Feministische Weinprinzessin: Weg vom hübschen Maskottchen

Unser Kolumnist fand die Tradition der weiblichen Wein-Repräsentation bis vor Kurzem fragwürdig. Doch jetzt hat sich etwas verändert.

Eva Brockmann, 75. Deutsche Weinkönigin aus Franken, reckt stolz einen Blumenstrauß in die Höhe

Eva Brockmann, 75. Deutsche Weinkönigin aus Franken Foto: Lando Hass/dpa

Wie sich die Perspektive ändert, wenn man mal zwei Jahre aus der Stadt raus ist. Zum Beispiel Frauen mit Krönchen. Lebt man in Berlin, begegnet man ihnen am ehesten bei der Grünen Woche. Die Messe ist seit der Jahrtausendwende zum Stelldichein Dutzender Gurken-, Spargel-, Wurst- und Wasweißichnoch-Königinnen geworden. Ich habe diese Krönungen in der deutschen Lebensmittelwirtschaft lange belächelt und als überholtes Überbleibsel aus den patriarchalischen Zeiten des Wirtschaftswunders angesehen. Bis ich von einem etwas anderen Prinzessinnenprojekt erfuhr.

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Weinprinzessinnen sind das lokale Äquivalent der Weinköniginnen. Die einen repräsentieren ganze Regionen (Franken, die Ahr, die Mosel), die anderen sind Botschafterinnen ihrer Orte. Wo viel Wein angebaut wird, treten deshalb bei offiziellen Feierlichkeiten Prinzessinnen meist im Pulk auf. In Zeiten schwindender Rebflächen ist es immer eine kleine Sensation, wenn sich ein Weinort entscheidet, neue Hoheiten zu ernennen.

Rayka Grötsch heißt die erste Weinprinzessin von Mainbernheim. Aus dem Ort südlich von Kitzingen war der Anbau fast verschwunden, vor vier Jahren dann hat das junge Weingut Schalk & Rausch eine historische Lage neu bepflanzt.

Eine Weinprinzessin, das war die Idee der Winzerin Ute Rauschenbach, und sie fragte dafür eine Frau, von der man vermuten könnte, dass sie so ein Amt eher ablehnt: Rayka Grötsch ist 30, beruflich fest verankert, promoviert in Lebensmittelwissenschaften, frisch verheiratet. Damit ist sie unter den zahlreichen anderen, deutlich jüngeren Weinprinzessinnen hier in der Gegend eine Exotin.

Feministisches Projekt statt hübsches Maskottchen

Für Grötsch habe das Projekt auch einen feministischen Hintergrund. Sie wolle die Chance nutzen, das Amt so zu prägen, dass man als Weinprinzessin „nicht mehr auf das Äußere reduziert wird“, erzählt sie bei einem Telefonat. Kürzlich habe sie mit 40 anderen Hoheiten eine Schulung besucht, einen zwei­tägigen Crashkurs über Weingeschichte und -herstellung, Sommelierkunde und Workshops für Rhetorik und Moderation.

Eine gute Vorbereitung auf das, worauf auch sie sich konzentrieren will: den Ort und seinen Wein zu präsentieren. Die Termine dafür suche sie sich ganz genau aus.

Bloß weg vom hübschen Maskottchen. Von den deutschen Weinköniginnen der vergangenen zehn Jahre macht die überwiegende Anzahl weiterhin etwas mit Wein – viele als eigenständige Winzerinnen. Frauen, die es nicht mehr als ihre Aufgabe sehen, Männern das Trinken zu verschönern, sondern als Qualitätsbotschafterinnen auftreten – dem kann ich was abgewinnen.

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