Dumping bedroht Solar-Branche: EU nimmt China ins Visier

Die Kommission ermittelt gegen zwei Firmen wegen des Verdachts unerlaubter Subventionen. Die deutsche Solarbranche lehnt Anti-Dumping-Zölle ab.

Ein Arbeiter stellt Teile für ein Solarpanel her

Solarfabrik im chinesischen Suqian in der Provinz Jiangsu: subventionierte Billigmodule für die EU und die USA Foto: IMAGO/CFOTO

BRÜSSEL/BERLIN taz | Der deutschen Solarbranche droht nach dem Weggang wichtiger Hersteller der nächste Schlag ins Kontor: Ein Handelskonflikt zwischen der EU und China könnten Module und Vorprodukte deutlich verteuern. Ein Hinweis darauf: Die EU-Kommission geht wegen Dumpingverdachts gegen chinesische Solarhersteller vor.

Sie stützt sich dabei auf eine neue Verordnung zu Subventionen aus Drittstaaten, die erst im Juli 2023 in Kraft getreten ist. Der Verdacht: Dank großzügiger staatlicher Förderung aus China konnten die beiden Unternehmen ein deutlich günstigeres Angebot machen als die Konkurrenz – und so den Markt verzerren.

„Solarpaneele sind für Europa von strategischer Bedeutung geworden“, sagte der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton. Die beiden Untersuchungen zielten darauf ab, „die wirtschaftliche Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit Europas zu erhalten, indem sichergestellt wird, dass Unternehmen in unserem Binnenmarkt wirklich wettbewerbsfähig und fair sind.“

Konkret geht es um Longi Solar und Shanghai Electric, zwei Energiekonzerne mit Sitz in China. Sie haben sich an einer öffentlichen Ausschreibung in Rumänien beteiligt. Sie sieht Planung, Bau und Betrieb eines Solarparks mit einer Leistung von 110 Megawatt vor. Das entspricht in etwa einem durchschnittlichen Kohlekraftwerk. Den gesamten europäischen Markt können die Chinesen damit wohl kaum verzerren. Doch der EU-Kommission geht es darum, ein Exempel zu statuieren – und wohl auch, die darbende europäische Solarindustrie zu schützen. Die steckt in einer tiefen Krise, auch wegen Billigprodukten aus China. Zuletzt sind die Preise für Solarmodule um mehr als 50 Prozent gefallen.

Hinweis auf neue Haltung

Rückendeckung bekommt die Kommission aus dem Europaparlament. „Im Falle von Hinweisen auf unfaire Subventionierung eines Unternehmens ist eine gründliche Untersuchung unerlässlich“, sagte Bernd Lange (SPD), Chef des Handelsausschusses, dem Handelsblatt. Die Ermittlungen basierten auf „objektiven Fakten“ und dienten nicht „als politisches Werkzeug“, so Lange.

Während der nun begonnenen eingehenden Prüfung wird die EU-Kommission die mutmaßlichen drittstaatlichen Subventionen weiter untersuchen, erklärte Margrethe Vestager, die Exekutiv-Vizepräsidentin der Behörde. Ein Ergebnis der Ermittlungen wird in drei bis vier Monaten erwartet. Bei Verstößen kann Brüssel die Vergabe des Auftrags untersagen. Was dann aus dem geplanten Solarpark in Rumänien werden soll, teilte die EU-Behörde nicht mit.

Das Vorgehen der Kommission deutet auf eine Änderung ihrer Haltung gegenüber chinesischen Solarherstellern hin, die zu einem Handelskonflikt führen könnte. Am Ende dieser Entwicklung könnte zum Beispiel die Ausweitung von Anti-Dumping-Zöllen stehen. Solche Maßnahmen zum Schutz des eigenen Marktes hätten aus Sicht der deutschen Solarbranche weitreichende Folgen. „Grundsätzlich lehnt der Bundesverband der Solarwirtschaft protektionistische Maßnahmen ab, da sie die Energiewende gefährden“, sagte eine Sprecherin des Verbands.

Auch der Thinkthank Agora Energiewende ist skeptisch. Das Bewältigen der Klimakrise erfordere einen kooperativen internationalen Ansatz, auch zwischen Europa und China, sagte Matthias Buck, Direktor Europa von Agora Energiewende. „Die jetzt eingeleitete Untersuchung der EU Kommission verdeutlicht, dass die Europäische Union dringend eine schlüssige Industriestrategie für grüne Transformationstechnologien braucht.“ Das würde auch die Kommunikation über handelspolitische Maßnahmen gegenüber internationalen Partnern erleichtern.

China baut Solarindustrie aus

Der chinesische Staat hat vor mehr als zehn Jahren, als die deutsche Solarindustrie aufgrund politischer Entscheidungen zur Einspeisevergütung zusammenbrach, mit dem Aufbau einer eigenen Fertigung in großem Stil begonnen. Die Herstellung wird subventioniert, denn die chinesische Regierung misst der Dominanz in dieser Branche strategische Bedeutung bei.

Mittlerweile haben sich in Deutschland zwar wieder einige Unternehmen aus der Branche angesiedelt. Sie können aber den Billigangeboten aus China nicht standhalten und fordern staatliche Förderung. Noch laufen Verhandlungen zwischen den Fraktionen der Ampelregierung über eine Unterstützung. Doch nachdem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sich öffentlich gegen Hilfen für die Branche gestellt hat, geht in Berlin kaum noch jemand davon aus, dass sie kommen. Meyer Burger, bislang der größte Hersteller in Deutschland, hat bereits Konsequenzen gezogen und den Mit­ar­bei­te­r:in­nen in seinem Werk im sächsischen Freiberg gekündigt. Das Unternehmen will in den USA investieren. Dort kann es mit einer großzügigen Förderung durch das Subventionsprogramm von US-Präsident Joe Biden rechnen.

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