Kochen in der Fernbeziehung: Kichererbsen gegen den Kapitalismus

Unsere Autorin und ihre Freundin führen eine Fernbeziehung. Zu ihren Ritualen gehört es, miteinander und füreinander zu kochen.

Eine Person in einem fahrenden Zug hält eine seiner Hände ans Zugfenster.

Die Erinnerungen fahren mit Foto: Rajkumar Singh/plainpicture

Es ist sieben Uhr morgens und noch dunkel. Ich trage nur ein Handtuch um den Kopf, Make-up und lange Ohrringe, die fast bis zu meinen Schultern reichen. Der Duft von gebratenen Zwiebeln und Knoblauch hatte mich schon unter der Dusche erreicht, nun bleibe ich hinter dem Türrahmen stehen und beobachte sie. Sie steht am Herd und kocht. Als sie mich entdeckt, sagt sie, dass ich aussehe wie eine nackte Version von Vermeers „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“.

Draußen ist es kalt, es ist Februar, minus 5 Grad Celsius zeigt die Wetter-App für Leipzig. Circa 160 Kilometer davon entfernt, in Berlin, wohin ich gleich zurückfahren muss, wird es nicht viel anders sein. Sie besteht darauf, mit mir aufzustehen, um mir mein Lieblingsfrühstück zuzubereiten.

Mit ihren schwarz lackierten Fingernägeln schält sie jede einzelne Kichererbse und wirft sie in das heiße Öl, zu den Zwiebeln und dem Knoblauch. Als nächstes kommen in den Topf rote Paprika und Champignons. Die Gewürze sind ihr Geheimnis, genauso wie die Zeit, die sie sich für diese Eigenkreation nimmt. Der Herd soll auf niedrige Hitze gestellt sein, je langsamer es brutzelt, desto besser, meint sie.

Ich ziehe mich an und gleite auf Zehenspitzen zu ihr, umarme sie von hinten und flüstere ihr ins Ohr, wie gut es riecht. Das gehört zu unseren Ritualen. So wie füreinander und miteinander kochen. Das haben wir auch schon gemacht, bevor wir zusammenkamen, als wir „nur“ befreundet waren.

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Bereits in der Zeit, als sie noch mit ihrem damaligen Freund zusammenwohnte und ich bei ihnen nach langen Nächten mit Bier und Gesprächen übernachtete, stand sie mit mir auf. Sie mochte es, für mich Kaffee aufzusetzen und bot mir ebenfalls an, was sie als erstes Mahl des Tages zu sich nahm: mal Champignonpfanne, mal Linsensuppe, mal die Kichererbsen, denen ich heute nicht mehr widerstehen kann. Damals war mir das um 7 Uhr morgens alles zu heftig. Aber offensichtlich kann sich die Geschmackswahrnehmung ändern, so wie sich menschliche Beziehungen ändern können.

Als wir in jener Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg zum allerersten Mal zusammen kochten, spürte ich auch zum ersten Mal Gefühle für sie, die ich nicht einordnen konnte. Schweigend schnippelten wir Gemüse nebeneinander. Unsere Arme berührten sich ab und zu ungewollt, und plötzlich überkam mich eine große Ruhe, sowie eine außergewöhnliche Vertrautheit. Die vegane Version der argentinischen Empanadas – traditionell mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen – gelang uns an diesem Abend sehr gut.

Danach kochten wir häufig zusammen und probierten viele Gerichte aus. Als sie nach Leipzig zog, dachte ich, dass ich unser gemeinsames Kochen vermissen würde, ohne zu ahnen, dass aus dieser Freundschaft die erste Fernbeziehung meines Lebens werden würde.

Auch sie hat unsere ersten Empanadas noch in Erinnerung. Doch aus meinem kulinarischen Repertoire bevorzugt sie heute andere Rezepte, vielleicht, weil ich diese nur für sie koche und sie einen Moment der Intimität, wie es unser Frühstück ist, hervorrufen. Als Beispiel: rote Bohnen mexikanischer Art mit selbst gemachtem Tofu-Bacon. Oder spanische vegane Tortillas mit Kurkuma und Kichererbsenmehl als Ei-Ersatz, von denen sie sagt, dass sie fast wie die echten schmecken.

Wenn wir nicht zum Bahnhof rennen müssen, gibt es manchmal auch vegane Pancakes. Mit den Bohnen und den Kichererbsen wechseln wir uns ab. Meist kocht diejenige, die zu Hause bleibt für diejenige, die zurückfährt. Diese eilt währenddessen durch das Haus mit einer Kaffeetasse in der Hand und sammelt noch ihre Sachen zusammen oder packt ihren Rucksack. Manchmal läuft das Radio im Hintergrund, manchmal kommt die Musik vom Plattenspieler.

Auch wenn die Kichererbsen an diesem kalten Morgen wunderbar schmecken, bin ich wie immer etwas traurig, bevor wir uns verabschieden. An allem ist der Kapitalismus schuld, stellen wir fest und lachen. Auch daran, dass es Montag ist und ich so früh arbeiten gehen muss. Viel lieber würde ich nach dem Frühstück zurück mit ihr ins Bett gehen und bei ihrer Wärme bleiben, mit der Katze, die zu unseren Füßen schläft.

Aber ich nehme meine Kräfte zusammen und mache mich auf den Weg. Für die einstündige Zugfahrt drückt sie mir ein mit Herzchen dekoriertes Essenspäckchen in die Hand. Für den Fall, dass ich gleich wieder Hunger habe.

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