Arbeitskampf bei Lieferdiensten: Beharrlichkeit zahlt sich aus

Die Angestellten von Lieferdiensten wie Gorillas und Lieferando kämpfen für Ar­bei­te­r*in­nen­rech­te. Auch ohne gewerkschaftliche Unterstützung.

Was geht? Streikender Fahrer bei einer Arbeitsniederlegung im August 2023 Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Auch nach dem Rückzug von Getir und Gorillas aus dem deutschen Markt Ende vergangener Woche – und damit dem faktischen Ende von Supermarkt-Lieferdiensten – bleibt die Lage von Ku­rier­fah­re­r*in­nen prekär. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rider von Wolt, Lieferando, und zuvor auch von Gorillas und Getir, mit ihren beharrlichen Arbeitskämpfen einiges erreicht haben.

Als das Berliner Start-Up Gorillas vor vier Jahren antrat, dauerte es nicht lange, bis das von Investoren gehypte Unternehmen mit schlechten Arbeitsbedingungen in die Kritik geriet. Mangelhafte Ausstattung mit wetterfester Arbeitskleidung und verkehrstauglichen Fahrrädern, zu schwere Rucksäcke, ausbleibende Zahlungen, prekärer Lohn, Vertragsbrüche – die Vorwürfe der Rider nahmen kein Ende.

Die zumeist migrantischen Ku­rier­fah­re­r*in­nen waren zwar nicht gewerkschaftlich organisiert. Auch, weil sie sich von den DGB-Gewerkschaften nicht repräsentiert fühlten, die anfangs auch wenig Interesse an der Organisation der verstreut operierenden Fah­re­r*in­nen zeigten. Gefallen ließen sich die Rider die Verstöße aber dennoch nicht: Immer wieder protestierten sie gegen ihre prekären Arbeitsbedingungen; im Herbst 2021 sorgten sie mit einem viertägigen wilden Streik in Berlin bundesweit für Aufsehen. In Deutschland sind politische und verbandsfreie Streiks verboten.

Bei Lieferando werden die Fahrer mittlerweile fest und unbefristet angestellt

Deutschland hat damit eines der restriktivsten Streikrechte Europas. Das bekamen auch die Rider zu spüren: Rund 350 von ihnen wurden wegen des Streiks entlassen. Alle juristischen Klagen dagegen halfen nichts. Die Rider ließen sich dennoch nicht unterkriegen. Zum einen kämpfen sie weiter dafür, dass jeder Lieferdienst einen Betriebsrat bekommt – und ziehen dafür unermüdlich vor Gericht. Dabei lassen sie sich auch von dem massiven Union Busting nicht abschrecken.

Einen Betriebsrat hat bislang allerdings nur Lieferando, dort werden die Fahrer mittlerweile auch fest und unbefristet angestellt. Ein Erfolg der kämpferischen Rider, auf dem diese sich allerdings nicht ausruhen (können). Denn immer wieder versucht der Bringdienst mit Tricksereien wie Probezeitregelungen, Ar­beit­e­r*in­nen­rech­te zu umgehen.

Lohnprellerei bei Subunternehmen

Doch nicht nur bei ihrem eigenen Unternehmen setzen sich die Rider ein: Egal, welcher Lieferdienst gerade mal wieder vor Gericht steht, zur Unterstützung kommen immer die Ku­rie­r*in­nen aller Anbieter und zeigen ihre Solidarität. Zuletzt etwa bei Wolt, das sich mit einem System aus Subunternehmen aus der Verantwortung zieht und das sich für deren Lohnprellerei nicht zuständig sieht.

Was die Rider neben ihren täglichen Kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen vor allem aber geschafft haben, ist, eine Debatte über das veraltete deutsche Streikrecht anzufachen. Das Thema ist mittlerweile auch bei den großen Gewerkschaften angekommen, bei der Bildungsgewerkschaft GEW hat sich sogar eine Kampagne für ein umfassendes Streikrecht gegründet.

Wie wichtig die Frage des politischen Streiks ist, hat sich nicht zuletzt beim Streik von Verdi und Fridays for Future für das Klima gezeigt. Ein Thema, das sich – ebenso wie die Benachteiligung von Frauen* – nicht mit Tarifverträgen aus der Welt schaffen lässt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.