Spielfilm „Rebel“ über IS-Terror: Aus Schüssen wird Tanz

Der Spielfilm „Rebel – In den Fängen des Terrors“ von Adil & Bilall spielt zwischen Belgien und Syrien. Die Regisseure haben Hollywooderfahrung.

Kamal (Aboubakr Bensaihi) steht auf der Decke eines Raums, über ihm sind am Boden liegende Menchen zu sehen.

Kamal (Aboubakr Bensaihi) ist in „Rebel“ eigentlich ein Rapper Foto: Busch Media Group

Molenbeek, der Stadtteil von Brüssel, ist weit über Belgien hinaus bekannt: als Brutstätte des islamistischen Terrors. Hier lebt die Familie, von der das Regie-Duo Adil El Arbi und Bilall Fallah (Trademark-Name: Adil & Bilall) in „Rebel“ erzählt. Eine alleinerziehende Mutter, zwei Söhne, wie die beiden Regisseure Belgier mit marokkanischem Migrationshintergrund.

Der ältere Sohn, Kamal (Aboubakr Bensaihi) ist vor Ort als Rapper bekannt, von seinem dreizehnjährigen Bruder Nassim (Amir El Arbi) bewundert. Der nicht glauben will, was geschieht und was er dann sieht: Der Bruder zieht aus Empörung gegen Assads Unterdrückung in den Syrienkrieg und taucht als kaltblütiger Mörder in einem IS-Propagandavideo in den Nachrichten wieder auf.

„Rebel – In den Fängen des Terrors“ (Belgien 2022, Regie: Adil El Arbi, Bilall Fallah). Die DVD ist ab rund 12 Euro im Handel erhältlich.

Rasant ist dieser Einstieg, zwischen Syrien und Belgien hin und her und bewusst erst einmal eher verwirrend als ordnend montiert. Der Rapper auf seinem grünen Motorrad hier, der Krieger mit dem Gewehr in der Hand da. Wie das eine zum anderen passt, wie das eine Bild zum anderen kommt, wie aus einem belgischen Bürger ein islamistischer Fanatiker wird, das versucht der Film vorzuführen.

Zwei Anläufe nimmt er, denn nach dem älteren wird auch der jüngere Bruder in Brüssel von Islamisten ideologisch verführt. Von einem Trainer im Boxclub für Jugendliche, nicht nur hier orientiert sich der Plot an der Realität.

Der ganze Film beruht nicht auf einer wahren Begebenheit, aber alles, was er erzählt, hat sich begeben. Schicksale, die die Wirklichkeit unübersichtlich verstreut hat, werden zur handlichen Plot-Form gebündelt und in der Geschichte einer einzigen Familie modellhaft verdichtet. Und zwar sehr konsequent bis zum bitteren, drastischen Ende, das so drüber ist, dass man nur den Kopf schütteln könnte, hätte der Film nicht von Anfang an sehr konsequent das Genre gewählt, in dem die Regeln des Realismus ausgesetzt sind: das Melodram.

Mit Arthouse-Realismus haben Adil & Bilall schon immer wenig am Hut. Mit effektvollen Gangsterfilmen in ihrer belgischen Heimat hatten sie Hollywood auf sich aufmerksam gemacht, dort einen Film aus dem „Bad Boys“-Franchise, die Disney+-Serie „Ms. Marvel“ und 2022 den Film „Batgirl“ gedreht. Letzterer allerdings wurde für die beiden ein spektakuläres Desaster, denn Warner Brothers hat ihn in den Coronawirren nie in die Kinos gebracht. So kehrten die Regisseure nach Belgien zurück und haben mit europäischem Geld „Rebel“ gedreht, der alle Mittel nutzt, die man auch aus Hollywood kennt.

Schlachten und Foltern

Die Szenen aus dem Sy­rien­krieg sind aufwendig inszeniert, man sieht Schlachten und Folter, man ist viel mittendrin, weil Kamal beim IS als Kamera- und Videomann Karriere zu machen beginnt. An entscheidenden Stellen jedoch verlässt der Film dieses Genre und das Realismusregister und springt ins Musical um.

Man kann an Bollywood denken, dort gibt es ähnliche Brüche, selten aber sieht man das, was Adil & Bilall hier machen: Sie suchen den fast unmerklichen Übergang gerade in den intensivsten, härtesten Szenen. Eben noch Schläge und Schüsse, und es wird daraus, teils in derselben Bewegung der Körper, Choreografie und Tanz, mit Musik.

Das ist verblüffend anzusehen und kühn. Und verblüffenderweise funktioniert es, als Distanzierung vom schlichten Glauben an ein Erzählen, das Wirklichkeit eins zu eins abbilden kann. Zugleich wird aber durch diese Szenen die Intensität der Geschichte keineswegs unterlaufen. Es geht nicht um Entlastung, nicht um Befreiung und nicht um Verfremdung, sondern um den Sprung in eine andere Form, die auf den ersten Blick überhaupt nicht passt. Und dann passt sie, so selbstbewusst und gekonnt umgesetzt, wie sie ist, schließlich doch.

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