Kommunalwahlen in England: Viele rote Schäfchen in England

Bei den englischen Kommunalwahlen zeichnet sich ein Vorsprung für die Labourpartei ab. Der Gaza-Krieg hat Einfluss.

Politiker mit Ehefrau und Kind vor der Presse.

Gewann die Nachwahl in Blackpool Süd für Labour: Chris Webb mit Ehefrau Portia und Kind am 3. Mai Foto: Phil Noble/reuters

Letzte Aktualisierung: 16.30 Uhr

LONDON taz | Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt und noch nicht alle Ergebnisse stehen fest, aber in zahlreichen Regionen Englands konnten englische Anhänger der Labourpartei am Ende eines langen Tages beim Einschlafen rote Schäfchen zählen. Die Ergebnisse und vor allem die Stimmengewinne der britischen Arbeiterpartei bei englischen Kommunalwahlen am Donnerstag waren nämlich bisher sehr klar und eindeutig. Die Labourpartei scheint weiter auf Siegeskurs.

Zu den Städten und Kommunen, welche Labour seit Donnerstag für sich beanspruchen kann, gehören auch während der Brexitjahre an die Tories verloren gegangene Wahlkreise, etwa in Hartlepool im Nordosten, und Thurrock im Südosten des Landes. Labour gewann außerdem die Mehrheit im westenglischen Redditch, wo die Konservativen elf Sitze verloren, und Labour zehn dazu gewann. In Rushmoor, einer bisher immer konservativ ausgerichteten Stadt im englischen Hampshire, 60 Kilometer südwestlich von London, gewann Labour zum allerersten Mal die Mehrheit des dortigen Stadtrates.

Termin für Unterhauswahlen gefordert

Besonders augenfällig war der Gewinn des südlichen Teils der nordwestenglischen Küstenstadt Blackpool, den bei der parlamentarischen Nachwahl Labours Chris Webb einfuhr. Die 10.825 für ihn abgegebenen Stimmen sind eine deutliche Mehrheit von 58,7 Prozent und satte 20,4 Prozent mehr als 2019. Auf dem zweiten Platz lagen die Tories mit 17,4 Prozent und einem Minus von 32,2 Prozent im Vergleich zu 2019. Dann folgte die die einst von Nigel Farage mitgegründete rechte Reform-Partei. Ihr Kandidat wurde mit 16,8 Prozent der Stimmen dritter. Andernorts wartet die Partei jedoch noch auf Erfolge, die sich eventuell im Laufe des Wochenendes zeigen könnten – bisher blieben sie allerdings aus.

Chris Webb, der vor zwölf Wochen Vater wurde und sich später mit seiner Frau und seinem Baby zeigte, bezeichnete seinen Sieg als historisch. Das starke Ergebnis der Labourpartei repräsentiere den Willen Großbritanniens, so Webb. „Die Arbeiterpartei steht wieder stark im Dienst arbeitender Menschen“, behauptete er.

Und forderte, dass der britische Premierminister einen Termin für die Nationalwahlen, also die Wahlen zum britischen Unterhaus festlegen solle, was später in einer Ansprache auch Labourchef Starmer wiederholte. Die Nachwahl in Blackpool ist die elfte von insgesamt 15 Nachwahlen seit 2019, welche die Konservativen verloren haben. Labour hat nun fünf Nachwahlsiege mit über 20 Prozent erreicht. Das ist für jene die gerne politische Vergleiche anstellen, eine Nachwahl mehr als Tony Blair vor seinem Sieg im Jahr 1997.

Nahostkonflikt im englischen Kommunalwahlkampf

Doch es gibt durchaus auch Enttäuschungen für Labour. So konnte die Partei trotz der Anstrengung von Oppositionsführer Keir Starmer, der noch am Mittwoch durch den Wahlkreis lief, um für sich zu werben, und eines Plus von fünf Sitzen nicht den Stadtwahlkreis Harlow nördlich von London für sich entscheiden. Am Ende fehlte dazu genau ein Sitz.

Die Ergebnisse aus der nordenglischen Stadt Oldham zeigen, dass Labour dort, wie es auch in anderen Orten mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil erwartet wird, ihre Mehrheit gegen unabhängigen Kan­di­da­t:in­nen verloren.

Während in Oldham zwei Labour-Kandidat:innen einen Monat vor den Wahlen wegen der Haltung ihrer Partei zu Gaza aus der Labourpartei austraten, schlossen die Tories zwei ihrer Kan­di­da­t:in­nen aus der Partei, weil diese an pro-palästinensischen Protesten teilgenommen hatten. Im Oldham Bezirk Werneth, wo 75 PRozent der Menschen Muslime sind, gewann Nyla Ibrahim, eine der beiden aus der Labourpartei ausgetretenen Kandidat:innen.

Die Grünen scheinen bei der Wahl in verschiedenen Regionen zugelegt zu haben, doch ob sie wie erhofft die Mehrheit in Bristol gewinnen, wird sich in den nächsten Stunden noch herausstellen.

Schlechtestes Ergebnis seit 40 Jahren

Die Schlagzeile im rechten Daily Telegraph am Freitagmorgen verwies klar auf den britischen Premierminister: „Sunaks Zukunft in Gefahr, angesichts des schlechtesten Wahlergebnis für die Konservativen in 30 Jahren!“ Die Times ging in ihrer Schlagzeile sogar noch weiter, und bezeichnete den Ausgang der Wahl am Donnerstag als das schlimmste Ergebnis in 40 Jahren.

Und das war noch nicht mal ihre eigene Einschätzung, sondern die des renommierten Wahlexperten Professor John Curtice, der dieses Urteil in der Wahlübertragung der BBC abgegeben hatte und das Ergebnis nahezu katastrophal für die Tories bezeichnete. Wie die konservative Partei auf weitere schwere Verluste reagieren wird, bleibt abzuwarten, aber, dass die Zukunft Sunaks durchaus gefährdet sein könnte, ist keineswegs übertrieben.

Der konservative Parteivorsitzende Richard Holden hingegen verteidigte Sunak in verschiedenen Interviews am Freitagmorgen gegen die britischen Presse. Sunak sei weiterhin der richtige Mann für die Partei und werde die Tories in die bevorstehenden Unterhauswahlen führen. Es sei „game on“ und nicht „game over.“ Sunak selber verwies auf die noch folgenden Ergebnisse.

Diese, unter anderem von den Bürgermeisterwahlen in Manchester und London, werden im Laufe des Wochenendes erwartet.

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