Kinotipp der Woche: Ohne Verzopftes

Der französische Filmemacher FrançoisTruffaut schuf ein Autorenkino, das so intellektuell wie aufsässig war. Das Babylon Mitte zeigt eine Filmauswahl.

Ein Junge in einem Klassenraum

„Les quatre cents Coups“ (R: François Truffaut, FR 1958) Foto: MK2

Wie hat er das alles nur in seinem relativ kurzen Leben untergebracht? François Truffaut ist 1984 im Alter von gerade mal 52 Jahren gestorben, es waren ziemlich turbulente Lebensjahre. Er durchlebte eine schwierige Kindheit, landete in mehreren Erziehungsheimen und schlug sich später eine Zeit lang als Soldat herum.

Aus der Liebe zum Kino machte er dann einen Beruf und wurde Filmkritiker. Das sind bekanntlich diejenigen, die Urteile in einem Metier fällen, in dem sie es am liebsten selbst zu etwas gebracht hätten. Das zumindest sagen Regisseure gerne despektierlich über diese, wenn sie sich von ihnen ungnädig behandeln fühlen.

Für Truffaut aber blieb die rein theoretische Beschäftigung mit dem Kino nur ein Zwischenschritt, um dann tatsächlich die Seiten zu wechseln und als Filmemacher zu reüssieren.

Und gleich mit seinem Erstlingswerk „Sie küssten und sie schlugen ihn“ („Les quatre cents coups“) schuf er einen Klassiker der Filmgeschichte. Und von da an drehte er wie besessen einen Film nach dem anderen, beinahe jedes Jahr mindestens einen. Im Kino Babylon Mitte kann man gerade in einer Retrospektive mal wieder eintauchen in die Welt des François Truffaut.

Filme von François Truffaut. OmeU, 27. März bis 10. April im Babylon Mitte

Das Schöne an seinen Filmen ist, dass hier ein Intellektueller des Autorenkinos es schafft, das Verkopfte und Verzopfte beiseite zu schieben und Filmkunst im Sinn hat, die auch unterhalten soll. Hollywood war für ihn nie gleichbedeutend mit amerikanischer Dekadenz wie so oft bei französischen Intellektuellen, sondern er war ein großer Bewunderer vieler Filme, die das amerikanische Studiosystem hervorgebracht hat. Alfred Hitchcock war für ihn gar der Größte überhaupt.

Erstaunlich ist auch, wie vielfältig sein Werk ist. Da gib es einen Liebesfilm wie „Jules und Jim“, ein Meisterwerk der Nouvelle Vague. Oder mit „Fahrenheit 451“ nach dem gleichnamigen Roman von Ray Bradbury einen dystopischen Science-Fiction-Film. Und mit „Die letzte Metro“ ein bedrückendes Werk über ein von den Nazis im Zweiten Weltkrieg besetztes Paris, in dem der mörderische Antisemitismus wütet.

Am meisten verehrt wird Truffaut aber wohl heute immer noch für seinen Antoine-Doinel-Zyklus mit Jean-Pierre Léaud, der mit „Sie küssten und sie schlugen ihn“ begonnen wurde. Antoine Doinel ist das Alter Ego Truffauts, was unschwer bereits bei diesem Erstling zu erkennen ist.

In dem Film wird die Schule als Institution gezeigt, die dem aufsässigen Antoine nur mit Härte und Kälte zu begegnen weiß. Und die Eltern des Jungen bringen diesem ebenfalls nur Unverständnis entgegen, sind völlig überfordert von dessen Drang nach Freiheit.

Der Jugendliche möchte lieber Zigarren rauchen und ins Kino gehen als von seinen spießigen Paukern gemaßregelt zu werden. Er klaut Geld bei seiner Oma und im Büro seines Vaters eine Schreibmaschine, um diese zu verkaufen und landet bald, wie einst Truffaut selbst, im Erziehungsheim.

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Der Film ist komödiantisch und ganz und gar deprimierend gleichzeitig. Zu Liebe und Verständnis scheinen sämtliche Erwachsenen, die hier auftauchen, nicht fähig zu sein. Und Jean-Pierre Léaud ist bereits hier umwerfend.

In späteren Filmen, in denen er erneut Antoine Doinel verkörpert, wird gezeigt, dass aus dem einstigen Delinquenten am Ende doch noch etwas geworden ist. Auch wenn er immer ein wenig der Lausbube von einst bleiben sollte. Und, wie in „Liebe auf der Flucht“, dem letzten Film des Antone-Doinel-Zyklus, zu erfahren ist, in der Rolle des zuverlässigen Ehemanns einfach ein Totalausfall ist.

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