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Wahlen in BolivienDer Traum ist aus

Katharina Wojczenko
Kommentar von Katharina Wojczenko

Durch Misswirtschaft hat sich Boliviens Linke selbst zerstört. Dass sie es nicht in die Stichwahl schafft, hat sie sich selbst zuzuschreiben.

Entre Rios, Cochabamba, Bolivien, 17. August: eine Frau sucht ihren Namen auf der Wahlliste Foto: August Marcarian/reuters

D ie Bo­li­via­ne­r*in­nen haben die langjährige linke Regierungspartei abgewatscht. Egal ob der Christdemokrat Rodrigo Paz oder der Rechtskonservative Jorge „Tuto“ Quiroga, jahrzehntelanger Gegner der linken Partei MAS, die Präsidentschaftswahl am Ende gewinnt: Es ist vorbei mit mehr als 20 Jahren Herrschaft der „Bewegung für den Sozialismus“.

Es war ein schöner Traum. Raus aus der Armut, raus aus dem Rassismus, als Land unabhängig sein. Denen eine Stimme geben, die so lange verachtet wurden: den Indigenen, den Menschen vom Land, den Bauern und Bäuerinnen und den Armen. Eine Weile ging der Traum auf, dem Boom beim Gaspreis sei dank.

Vielleicht ist die Partei an ihrem eigenen Erfolg erstickt. An ihren Zwei-Drittel-Mehrheiten, mit denen sie durchregierte und die Justiz immer mehr zu ihrem Werkzeug machte. An ihrem Gründer Evo Morales, der erste indigene Präsident Boliviens, dessen autoritäre Züge immer deutlicher wurden. Der einfach immer weiter Präsident bleiben wollte, die Verfassung dafür mit Hilfe der gleichgeschalteten Justiz nach Gusto umbaute. Und dann die komplette Selbstzerfleischung der Partei, weil Morales keine weiteren oder neuen Götter neben sich duldete.

Es ist verständlich, dass die Bo­li­via­ne­r:in­nen die Partei für den katastrophalen Zustand ihres Landes verantwortlich machen, für die schlimmste Krise in 40 Jahren. Wen denn sonst, bei 20 Jahren Dominanz?

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Die war der Nährboden für Korruption und Misswirtschaft. Parteizugehörigkeit zählte natürlich mehr als Qualifikation. Die Staatsbetriebe waren Millionengräber. Die Sozialprogramme waren nicht nachhaltig. 80 Prozent der Bo­li­via­ne­r*in­nen arbeiten heute im informellen Sektor, in der brutalsten Form des Kapitalismus, ohne jegliche soziale Absicherung.

Der sogenannte Sozialismus ist in Wahrheit schon lange krasser Neoliberalismus. Der Staat ist, in all seiner bunten multinationalen Symbolik, komplett auf Naturausbeutung ausgerichtet – von den Rohstoffen bis hin zur Landwirtschaft. Davon profitierten die alten und neuen Eliten – auf Kosten derer, die den Traum einst träumten: Indigene und Landbevölkerung, deren Wälder für Sojafelder abgebrannt wurden, durch deren Land Straßen gebaut wurden, deren Flüsse und Böden vom Goldabbau vergiftet wurden. Auf die Idee, neue, nachhaltige Wirtschaftszweige aufzubauen, die Wirtschaft zu diversifizieren, kam die sozialistische Langzeitregierung nicht.

Das Bittere ist: Nur weil Indigene Frauen heute Ministerämter ausüben können, ist der Rassismus nicht vorbei. Und daran, dass Naturausbeutung Boliviens Zukunft ist, glauben nicht nur die Linken in Bolivien.

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Katharina Wojczenko
Freie Korrespondentin
stammt aus dem Bayerischen Wald und berichtet seit 2017 überwiegend aus Kolumbien. Sie ist Mitglied des Reporterinnen-Teams von #tazFolgtDemWasser und Mitgründerin des Magazins „Südamerika+Reporterinnen“ auf der genossenschaftlichen Journalismus-Plattform-„RiffReporter“.
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55 Kommentare

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  • Ich glaube, das war gar kein richtiger Sozialismus.



    Sozialistische Länder sind die mit einer egalitären Gesellschaft, mit hoher sozialer Sicherheit, wo die Menschen einen gerechten Lohn für ihre Arbeit kriegen. Wie zum Beispiel ... schade, dass mir gerade kein Beispiel einfällt.

    • @Frank Naumann:

      Ich denke eine "egalitäre Gesellschaft" ist eine Utopie - darum gibt es auch kein Land das eine solche hat.

      • @Tom Tailor:

        Ups ? Island & die Skandinavischen Länder...

        • @Alex_der_Wunderer:

          Dort ist die Gesellschaft auch nicht egalitär. Denn eine solche zeichnet sich dadurch aus, dass alle Menschen gleich viel Einfluss und Einkommen haben, es keinen Reichtum für Einzelne gibt oder dominierende Unternehmen die den Markt beeinflussen.

  • Wann werden die Theoretiker und Moralisten endlich erkennen, dass es den zum Sozialismus notwendigen Menschen nicht gibt und nicht geben kann, weil er sonst vor zigtausend Jahren bereits ausgestorben wäre?

    Mehr als eine Eindämmung der Auswüchse der Ungerechtigkeiten im Kapitalismus werden wir wohl nicht hinbekommen.

    Immerhin: in modernen, kapitalistischen Gesellschaften geht es der Unterschicht in der Regel besser als der Mittelschicht im Sozialismus. Das sollte zu denken geben, was die Ansätze zu mehr Gerechtigkeit sein können. In der Praxis, nicht der hehren Theorie.

    • @Hungerboomer:

      „Mehr als eine Eindämmung der Auswüchse der Ungerechtigkeiten im Kapitalismus werden wir wohl nicht hinbekommen.“



      Ich denke, in den Ohren der 70% der indigenen Landbevölkerung im bolivianischen Hochland, die dort unter bedrückender sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeit leiden, müssen sich solche Worte wie Hohn anhören. Für eine kleine bolivianische Mittelschicht in den Städten inklusive des akademischen Milieus hingegen mögen die Gefahren des Demokratieabbaus, des Autoritarismus, abnehmenden Wohlstands und wirtschaftlichen Restriktionen sehr wohl eine Rolle spielen. Und die winzige bolivianische Geld-Elite verfolgt möglicherweise noch ganz andere politische Ziele. Ein lateinamerikanisches Dilemma.



      Ich bin immer dafür, Fragen von Kapitalismus und sozialer Gerechtigkeit am konkreten Beispiel zu diskutieren und dabei auch mal über den nationalen/europäischen Tellerrand hinauszuschauen … dabei ergeben sich oft ganz andere Perspektiven.

  • Also das übliche, erst nette Sprüche, dann wird es recht schnell autoritär und am Ende war es einfach wieder nicht der richtige Sozialismus.

    • @Mendou:

      Bolivien war und ist kein sozialistischer Staat, sondern wurde lediglich von einer sozialistischen Partei regiert - und die hat gerade auf denkbar wenig autoritäre Art die Macht verloren: durch demokratische Wahlen. Was also ist Ihr Problem?

    • @Mendou:

      War er auch nicht, weil richtiger Sozialismus im 21. Jahrhundert die Achtung der Menschenrechte, sowie den Naturschutz benötigt, um zu funktionieren.

      Früher war das anders. Autoritär musste eine Staatsform sein. Weil Prügelstrafen, militärischer Drill, etc. ja auch normal war. Dass Menschen dann keine Lust haben, das Plansoll zu erfüllen, kam zwangsweise.

      Rätedemokratie, demokratischer Sozialismus, Anarchie, Antikapitalismus... wurde alles nie ausprobiert. Wird Zeit, das mal zu ändern. Ohne autoritären Bullshit.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Island und die skandinavischen Länder sind uns ja ein gutes Vorbild. Selbstverständlich bedarf es da noch reichlich Bildungsarbeit in unserer deutschen Bevölkerung zu leisten.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Problem: ohne "autoritären Bullshit" wird eine größere Gesellschaft unter den von Ihnen genannten Gesellschaftsformen nicht funktionieren. Der Sozialismus oder Kommunismus ist in einer kleinen Kommune Gleichgesinnter gut abbildbar. Im größeren Maßstab muss man das Volk dafür suchen ;-)

      • @Troll Eulenspiegel:

        "Rätedemokratie, demokratischer Sozialismus, Anarchie, Antikapitalismus... wurde alles nie ausprobiert."

        Zum Glück wurde dies nie ausprobiert. Die Folgen wären gar noch schlimmer als die des Sozialismus. Kommunismus und Sozialismus haben immer nur Verarmung und Elend gebracht. Die einzig vernünftige Gesellschaftsordnung/Wirtschaftsordnung ist mMn die soziale Marktwirtschaft.

        • @Demokrat111:

          Warum ist es denn vernünftig, wenn Reiche ihren Reichtum anhäufen, während der Bürgergeldempfänger zweimal Cents umdrehen muss?

          Warum ist es denn vernünftig, den Lebensraum von Tieren und Indigenen für Rohstoffe unwiederbringlich zu zerstören?

          Warum ist es denn vernünftig, Wohnungen zu rarem Gut zu machen, statt Bedürftige unterzubringen?

  • "Der sogenannte Sozialismus ist in Wahrheit schon lange krasser Neoliberalismus. Der Staat ist, in all seiner bunten multinationalen Symbolik, komplett auf Naturausbeutung ausgerichtet – von den Rohstoffen bis hin zur Landwirtschaft. Davon profitierten die alten und neuen Eliten – auf Kosten derer, die den Traum einst träumten"



    Das ist eine punktgenaue Beschreibung. Aber nicht Boliviens, sondern aller Länder, die jemals eine sozialistische Regierung hatten - und sei es nur, dass die Regierung sich selbst als sozialistisch titulierte.



    Der Sozialismus ist leider, aber tatsächlich, immer noch der Welt den Beweis schuldig, dass er funktioniert.



    Alle die sich daran versuchten, Stichwort im Artikel, "die den Traum einst träumten", landeten am Ende nie wirklich oben an der Macht, stattdessen eben wie es der Artikel benennt immer "alte und neue Eliten", die sich die Idee bzw das Branding Sozialismus vor ihren Karren spannten - aber dann zu ihrem eigenen Profit teils bis zur Unkenntlichkeit umformten.



    Der Sozialismus scheiterte bisher noch jedes Mal an der Gier Einzelner - und ich habe große Zweifel, dass das jemals anders wird.

  • So ein paar Sachen habe ich bei den Bolivianern auch nicht verstanden, wozu z.b. subventioniertes Benzin, damit die Armen ohne Auto sich das Feuerzeug füllen können?

    • Katharina Wojczenko , Autorin des Artikels, Freie Korrespondentin
      @Axel Schäfer:

      Die Armen profitieren davon, weil die Busse mit subventioniertem Benzin/Diesel fahren und die Transportkosten für Lebensmittel damit bezuschusst werden. Aber ja, das gilt genauso für die Reichen mit den Riesenschlitten und Agrobusiness.

  • Man kann jetzt sagen: Selber schuld liebe Linke. Ihr habt nicht geliefert, darum wählen die Leute jetzt rechts.

    Genauso kann man sagen: Selber schuld liebe BolivianierInnen. Ihr habt rechts gewählt, also wird euer Land jetzt an ein paar Reiche verkauft und ein großer Teil eurer Bevölkerung wird in die Armut und Existenzkrise abrutschen, während Umwelt und sozialer Zusammenhalt komplett zerlegt werden.

    Es ist hinlänglich bekannt, was rechte Regierungen in Südamerika und sonst überall auf der Welt mit den Ländern machen: gesellschaftlich spalten, alles von Wert privatisieren, Armut verschärfen (meist passiv, durch Umverteilung des Reichtums hin zu den großen Vermögen) und die Umwelt dabei opfern.

    Wer das toll findet, kann jetzt natürlich feiern.

    • @TeeTS:

      Und wen oder was hätten die Menschen in Bolivien wählen sollen, wenn sie nur die Wahl zwischen einer auf Ausbeutung fixierten Rechten haben und einer Linken, die "nicht liefert"?

      Ihre Analyse mag richtig sein, sie ist aber auch die eines Menschen, der von der Wahlentscheidung nicht betroffen ist.

      "Vom sicheren Hafen aus, lässt sich trefflich raten!", sagte man früher.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob Formulierungen wie „der Traum ist aus“ nicht eher auf eine Fehlwahrnehmung bolivianischer Verhältnisse (und vielleicht insgesamt auf ein problematisches Verständnis linker Politik) schließen lassen. Damit will ich die Verdienste des MAS nicht schmälern – sowohl die Verfassungsreform als auch Armutsbekämpfung waren wichtige Schritte. Man sollte damit aber keine Heilserwartung verbinden: in Bolivien wurde eine sozialdemokratische Regierung abgewählt, die nach 20 Jahren an der Macht zerstritten und von einer Wirtschaftskrise überfordert war. Eine demokratische Linke muss damit leben, dass sie auch Wahlen verliert. Das ist ein Anlass zum Nachdenken, aber nicht zur Verzweiflung.

    • @O.F.:

      "... in Bolivien wurde eine sozialdemokratische Regierung abgewählt,..."



      Sozialdemokratisch?



      "... und die Justiz immer mehr zu ihrem Werkzeug machte. An ihrem Gründer Evo Morales, der erste indigene Präsident Boliviens, dessen autoritäre Züge immer deutlicher wurden. Der einfach immer weiter Präsident bleiben wollte, die Verfassung dafür mit Hilfe der gleichgeschalteten Justiz nach Gusto umbaute."



      Klingt doch eher nach Ortega, Chavez und Maduro als nach Willy Brandt oder Olof Palme.

      • @Schalamow:

        Das MAS ist eine Sozialdemokratische Partei, die sich vor allem dadurch profiliert hat, die Gewinne aus dem Gashandel in Sozialprogramme umzuleiten. Dass Morales die Amtszeitbegrenzung umgangen hat, war sicher kein guter Zug: aber er hat damit nur einen weiteren Wahlantritt ermöglicht, nicht den. Ausgang der Wahlen festgelegt. Die Sozialistenfresser-Attituede ist hier also fehl am Platze.

        • @O.F.:

          Sie können dasselbe natürlich noch ein drittes Mal behaupten, es wird dadurch aber nicht wahrer. Die MAS ist nicht Mitglied der Sozailistischen Internationale, sieht sich offenbar auch nicht als solche.



          Auf die Mittel, die Morales angewandt hat, sind Sie ja bezeichnenderweise nicht eingegangen. Aber eine sozialdemokratische Regierung, die versucht hätte, mittels einer gleichgeschalteten Justiz den Staat umzubauen, ist mir nicht bekannt. Ein Referendum, in dem seine Wiederwahlpläne abgelehnt wurde, hat Morales ignoriert, und es war die OAS, die ihm 2019 Wahlmanipulation vorwarf.



          Aber das Schönreden und Verharmlosen linker Diktaturen hat ja auch eine mehr als hundertjährige Tradition.

          • @Schalamow:

            Man muss kein Mitglied der Sozialistischen Internationale sein, um sozialdemokratische Politik zu machen. Dass Parteien nach allzu langer Herrschaft den Staat als Privateigentum betrachten, ist kein bolivianisches Unikum, aber weder war der Staat „gleichgeschaltet“ (was Sie etwa an oppositionellen Provinzregierungen und am Haftbefehl gegen Morales sehen können), noch eine Diktatur (zum gefühlt 100. Mal: das MAS ist durch Wahlen an die Macht gekommen und wurde durch eine eben solche gestürzt). Die Vorwürfe einer Wahlfälschung 2019 wurden ebenfalls nie belegt und die Ereignisse danach sprechen auch dagegen. Niemand zwingt Sie, das MAS zu unterstützen, es wäre aber wünschenswert, wenn man bei den Fakten bleibt, statt Bolivien durch die Linse abgeschmackter Feindbilder zu betrachten.

  • "Der Traum ist aus"



    Seh' ich nicht so. Ein wesentliches Merkmal aller bisherigen "Sozialismusversuche" ist, dass es, wenn es nicht allen gut geht, wenigstens (fast) allen gleichmäßig schlecht geht. Also Ziel fast erreicht, zumindest ist mir kein anderes Modell bekannt.

  • Ich finde den Artikel gut. Nur würde ich einen Punkt staerker betonen bezüglich:

    "Auf die Idee, neue, nachhaltige Wirtschaftszweige aufzubauen, die Wirtschaft zu diversifizieren, kam die sozialistische Langzeitregierung nicht."

    Natürlich hatten sie die Idee. Es ist nur einfach verdammt extrem sehr schwierig das in der realen Welt umzusetzen. Rohstoffabbau und Aufbau neuer Kompetenzen müssen wohl länger nebeneinander laufen. Auch wenn man vieles richtig macht, ist der Aufbau neuer Kapazitäten ein langfristiger Prozess. Selbst eine theoretisch erdachte optimale Regierung wird vermutlich nicht die Lebensart von den 100 Aymara schuetzen koennen, die zufaellig in der Naehe von viel Lithium wohnen.



    Australien und Kanada exportieren ja auch Rohstoffe und sind als Staat ziemlich gut organisiert.



    Dann gibt es natürlich die zerstörerische Wirkung von zu viel Macht, die wir bei Trump, Morales und auch Merkel beobachten können. Les gerade das Buch des linken Argentiniers Martin Sivak, der sehr lange mit den MAS verbunden war. Echt interessant.

  • "Korruption, Misswirtschaft und Parteizugehörigkeit statt Qualifikation".

    Die Linke zerlegt sich wieder mal selbst. Warum sollten die Menschen auch eine schlechte Kopie wählen anstatt das Original? Ob hier oder in Südamerika.

    • @BrendanB:

      Parteizugehörigkeit statt Qualifikation zählt auch in unserer aktuellen Bundesregierung. Misswirtschaft ist dann nur eine Folge, Korruption ebenfalls. Wo liegt also der Fehler?

      • @Minion68:

        Wie ich sehr deutlich schrieb:

        "Warum sollten die Menschen auch eine schlechte Kopie wählen anstatt das Original?"

        Big Business, Vettern- und Günstlingswirtschaft, Korruption, Kadavergehorsam, Antisemitismus, Ideologie vor Sachargumenten - von den Rechten bis Rechtsextremen erwartet niemand ernsthaft etwas anderes.

        Von denjenigen, die sich "Links" nennen, hingegen schon. Wenn sich "Linke" Parteien mit o.g. Attributen selbst zerlegen, wählen Menschen eben lieber das Original. Was ist daran so schwer zu verstehen?

        • @BrendanB:

          Ich würde mal sagen, der Fehler liegt schlicht und ergreifend im Machtmissbrauch. Macht korrumpiert. Da ist die politische Ausrichtung letztlich egal.

    • @BrendanB:

      Nicht nur die Linke. Ich hätte da ein super-Beispiel auf Seiten der Milei-Klatscher, aber ich halte da meine Klappe.

      • @Axel Janssen:

        Es geht hier aber nun mal um die Linke. Von denen erwartet man das genaue Gegenteil. Von Rechten und Libertären eher nicht.

  • "Der sogenannte Sozialismus ist in Wahrheit schon lange krasser Neoliberalismus."

    Es ist wohl das größte Klischee, dass nach jedem Scheitern des Sozialismus die Sozialisten sagen: Das war kein Sozialismus! Stimmt sogar auch fast immer. Es scheint fast so, als sei es im Sozialismus unausweichlich, dass dieser zu einem autoritären, korrupten, geradezu faschistischen Unrechtsstaat degeneriert.

    • @mm83:

      Nun gibt es an der Regierungstätigkeit des MAS in den letzten Jahren sicher einiges zu kritisieren, aber die Vorstellung, Bolivien wäre „zu einem autoritären, korrupten, geradezu faschistischen Unrechtsstaat degeneriert“ ist denkbar realitätsfern. Man kann über die Erfolge und Misserfolge bolivianischer Politik diskutieren, ohne die Phraseologie des Kalten Krieges auszupacken. Hier wurde eine sozialdemokratische Regierung, die auf demokratischem Wege ins Amt gekommen ist, auf eben solchem wieder abgewählt. Das soll sogar in Europa ab und an passieren…

  • Gibt es denn von irgendwann und/oder irgendwoher ein Beispiel, dass sozialistische Politik prosperierende Wirtschaft provozierte? Wie lange sozialistische Experimente währen hängt ab a) vom vorhandenen Wohlstand, der aufgezehrt werden kann; b) von der Duldsamkeit der Bevölkerung; c) von der Brutalität des Regimes.

    • @Holger Westermann:

      Naja, wenn ich so überlege, gibt es Ansätze für eine wirklich soziale Gesellschaft. Ich schreibe hier auch bewusst 'sozial' statt 'sozialistisch'. Sozial ist z.B. das Urchristentum, denn dort stand der Gedanke der Solidarität an oberster Stelle. Materieller Reichtum dagegen war nicht das große Ziel im Leben, ganz im Gegensatz zum Kapitalismus. Deswegen war das Urchristentum nach kapitalistischen Maßstäben wirtschaftlich auch nicht erfolgreich, nach sozialen Maßstäben jedoch schon.



      Es ging ja soweit, dass Kaiser Konstantin das Christentum förderte und Privilegien für Kleriker einführte. Das führte letztlich dazu, dass das Christentum zur Staatsreligion aufstieg, mit allen bekannten Begleiterscheinungen wie Machtmissbrauch, Intoleranz etc.



      Echter Sozialismus ist wohl bis auf weiteres nur eine Wunschvorstellung.

    • @Holger Westermann:

      Beispiele sind China und Vietnam.

      • @Axel Janssen:

        China hat eine kommunistische Herrschaftsform, aber eine kapitalistische Wirtschaft.

      • @Axel Janssen:

        Richtig, nur haben gerade diese zwei Länder ihre Wirtschaft von staatlichen Planungen weitgehend befreit und lassen diese nun wie in westlichen Ländern frei prosperieren. Was die individuellen Freiheitsrechte der einzelnen Person betrifft herrscht dagegen strengste Kontrolle und Sanktion…also irgendwie ist das mit diesem sogenannten Sozialismus immer eine ziemlich unausgegorene Sache, für mich ist dieser Begriff daher längst verbrannt.

      • @Axel Janssen:

        Ach, was genau ist denn an Chinas und Vietnams Politik sozialistisch?

      • @Axel Janssen:

        Insbesondere das Chinesische Modell wird hier immer wieder hochgejubelt, doch es eskaliert lediglich das auch hierzulande bekannte Phänomen: Weniger Kinder = weniger Kosten für Kinderdienstleistungen (Schule, Ausbildung, Studium, Wohnungsbau) - aber auch weniger Dynamik in der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung. China wird alt bevor die Bevölkerung reich geworden ist. Derzeit profitieren sie davon, dass viele Berufstätige für nur wenige Kinder Dienstleistungen finanzieren müssen. Das kennen wir von der Boomergeneration, die jetzt maximal gut verdient (und darauf Steuern zahlt) aber alsbald aus dem Erwerbsleben ausscheidet und vom Zahler- in den Kreis der Alimentierten wechselt.

        ansonsten, siehe c)

  • Gibt es eine erfolgreiche linke Regierung die ein Land prosperierend für 30-40 Jahre regiert hat? Nur eins?

    • @Franz Tom:

      Großbritannien, 1945-ca. 1979. Es gab in dieser Zeit zwar immer wieder konservative Regierungen, die aber erst mit der Thatcher-Regierung ernsthaft die Wirtschaftsreformen Attlees angefasst haben. Bis dahin waren dort z.B. Schlüsselindustrien verstaatlicht (Kohle, Stahl etc.). Erst gegen Ende entstanden dort ernste Probleme, die aber multifaktoriell waren. Der "Post-War-Consensus" hielt dadurch ziemlich lange und hatte durchaus sozialistische Züge.

      • @Agarack:

        Gab es die "ernsten Probleme" wirklich erst "gegen Ende"? Bestimmte Lebensmittel waren noch lange nach Kriegsende rationiert. Meine Mutter hat in den 50er Jahren dort gearbeitet und erzählte, dass darüber geschimpft wurde, dass in Deutschland das Wirtschaftswunder blühte, während in England, das doch "den Krieg gewonnen habe", so viel rationiert sei.

        Der Niedergang der einst führenden britischen Werft-Industrie begann auch nicht erst Mitte der 1970er Jahre. Da waren die schon alle geschlossen.

        Ich habe Bände mit Karikaturen von Carl Giles, der für den "Daily Express" gezeichnet hat. Und schon in den 60er Jahren werden Stromausfälle, Kohle- und Brotmangel infolge von Streiks immer wieder thematisiert. Ebenso die Unpünktlichkeit der "British Rail", die die heutige Situation in Deutschland vorwegnimmt.

    • @Franz Tom:

      In welchem Demokratischen Land konnte sich denn bitte je eine Regierung 30-40 Jahre an der Macht halten?

  • Leider musste ich mich während meines Lebens immer wieder fragen, in welchem Land der Sozialismus denn überhaupt einmal funktioniert hat. Vielleicht kann mich hier jemand mal etwas aufbauen und mir ein gelungenes Beispiel nennen ? Vorab schon mal vielen Dank dafür :-)

    • @Nicolai Nikitin:

      Hat er nie und wird er auch nicht. Die mantrahaften Erlösungsversprechen, alles was schlecht ist, ginge auf den Kapitalismus zurück und man müsse nur den Sozialismus einführen, dann würde alles gut, ist nichts als eine leere Phrase. Und sie ist schon lange nicht mehr progressiv, eher sogar ewiggestrig. Sonst würde man nicht ständig aus alten theoretischen Werken zitieren müssen.



      In einer globalisierten Welt mit globalen Problemen ist es nahezu religiös zu behaupten, ein nationaler Systemwechsel könne eine demokratische, freie, diverse Gesellschaft erschaffen, die ohne die ganzen Probleme und Häßlichkeiten des real existierenden Sozialismus auskommt.



      Das ist keine Stück ehrlicher und realistischer, als zu behaupten, ein komplett ungezügelter Marktliberalismus könne die Zukunft sein.

    • @Nicolai Nikitin:

      Die Volksrepublik China wird von der KP in Einklang mit den Theorien von Karl Marx geführt. Durchaus erfolgreich, wie man so hört. Ist aber natürlich vielen auch wieder nicht recht. Die Geschichtsforschung wird das in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten besser bewerten können. Das letzte Wort über den Sozialismus ist jedenfalls noch nicht gesprochen.

      • @Egil:

        Ihr Hinweis, China werde „in Einklang mit Marx’ Theorien“ geführt, ist falsch. Zwar beruft sich die KPCh rhetorisch auf den Marxismus, tatsächlich handelt es sich aber um eine stark pragmatische Mischform aus autoritärer Herrschaft, Staatskapitalismus und dirigistisch kontrollierter Marktwirtschaft. Klassische marxistische Ziele wie die Überwindung von Klassenunterschieden oder demokratische Mitbestimmung der Arbeitenden bleiben weitgehend unerfüllt. Die wirtschaftlichen Erfolge Chinas sind unbestreitbar - doch sie beruhen zu großen Teilen auf marktwirtschaftlichen Reformen, Integration in die Weltwirtschaft und einer engen Verflechtung mit globalem Kapitalismus. Diese Realität deutet eher auf ein staatskapitalistisches autoritäres Modell als auf „Sozialismus“ im marxistischen Sinne. Zudem sind die massiven Einschränkungen politischer Freiheit, systematische Repressionen und Menschenrechtsverletzungen Teil dieses Erfolgsmodells. Das ist ein Aspekt, den man nicht einfach ausblenden kann. Die Geschichtsschreibung wird China zweifellos differenziert bewerten, doch Ihre Behauptung, man sehe hier einen „erfolgreichen Marxismus“, ist eindeutig Unsinn.

        • @BrendanB:

          Ich will gar nicht behaupten, dass ich in diesen Belangen besonders kompetent wäre, aber nach allem was ich weiß, spielt Marx im Selbstverständnis der chinesischen Führung durchaus eine wichtige Rolle. Ebenso zeigen zahlreiche chinesische Besucher in Trier regelmäßig großen Respekt für Karl Marx. Ob das alles im Sinne westlicher Linker etwas mit Sozialismus zu tun hat, ist da letztendlich unwesentlich. Fakt ist, daß sich in China ein System entwickelt, dass sich selbst als sozialistisch bezeichnet und durchaus erfolgreich ist. Ob es uns nun gefällt oder nicht.

          • @Egil:

            "Ich will gar nicht behaupten, dass ich in diesen Belangen besonders kompetent wäre, aber nach allem was ich weiß, spielt Marx im Selbstverständnis der chinesischen Führung durchaus eine wichtige Rolle."

            Doch, Sie behaupten diese Kompetenz in Ihrem Kommentar zuvor:

            "Die Volksrepublik China wird von der KP in Einklang mit den Theorien von Karl Marx geführt. erfolgreich, wie man so hört."

            Eine steile Behauptung Ihrerseits, für die Sie jeden Beleg schuldig bleiben.,

            "Ob das alles im Sinne westlicher Linker etwas mit Sozialismus zu tun hat, ist da letztendlich unwesentlich"

            SIE haben behauptet, es sei ein System im Einklang mit Marx - nicht irgendwelche westlichn Linken. Bis auf die Selbstbezeichnung des chinesischen Systems als "kommunistisch" haben Sie jedoch noch keinen Beleg dafür erbracht. Wie sich chinesische Touristen in Trier verhalten ist völlig irrelevant.

      • @Egil:

        China ist das Land mit den meisten Milliardären Weltweit, wie passt das zu einem Land das nach den Theorien von Marx geführt wird ? Der Staat China ist der größte Kapitalist auf diesem Planeten, das System nach Marx brauchen sie nur um die Bevölkerung zu unterdrücken, übrigens das einzige in dem sich der Sozialismus bewährt hat.

      • @Egil:

        China? Das Land mit so vielen Milliardären das nur von den USA übertroffen wird?

  • "Der sogenannte Sozialismus ist in Wahrheit schon lange krasser Neoliberalismus." Diesen Satz werde ich mir merken.

    • @Aurego:

      Immer gegen die Soziale Marktwirtschaft….

      • @Andi S:

        Ja, sowohl Neoliberalismus als auch Sozialismus haben etwas gegen die Soziale Marktwirtschaft.