Regierungskrise in Spanien: Solidarität mit Sánchez

Infolge einer Rechtsextremen Kampagne und zweifelhaften Ermittlungen gegen die Ehefrau des spanischen Ministerpräsidenten Sánchez denkt dieser über einen Rücktritt nach. Und erfährt eine Welle der Solidarität.

Menschenmenge in Form eines großen "X"

Anhänger des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez versammeln sich während einer Demonstration vor der Parteizentrale der PSOE Foto: A. Pérez Meca/dpa

MADRID taz | „Pedro bleib!“ – „Du bist nicht alleine“ – hallte es immer wieder durch die Straße Ferraz in Madrids Innenstadt, wo der Sitz der Sozialistischen Spanischen Arbeiterpartei (PSOE) liegt. Drinnen tagte der Kleine Parteitag – ohne den Vorsitzenden, Pedro Sánchez. Dieser hatte am vergangenen Mittwoch eine fünftägige Auszeit genommen. Er wolle nachdenken „ob sich das alles lohnt“, nachdem eine ultrarechte Vereinigung mit einer Anzeige gegen seine Frau Begoña Gómez „wegen Einflussnahme und Korruption“ und ein Richter in der Hauptstadt die Ermittlungen aufnahm. Die Anzeige stützt sich auf Artikel aus dem Internet, allesamt aus Medien, die für ihre Fakenews bekannt sind.

Die Staatsanwaltschaft forderte mittlerweile die Einstellung der Ermittlungen. Doch der Richter macht weiter und nimmt gar eine erneute Anzeige von zwei weiteren rechtsextremen Organisationen an. Die rechte Opposition der Partido Popular (PP) und die ultrarechte VOX machen sich die Verdächtigungen zu eigen. Sie fordern den Rücktritt von Sánchez. Dieser will am Montag seine Entscheidung bekannt geben.

„Ich hoffe, dass er bleibt“, sagt Mercedes Sánchez mit besorgter Stimme – „Sánchez, aber nicht mit dem Regierungspräsidenten verwandt“, fügt sie grinsend hinzu. Die 50-jährige Hausfrau aus einem Vorort Madrids ist eine von über zehntausend Menschen, die gekommen sind, um dem spanischen Ministerpräsidenten ihre Solidarität zu bezeugen. Sie hat ihre beiden Kinder mitgebracht. Die drei schwenken die rote Fahne der Partei. Sie warten auf die Eltern, bzw. Großeltern, die von der Mittelmeerküste im von der PSOE gecharterten Bus in die Hauptstadt kommen. „Die Rechte will an die Macht, koste es, was es wolle. Sie spaltet dabei das Land und sät Hass“, sagt die Frau, die seit 15 Jahren PSOE-Mitglied ist.

Die Menge ruft „¡No pasarán!“ – das Motto derer, die im Bürgerkrieg in den 1930er-Jahren die Republik gegen den Putsch der Faschisten unter General Francisco Franco verteidigten. PSOE-Fahnen, Fahnen verschiedener Regionen, die des aktuellen monarchistischen Spaniens und die der Republik wehen ebenso wie die Regenbogenfahne im kalten Wind aus den Bergen.

„Er muss einfach weitermachen“, sagt auch Mario Montero. Der 24-jährige Angestellte in einer Beraterfirma aus einem der Arbeiterstadtteile der Hauptstadt ist seit acht Jahren Mitglied erst der Parteijugend und dann der PSOE selbst. Er redet von „Lawfare“ – einem Putschversuch mittels der Justiz. „Schau nach Portugal, dort hat es die Rechte auch so gemacht“, sagt er. Der dortige sozialistische Ministerpräsident Antonio Costa legte vergangenen Herbst sein Amt nieder, als sein Name in Korruptionsermittlungen auftauchte. Die Justiz musste kurz darauf eingestehen, dass es sich um einen Fehler bei der Abschrift eines abgehörten Telefongespräches handelte. Der Schaden war angerichtet. Die Rechte gewann die vorgezogenen Neuwahlen vor wenigen Wochen.

„Genau das wollen sie hier auch erreichen“, ist sich Montero sicher. Er hofft, dass „Pedro bleibt, um das fortschrittliche Spanien weiterhin zu repräsentieren“. „Ich denke, er wird am Montag eine Vertrauensfrage im Parlament ankündigen“, sagt Montero. Dabei bräuchte Sánchez, der in Minderheit regiert, einmal mehr die Stimmen der Nationalisten aus Galicien, dem Baskenland und Katalonien, sowie die der gesamten Linken außerhalb der PSOE.

Die Reden auf dem Kleinen Parteitag wurden nach draußen übertragen. Allen gemein war der Aufruf an Sánchez weiterzumachen. Die meisten Emotionen schürte wohl der Vorsitzende der Sozialisten im Baskenland, Eneko Andueza, der an die Opfer der Franco-Diktatur erinnerte. „Pedro, du musst an all jene Sozialisten denken, die in den Straßengräben oder an den Mauern der Friedhöfe starben, an all die Menschen, die das Exil erleiden mussten, die Repression und das Gefängnis“, rief er unter tosendem Beifall. Es gehe darum, das „Spanien der Gleichheit, der Rechte, der Aussöhnung“ gegen „die schlimmste Rechte, die es gibt“ zu verteidigen. „Pedro ¡quédate!“ – „Pedro bleib!“ antwortete die Menge.

„Pedro steht für das Spanien, wie es mehrheitlich ist, vielfältig und fortschrittlich“, sagt Antonio Franco. Der 70-jährige pensionierte Grundschullehrer ist in einem der vier Busse aus dem südspanischen Granada angereist. „Ermüdend, aber es ist es wert“, sagt er. Moreno hat er auf den letzten Metern zur Kundgebung kennengelernt.

Zwischen Rede und Rede tauschen Montero und Franco ihre Erfahrungen darüber aus, was Spanien droht, sollte die Rechte an die Regierung kommen. Sowohl in der Region Madrid, als auch in Andalusien ist dies der Fall. Erst mit VOX, jetzt regiert die PP alleine. An der Politik gegen alles, was nach sozialem Fortschritt, Feminismus oder LGTBI klingt, hat sich wenig geändert. Die PP ist mittlerweile nur wenig von der rechtsextremen VOX entfernt, mit der sie seit vergangenen Sommer in rund 130 Städten und fünf Regionen gemeinsam regiert. „Das wollen wir für die Regierung Spaniens auf keinen Fall“, sprechen die beiden aus. Die Rechte wolle einfach nicht akzeptieren, was eine Mehrheit der Menschen unterschiedlichster politischer Herkunft in Spanien gewählt haben.

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