarbeitenden Gewerkschaft (BCG) steht noch ganz am Anfang. Minijober sollen als Arbeitnehmervertretung aushelfen. Verdi ist skeptisch.

Eine Barkeeperin bedient an der Bar einen Kunden

Keine leichte Arbeit und oft nur dank Trinkgeld halbwegs gut bezahlt: Barkeeperin in einem Club Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Während einer rauschenden Clubnacht haben die Partygäste im optimalen Fall die Zeit ihres Lebens. Dafür hat die Crew des Clubs zu sorgen, Angestellte hinter dem Tresen, an der Garderobe, die Security. Stressige Jobs sind das. Man arbeitet in der Nacht und ist ständig einem gewissen Lautstärkepegel ausgesetzt. Mit „Mental Health in Clubs“ hat der Berliner Lobbyverband Clubcommission deswegen Ende letzten Jahres ein längerfristiges Forschungsprojekt gestartet. Verbunden mit dem Ziel, die Zufriedenheit am Arbeitsplatz Club zu erhöhen.

Dass noch viel grundlegender auf teilweise vorhandene Missstände im Berliner Clubbetrieb geschaut werden muss, fordert nun die Mitte Dezember letzten Jahres gegründete Berliner Clubarbeitenden Gewerkschaft (BCG). Noch ist sie klein und kaum bekannt.

Kalle Kunkel, Sprecher von Verdi Berlin-Brandenburg, muss nach einer Anfrage der taz erst einmal im Fachressort Kultur nachfragen, ob schon jemand von der Konkurrenz gehört hat. Und Jens Schwan, Betreiber des Onlineportals The Clubmap, Gründer der Technoparade Zug der Liebe und langjähriger Szenekenner, glaubt, bislang sei das Interesse an der neuen Gewerkschaft äußerst verhalten.

Aber BCG ist ja auch erst am Anfang. Für die Kommunikation muss bislang ein Instagram-Konto reichen, nicht einmal eine eigene Homepage gibt es. Aber Alex von der BCG, der seinen richtigen Namen nicht nennen will, um nicht bei der nächsten Bewerbung für einen Job als die Nervensäge von der Clubgewerkschaft zu gelten, sagt, Mitglieder im mittleren zweistelligen Bereich habe man bereits gewinnen können.

Das nächste Ziel sei, im unteren dreistelligen Bereich anzukommen. Um dann irgendwann, logisch, „möglichst alle Leute zu erreichen, die wir ansprechen.“ Zwischen 6.000 und 9.000 seien das. Bis es in Berliner Clubs so weit sein könnte, dass eine Party wegen eines Streiks der Belegschaft kurzfristig gecancelt werden muss, dürfte es noch dauern.

Alle kommen aus dem Clubkontext

Zu den Gründern der BCG gehören laut Alex bis zu acht Leute, die sich in unterschiedlichem Maße in die Aufbauarbeit der Gewerkschaft einbringen. Alle kämen sie aus dem Clubkontext. Er selbst arbeite als Runner, trägt während einer Partynacht also die Verantwortung, dass alles von der Technik bis zum Barbetrieb möglichst reibungslos abläuft.

Auslöser für die Gründung ist eine Auseinandersetzung Angestellter des Kreuzberger Clubs Aeden mit der Geschäftsführung. Das bekommt man nicht von Alex selbst erzählt, der sehr geizig ist bei der Nennung von Namen, sondern von einem weiteren Gründer von BCG, der ebenfalls anonym bleiben möchte. Eine Gruppe von Beschäftigten habe in dem Club, der erst seit zweieinhalb Jahren existiert, einen Betriebsrat gründen wollen, sagt er.

Allen, die das Anliegen verfolgten, sei nach und nach gekündigt worden. Mehrere Verfahren vor einem Arbeitsgericht wegen unrechtmäßigen Kündigungen stünden demnächst an. Lutz Leichsenring, Pressesprecher der Clubcommission, sagt, man kenne den Fall, könne aber nicht beurteilen, ob es tatsächlich zu den Kündigungen aufgrund der Geschichte mit dem Betriebsrat gekommen sei, was rechtswidrig gewesen wäre. Eine Bitte der taz um Stellungnahme an das Aeden blieb unbeantwortet.

Clubarbeitenden, die Unrecht erfahren haben an ihrem Arbeitsplatz, denen etwa ohne rechtsgültigen Grund gekündigt wurde, wolle man mit der neuen Gewerkschaft beistehen, sagt Alex. Und beispielsweise auch darüber aufklären, dass man während einer langen Schicht im Club das Recht auf Pausen habe. „Teilweise werden solche Arbeiterrechte in den Clubs mit den Füßen getreten. Und das wollen wir verändern.“

Wie gesagt, Namen möchte er nicht nennen, keinen Laden als schwarzes Schaf herausheben. Es sei ihm und seinen Mitstreitern zudem bewusst, sich in einer fragilen Szene zu bewegen – vor allem nach der Corona-Pandemie, die für die Clubs existenziell bedrohlich war. Er sagt aber auch, viele Berliner Clubs, die längst etabliert seien, würden immer noch so tun, als seien sie „kleine DIY-Spaces, dabei streichen sie teilweise Millionengewinne ein.“ Während die Löhne für die angestellten Nachtarbeiter sich rund um den Mindestlohn bewegen würden.

Noch sei man mit keinem der Clubs konkret im Kontakt, so Alex. Irgendwann möchte man sich mit ihnen aber gemeinsam an einen Tisch setzen. Und auch einen Branchentarifvertrag aushandeln.

Kampf mit Umsatzeinbußen

Hört sich interessant an, findet Javid Ansar, Mitbetreiber des Friedrichshainer Clubs Beate Uwe. Aber: „Wer soll so einen Tariflohn bezahlen?“ Clubbetreiber würden seit Corona „mit Einbußen beim Umsatz kämpfen, die Mehrwehrtsteuer ist gestiegen, die Touristen fehlen.“

Lutz Leichsenring von der Clubcommission stellt erst einmal klar, man verstehe sich nicht als Arbeitgeberverband. Man habe beispielsweise auch einen „Arbeitskreis Personal“, der Unterstützung beim Bilden von betriebsratsähnlichen Strukturen anbiete. Solche wären „in manchen Clubs auch notwendig.“ Außerdem sei es „in unserem Interesse, dass Leute fair bezahlt werden und dass der Arbeitsplatz im Club attraktiv ist.“ Die Gründung von BCG „finden wir gut.“

Der Frage, ob sich die neue Gewerkschaft irgendwann als relevanter Player in der Berliner Clubkultur etablieren kann, begegnet Jens Schwan eher skeptisch. Er findet durchaus, dass es zu viele prekäre Jobs im Nachtleben gäbe. Außerdem würden immer mehr Partyläden auf Kartenzahlung umstellen. Das Tresenpersonal befürchte deswegen, die wichtige Zusatzeinnahme der Trinkgelder könne dadurch geringer ausfallen. Aber er glaubt, dass viele einfach nur froh seien, etwa neben dem Studium einen Minijob im Club zu haben und sich überhaupt nicht für eine betriebsratsähnliche Selbstorganisation interessieren würden.

Tatsächlich sind laut einer Studie der Clubcommission aus dem Jahr 2018 rund 40 Prozent der Angestellten in den Clubs Minijobber. Ob diese Lust darauf haben, die monatlich voraussichtlich fünf Euro Mitgliedsbeitrag bei der BCG zu entrichten, ist fraglich.

Bei der Belegschaft eines Clubs wie dem About Blank dürfte das Feedback auch eher gering ausfallen. Hier verdienen alle vom Booker bis zur Putzkraft gleich viel oder besser gesagt: gleich wenig. Man versteht sich als Kollektiv und wer sich nicht gut behandelt fühlt, kann einen so genannten „Clubrat“ konsultieren. In einem Club wie dem About Blank mit seinem politischen Anspruch und seiner genossenschaftlichen Struktur gibt es letztlich gar keine Angestelltenverhältnisse.

Sorge um Spaltung

Aber auch bei vielen anderen Clubs gilt, dass Leute oft dort arbeiten, weil sie sich mit dem Laden identifizieren oder es generell cool finden zu arbeiten, wo andere Party machen. Die Frustration über schlechte Arbeitsbedingen drängt man dann eher beiseite.

Ob es daran liegt, dass in Berlin kaum Clubs einen echten Betriebsrat haben wie das queere Schwuz und das Berghain? Oder daran, dass Clubbetreiber sich zu oft den Gründungen von Betriebsräten entgegenstellen? Zu solchen Fragen braucht die BCG irgendwann belegbare Zahlen und Fakten, um seriös arbeiten zu können.

Henrik Grunert, Vorsitzender des Betriebsrats im Schwuz, gibt bereits an, man stehe als Betriebsrat „uneingeschränkt“ hinter der Gründung der BCG. „Wir wollen fest daran glauben, dass eine spezialisierte Vertretung in Form einer Gewerkschaft notwendig ist, um sicherzustellen, dass die Arbeitsbedingungen sowohl gerecht als auch förderlich für die teilweise hohen gesundheitlichen Belastungen gestaltet werden können und müssen.“

Weniger euphorisch ist da Verdi-Mann Kunkel. Grundsätzlich würde man Selbstorganisationen von Beschäftigten begrüßen, sagt er. Eine Spaltung wolle man jedoch vermeiden. „Die Gewerkschaft im Clubbereich gibt es schon, nämlich Verdi.“

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