+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Schwere Kämpfe um Chan Junis

Die Hamas wirft Israels Armee vor, zwei Kliniken der Stadt in Mitleidenschaft zu ziehen. Weitere Länder stoppen die Finanzierung der UNRWA.

Eine Menge Menschen auf der Ladefläche eines Lastwagens, der sich zusammen mit anderen Fahrzeugen auf einer Straße fortbewegt

Zahlreiche Menschen verlassen seit Freitag Chan Junis in Richtung Westen, in der Hoffnung, dort vor Kampfhandlungen sicher zu sein Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Elf Hamas-Kämpfer in Chan Junis getötet

Im Gazastreifen haben sich die Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und palästinensischen Gruppen erneut auf das Gebiet um Chan Junis konzentriert. Einwohner der Stadt im Süden des Küstenstreifens berichteten am Samstag von schwerem Luft- und Panzerbeschuss. Die radikal-islamische Hamas erklärte, ihre Kämpfer würden Panzer mit Panzerabwehrraketen angreifen. Auch die mit der Hamas verbündete Extremistengruppe Islamischer Dschihad teilte mit, ihre Kämpfer hätten israelische Streitkräfte in der Gegend angegriffen und Raketen auf Israel abgefeuert.

Israelische Truppen töteten nach Angaben der Armeeleitung vom Vormittag binnen 24 Stunden mindestens elf Hamas-Kämpfer in Chan Junis. Es seien Milizionäre ausgeschaltet worden, die versucht hätten, die Soldaten mit Sprengkörpern anzugreifen. Andere hätten mit Gewehren und panzerbrechenden Granaten auf Soldaten geschossen.

Die von Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen warf Israel vor, die Soldaten würden in die unmittelbare Umgebung des Al-Amal-Krankenhauses vorrücken. Es sei die größte noch funktionierende medizinische Einrichtung im Süden. Zudem sei das ebenfalls in der Gegend liegende Nasser-Krankenhaus von Geschossen getroffen worden. Das Leben von Ärzten, Patienten und Flüchtlingen sei in Gefahr.

Das israelische Militär steht nach eigenen Angaben in telefonischem Kontakt mit den Krankenhausleitern und dem medizinischen Personal, um sicherzustellen, dass die Krankenhäuser funktionieren. Israel wirft der Hamas vor, die Krankenhäuser wie militärische Stellungen zu nutzen. (rtr)

Drei Tote bei Luftangriff in Rafah

Einwohner und Hamas-Milizionäre berichteten am Samstag auch von Kämpfen in den zentralen und nördlichen Teilen des Gazastreifens. In Rafah, wo über die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens in Notunterkünften und Zelten Schutz gesucht hat, wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde bei einem Luftangriff drei Menschen in einem Haus getötet. Den Vertriebenen und Flüchtlingen machten zudem schwere Regenfälle zu schaffen.

Im besetzten Westjordanland wurde ein Mann bei einem Schusswechsel mit israelischen Streitkräften in der Nähe von Dschenin getötet, wie Anwohner berichteten. (rtr)

PLO-Generalsekretär warnt vor Stopp von UNWRA-Geldern

Der Stopp der Finanzierung der UN-Hilfsorganisation für Palästinenser (UNRWA) berge große politische und humanitäre Risiken, erklärt der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Hussein al-Scheich, auf X. „Wir fordern die Länder, die die Einstellung ihrer Unterstützung für die UNRWA angekündigt haben, auf, ihre Entscheidung sofort rückgängig zu machen.“ (rtr)

Israel tötet vier Hisbollah-Kämpfer

Bei israelischem Beschuss an der israelisch-libanesischen Grenze sind nach Angaben der militanten Hisbollah-Miliz vier ihrer Kämpfer gestorben. Drei Menschen seien am Freitagabend zudem verletzt worden, als die israelische Armee im Süden des Landes mit Kampfflugzeugen angegriffen habe, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen und von der Hisbollah. Die Jets hätten das Gebiet mit Luft-Boden-Raketen angegriffen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur NNA.

Israels Streitkräfte teilten in der Nacht zum Samstag mit, zwei Stellungen der vom Iran gestützten Gruppierung in Beit Lif und Deir Ammar im Süden des Libanons angegriffen zu haben. Zuvor seien von dort Geschosse abgefeuert worden. Verletzte gab es nach israelischen Angaben nicht.

Israel habe auch mit Artilleriebeschuss regiert, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen und von der israelischen Armee. Laut Bewohnern in den betroffenen südlichen Gegenden im Libanon forderte Israels Armee die Menschen dort auf, sich in Sicherheit zu bringen. Die Hisbollah erklärte am Samstag, bei mindestens drei Angriffen israelische Ziele in der Grenzregion mit Raketen getroffen zu haben.

Seit dem Konflikt zwischen der islamistischen Terrororganisation Hamas und Israel kommt es auch an der israelisch-libanesischen Grenze immer wieder zu Konfrontationen. Die mit der Hamas verbündete Hisbollah ist im Südlibanon sehr präsent und verlor bislang rund 170 ihrer Kämpfer bei Konfrontationen mit der israelischen Armee. Auch auf israelischer Seite gab es Todesopfer.

Die Konfrontationen stellen die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006 dar. Zehntausende Anwohner verließen in beiden Ländern ihre Heimatorte. Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht. So sieht es auch eine UN-Resolution vor. (dpa)

Deutscher Geheimdienstvertreter spricht mit Hisbollah

Die Hisbollah-nahe Zeitung Al-Achbar hat berichtet, ein Vertreter eines deutschen Geheimdienstes sei zu Gesprächen mit der Hisbollah nach Beirut gereist. Dieser habe sich dabei vor zwei Wochen in Beirut mit Hisbollah-Vizechef Naim Kassim getroffen. Der deutsche Vertreter habe vergeblich versucht, die Hisbollah zu einem Ende der Angriffe gegen Israel zu bewegen, berichtete die Zeitung. Kassim sei zu solch einer Diskussion nicht bereit gewesen, solange Israel nicht die Angriffe im Gazastreifen einstelle. Eine Bestätigung der Hisbollah oder von deutscher Seite gab es zunächst nicht. (dpa)

Baerbock trifft jordanischen Amtskollegen

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bei einem Besuch in Jordanien über die Krise im Nahen Osten beraten. Baerbock traf am Samstag in der Hauptstadt Amman ihren jordanischen Kollegen Ayman Safadi, wie aus Delegationskreisen verlautete. Die Grünen-Politikerin hatte auf ihrer Rückreise von einem mehrtägigen Besuch im Osten Afrikas einen Zwischenstopp in dem Königreich eingelegt.

Jordanien gilt traditionell als Vermittler im Nahost-Konflikt. Das Land, in dem zwei Millionen palästinensische Flüchtlinge leben, ist ein wichtiger Partner der USA und der EU.

Wie am Rande von Baerbocks Besuch in Amman verlautete, stellt Deutschland Jordanien Medikamente und medizinisches Material im Gesamtwert von 400.000 Euro zur Versorgung der Menschen im Gazastreifen bereit. Die Lieferungen sollen zunächst zum jordanischen Luftwaffenstützpunkt al-Asrak gebracht und dann von Jordanien an Feldhospitäler im Gazastreifen geliefert werden. Ein Teil des Materials ist den Angaben zufolge schon in dem Palästinensergebiet eingetroffen. (afp)

Italien und Australien setzen UNRWA-Finanzierung aus

Wegen das Verdachts, einige seiner Mitarbeiter könnten am Großangriff der radikalislamischen Hamas gegen Israel vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein, gerät das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) zunehmend unter Druck. Nach den USA und Kanada setzten auch Australien und Italien am Samstag ihre Zahlungen an das Hilfswerk aus, das Auswärtige Amt zeigte sich „zutiefst besorgt“. Israel will sich dafür einsetzen, dass die UN-Organisation ihre Arbeit im Gazastreifen nach Kriegsende vollständig einstellen muss.

Israel hatte dem UN-Hilfswerk Informationen vorgelegt, wonach zwölf seiner Mitarbeiter in den brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober verwickelt gewesen sein sollen. Laut UNRWA-Chef Philippe Lazzarini wurden die Verträge der Betroffenen aufgekündigt und eine Untersuchung eingeleitet. UN-Generalsekretär António Guterres will das Hilfswerk „unverzüglich und umfassend“ überprüfen lassen.

Die USA setzten unmittelbar nach Bekanntwerden der Anschuldigungen ihre Finanzhilfen an die UNRWA aus, Kanada und Australien folgten. Auch Italien schloss sich dem Schritt an: Sein Land sei bestrebt, der palästinensischen Bevölkerung humanitäre Hilfe zu leisten, gleichzeitig aber auch „die Sicherheit Israels zu schützen“, erklärte Außenminister Antonio Tajani.

Das Auswärtige Amt äußerte sich „zutiefst besorgt“ über den Verdacht. Lazzarini müsse der Belegschaft deutlich machen, dass „alle Formen von Hass und Gewalt völlig inakzeptabel sind und nicht toleriert werden“. Gleichzeitig wies das Auswärtige Amt auf die „unentbehrliche, lebensrettende Hilfe“ der UN-Organisation für Palästinenser hin.

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) forderte am Samstag von der Bundesregierung, ihre Zahlungen ebenfalls einzustellen, bis die Vorwürfe überprüft seien. Die UNRWA habe sich „im Gazastreifen wie ein Komplize“ der Hamas verhalten, erklärte DIG-Präsident Volker Beck.

Israel gehen die Reaktionen nicht weit genug. Seine Regierung wolle sicherstellen, dass die UNRWA nach dem Ende des Krieges im Gazastreifen keine Rolle mehr in dem Palästinensergebiet spielen werde, erklärte Außenminister Israel Katz im Onlinedienst X, vormals Twitter. Die Hamas rief die Vereinten Nationen und andere internationalen Organisationen auf, den „Drohungen und Erpressungen“ Israels nicht nachzugeben. (afp)

USA und Großbritannien greifen jemenitischen Hafen an

Die USA und Großbritannien haben nach Angaben der Huthis im Jemen zwei Luftangriffe auf den Hafen von Ras Issa am Roten Meer geflogen. Weitere Einzelheiten berichtete der Huthi-TV-Sender Al-Masira am Samstag zunächst nicht.

Am Freitag war der Tanker „Marlin Luanda“ im Roten Meer nach Angaben des Betreibers und Rohstoffhändlers Trafigura im Roten Meer von einer Rakete getroffen worden. Ein Tank auf der Steuerbordseite habe Feuer gefangen, teilte Trafigura am Samstag mit. Die Flammen würden mit Bordmitteln bekämpft. Von der Besatzung sei niemand verletzt.

Das US-Militär teilte mit, die unter der Flagge der Marshallinseln fahrende „Marlin Luanda“ habe einen Notruf gesendet. Die „USS Carney“ und andere Schiffe leisteten dem Tanker Hilfe.

Etwa acht Stunden nach dem Angriff zerstörte das US-Militär nach eigenen Angaben eine für den Start bereite Anti-Schiffs-Rakete der Huthi. Weitere Einzelheiten gab US-Zentralkommando zunächst nicht bekannt.

Die mit dem Iran verbündeten Huthis haben seit dem 19. November Drohnen und Raketen auf Frachtschiffe in ihrer Region abgefeuert. Sie wollen damit die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen unterstützen. Mehrere Reedereien haben Durchfahrten durch das Rote Meer ausgesetzt und nehmen nun längere, kostspieligere Reisen um Afrika herum in Kauf. (rtr)

USA und Israel planen Geheimdiensttreffen

Nach Angaben einer mit der Angelegenheit vertrauten Person wollen sich CIA-Chef William Burns und sein israelischer Amtskollege offenbar am Sonntag mit dem Ministerpräsidenten von Katar sowie dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes in Europa treffen. Dem Insider zufolge wollen sie über neue Verhandlungen mit der Hamas sprechen, um weitere israelische Geiseln zu befreien. Die Gruppe hatte zuvor bereits die kurze Feuerpause im November sowie die Freilassung von mehr als 100 israelischen Geiseln verhandelt. (rtr)

Biden und Emir von Katar fordern mehr Anstrengungen

US-Präsident Joe Biden und der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, sind sich darüber einig, dass es mehr Anstrengungen zur Freilassung der von der Hamas gefangenen Geiseln bedarf. Sie seien der Schlüssel zu einer längeren Feuerpause, teilt das Weiße Haus mit. „Beide Staatsmänner bekräftigten, dass ein zu verhandelndes Abkommen zur Freilassung der Geiseln von zentraler Bedeutung ist, um eine längere Feuerpause herbeizuführen und sicherzustellen, dass zusätzliche, lebensrettende humanitäre Hilfe die Zivilisten im gesamten Gazastreifen erreicht“, so das Weiße Haus in einer Erklärung. Bidens Nahostberater Brett McGurk war diese Woche in Doha, um über die Möglichkeit eines weiteren Geiselgeschäfts zwischen Israel und der Hamas zu diskutieren. Biden sprach am Freitag auch mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi. (rtr)

Huthi-Rakete trifft Öltanker

Dem US-Militär zufolge hat eine Antischiffsrakete der Huthi-Miliz den Öltanker „Marlin Luanda“ im Golf von Aden getroffen. Es gäbe einige Schäden, aber verletzt sei niemand. Das US-Marineschiff „Carney“ sowie weitere Schiffe hätten bereits Hilfe geleistet. (rtr)

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