April, April!: Tüten für die Tonne

Das Landesamt für Pflanzenschutz hat große Mengen eines Erregers in Hanfsamen festgestellt. Die erste legale Ernte nach dem Cannabis-Gesetz ist bedroht.

So sieht eine gesunde Ernte aus Foto: dpa | Hannes P Albert

BERLIN taz | Der Zeitpunkt könnte schlechter nicht sein: Ausgerechnet zum Start des legalen Anbaus von THC-haltigem Cannabis schlägt das Berliner Pflanzenschutzamt Alarm: In etlichen Proben importierter Hanfsamen wurden Sporen einer Pilzkrankheit entdeckt, die vielen Hobbygärtnern nicht nur die erste Ernte verderben könnte. Botrytis famelica ist eine erst seit wenigen Jahren bekannte Variante des von Growern ohnehin gefürchteten Grauschimmels, die sich nach Angaben des Amts aber um ein Vielfaches schneller ausbreitet.

„Dass der neue Erreger irgendwann in Europa und auch in Deutschland ankommt, war zu erwarten“, sagt Jutta Dreher vom Pflanzenschutzamt, das im Land Berlin unter anderem für die Überwachung von Saatgutimporten zuständig ist. „Aber so schnell und in dieser Breite, damit hätten wir nicht gerechnet.“ Ökologisch betrachtet sei die Pilzerkrankung zwar nur bedingt problematisch, da sie lediglich Cannabis sativa befällt, dennoch betrachte man das Phänomen mit Sorge.

Woher genau der neuartige Erreger stammt, ist laut Dreher unklar: „Auch wenn der Handel mit Cannabis-Saaten nicht illegal ist, lassen sich die Handelswege oft nur schwer zurückverfolgen.“ Vor allem in Kanada und Australien sei der Pilz schon ein massives Problem. Nun hat er offenbar den Sprung nach Europa geschafft. „Ich scheue den Vergleich mit Corona, aber im Prinzip haben wir es in diesem sehr spezifischen botanischen Segment mit einer Pandemie zu tun“, sagt die Wissenschaftlerin.

Botrytis famelica „hungert“ die Pflanzen regelrecht aus, sie können keine Nährstoffe mehr aufnehmen und sterben ab. Wie bei anderen Pilzkrankheiten tritt der sichtbare Befall erst kurz vor der Blüte ein. Die winzigen Sporen, die nur unter einem hochauflösenden Mikroskop zu erkennen sind, vermehren sich dann rasant in der Pflanze. Die schafft es nicht mehr, ihre Blüten zu entfalten und fällt in sich zusammen. Behandeln lässt sich Botrytis nicht, stattdessen muss das befallene Material entweder verbrannt oder in luftdicht verschlossenen Tüten entsorgt werden.

Behandeln lässt sich Botrytis nicht

Für alle, die nach Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes schon ihr erstes eigenes Gras wachsen hören, aber auch für viele BerlinerInnen, die ihre Pflanzen schon ohne Genehmigung in der Wohnung oder im Garten ziehen, ist das eine Hiobsbotschaft. Zumal die Sporen der neuen Botrytis-Variante sich nicht nur über die Samen, sondern vor allem über die Luft verbreiten. Im schlimmsten Fall droht der ersten legalen Ernte in der Kifferhauptstadt ein Totalausfall. Die einzigen resistenten Cannabisvarianten, die bislang bekannt sind, enthalten zwar den Wirkstoff CBD, aber so gut wie kein THC, das für den begehrten Rausch verantwortlich ist.

Für Johanna Marin vom Deutschen Cannabisverein sind das bedrückende Nachrichten. Gegenüber der taz gibt die Hanflobbyistin der weltweit ausufernden Züchtung von genetisch „optimiertem“ Gras die Schuld: „Wir glauben, dass die hemmungslose Produktion von Varianten, die in der Natur nicht vorkommen, das Entstehen solcher Killerkrankheiten begünstigt.“ Der Verband arbeite bereits an einer Petition, die den Bund auffordert, massiv in die Entwicklung resistenter Sorten zu investieren.

„Ein gesunder Rausch ist nicht nur ein Menschenrecht, wie wir schon lange betonen, sondern letztlich auch im Interesse des Staates“, findet Marin. Dass bald Millionen von Kiffern die Grundlage dafür entzogen sein könnte, werde am Ende nur den Missbrauch von Alkohol und synthetischen Drogen befördern. „Da sollte auch die Politik sagen: Das kommt uns nicht in die Tüte“, konstatiert die Aktivistin nüchtern.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien am 1. April. Entsprechend sensibel sollte mit den Inhalten umgegangen werden.

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