Walter-Lübcke-Denkmal in Berlin: Ein ungewollter Schutzpatron für die CDU
Das Zentrum für Politische Schönheit stellt ein Walter-Lübcke-Denkmal vor die CDU-Zentrale. Deren Empörung offenbart fehlende Abgrenzung von Rechten.
G ewöhnlich sind es die Links-grün-Versifften, die als die „Dauerempörten“ gelten. Seit vergangenem Dienstagmorgen sind es auch die Konservativen: „Geschmacklos“ und „schäbig“ nannte der Generalsekretär der CDU-Hessen, Leopold Born, die Aktion. „Unanständig und würdelos“ fand sie der osthessische CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand. Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner, bewertete das Vorgehen als „widerlich“ und „in Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten“.
Was sorgte für die CDU-Empörungswelle? Verantwortlich waren die Aktionskünstler*innen des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS). Sie hatten am Dienstagmorgen klammheimlich den „Walter-Lübcke-Memorial Park“ vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin, der Bundeszentrale der CDU, errichtet. Eine Bronzefigur des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten, eine Stele und Bank mit „Walter-Lübcke-Platz“-Gravur sowie ein Info-Terminal mit Audiobeiträgen zu seinem Leben, seiner Partei (CDU) und seinem Tod. Das Bezirksamt Berlin-Mitte habe das Denkmal für zwei Jahre genehmigt, bestätigte ein Pressesprecher dem rbb.
„Walter Lübcke steht für Haltung“, erklärten die Aktivist*innen. „Er widersprach den extremistischen Ansichten der AfD öffentlich und grenzte sich von jeder Menschenfeindlichkeit ab. Dafür wurde er hingerichtet.“ Lübcke war 2019 von einem AfD-Anhänger ermordet worden. Im Gerichtsprozess schilderte der Täter, wie die AfD ihn 2018 in Chemnitz zur Tat angestachelt habe. Der Attentäter hatte für die AfD Wahlplakate aufgehängt, Flyer verteilt, an Veranstaltungen teilgenommen und Geld gespendet.
Schulterschluss mit Faschisten
Der „Memorial Park“ soll erinnern und mahnen: vor dem Vergessen und vor der Annäherung der CDU an Rechtsextreme. Historisch wie aktuell würden Demokratien durch den Schulterschluss zwischen Konservativen und Faschisten „verraten“. Sechs Jahre nach dem Mord an Lübcke sei die Brandmauer vielerorts schon eingerissen, so das ZPS. „Walter Lübcke passt jetzt auf die CDU auf, damit die Konservativen nie wieder die Demokratie verraten.“
Passant*innen begrüßen das: Sie sind berührt, legen Blumen und Kerzen nieder und feiern die Aktion als „großartig“. Die CDU sieht das anders: „Das Andenken an einen Menschen auf solch respektlose Weise politisch zu missbrauchen, erschüttert uns zutiefst“, echauffierte sich Leopold Born. Kai Wegner warf dem ZPS bewusste Eskalation und gesellschaftliche Spaltung vor. Eine CDU-Sprecherin bezeichnete die Aktion als „unaufrichtige Instrumentalisierung“.
Von Instrumentalisierung kann hier jedoch keine Rede sein. Diese würde voraussetzen, dass Lübckes Schicksal aus dem Kontext gerissen, verfälscht dargestellt oder ihm etwas unterstellt würde. Das ist nicht der Fall. Lübcke war für seine menschenfreundliche Politik und seinen klaren Widerspruch gegenüber extremistischen AfD-Positionen bekannt. Während Parteikollege Born behauptet, Lübcke hätte sich „vehement gegen eine solche falsche Vereinnahmung gewehrt“, maßt sich das ZPS nicht an, im Namen Lübckes zu sprechen.
Die CDU wäre gut beraten, den Mut ihres ehemaligen Parteikollegen zu würdigen, die Aktion als Anlass zur Selbstreflexion zu nutzen und sich klar an seine demokratische Haltung anzulehnen. Doch anstatt den demokratischen Schulterschluss zu vollziehen und sich mit den Aktivist*innen zu einen, diffamieren sie die Aktion als „linke Provokation“.
Der CDU einen Spiegel vorhalten
Abgesehen davon, dass es nicht „links“ ist, eines von einem Rechtsextremisten ermordeten Politikers zu gedenken, sollten in Zeiten erstarkenden Rechtsextremismus nicht Anti-AfD-Initiativen zum Gegner der Christdemokrat*innen werden.
Die friedliche Protestaktion provoziert nur, weil sie der CDU einen Spiegel vorhält und sie in eine Zwickmühle bringt: Die Statue zu entfernen, würde Gesichtsverlust bedeuten; sie stehenzulassen, konfrontiert die Partei dauerhaft mit ihrem Versagen im Umgang mit der AfD. Empörend ist nicht eine Statue, die für die Aufrichtigkeit eines CDU-Politikers gegen Rechtsextremismus steht. Empörend ist eine demokratische Partei, die das empörend findet. Es ist nicht die Aktion, die „an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten“ ist. Es sind Reaktionen der CDU.
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