+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenski fordert Tribunal

Der ukrainische Präsident spricht in Den Haag. Die Berliner Polizei ermittelt wegen Verdachts auf Geheimnisverrat vor einem möglichen Besuch Selenskis.

Selenski mit sehr ernstem Gesichtsausdruck vor einem Mikro, goldener Hintergrund

Der ukrainische Präsident lobte den Einsatz des Internationalen Strafgerichtshofes Foto: Yves Herman/reuters/ap

Berliner Polizei ermittelt wegen Geheimnisverrats vor möglichem Selenski-Besuch

Die Berliner Polizei hat Ermittlungen wegen des Verdachts des Geheimnisverrats vor einem möglichen Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenski eingeleitet. Hintergrund sei ein am Mittwoch in einer Berliner Tageszeitung erschienener Artikel, teilten die Beamten am Donnerstag mit. In diesem waren angeblich ein Angehöriger der Polizei zitiert und vertrauliche Details zu einem in Planung befindlichen Einsatz wiedergegeben worden.

„Die Polizei Berlin offiziell hat zu keiner Zeit Auskünfte erteilt, welche den Staatsbesuch gefährdet haben“, erklärte die Behörde nun. Lediglich auf Anfragen aufgrund der vorangegangenen medialen Berichterstattung sei seitens der Pressestelle der Polizei der bevorstehende Einsatz bestätigt worden. Angaben zur Einsatzplanung, zu Schutzmaßnahmen oder zum Besuchsablauf seien – wie in solchen Fällen üblich – nicht gemacht worden.

Auf Anfrage bestätigte die Polizei, dass es sich um einen Artikel der B.Z. handle. Diese hatte zuerst darüber berichtet, dass Selenski am Freitag kommender Woche nach Berlin kommen solle. Es werde nun „in alle Richtungen“ ermittelt, sagte eine Sprecherin.

Nach der B.Z. berichteten am Mittwoch auch andere Medien über den möglichen Besuch. Die Polizei bestätigte daraufhin lediglich, sich auf einen Besuch vorzubereiten. Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigte den Besuch zunächst nicht. (afp)

Selenski fordert Tribunal gegen Russland

Der ukrainische Präsident Selenski hat eine strafrechtliche Verfolgung Russlands wegen des Aggressionskrieges und Kriegsverbrechen gefordert. Ohne Gerechtigkeit sei kein Friede möglich, sagte Selenski am Donnerstag in Den Haag. Als Vorbild eines Tribunals nannte er die Nürnberger Prozesse gegen die deutschen Nationalsozialisten nach dem Zweiten Weltkrieg. „Ein dauerhafter Frieden ist nur möglich, wenn wir die Aggressoren auch zur Verantwortung ziehen“, sagte Selenski.

„Natürlich hätten wir alle heute lieber einen anderen Wladimir hier in Den Haag gesehen“, sagte er zu Beginn seiner Rede und verwies damit auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Selenskis Vorname ist die ukrainische Form des Namens.

Selenski lobte den Einsatz des Internationalen Strafgerichtshofes mit Sitz in Den Haag. Dieser hatte bereits kurz nach der russischen Invasion Ermittlungen eingeleitet und auch im März einen internationalen Haftbefehl gegen Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen. Selenski zeigte sich überzeugt, dass Putin tatsächlich auch nach Den Haag vor das Gericht gebracht werde.

Der Präsident hatte zuvor bei diesem ersten offiziellen Besuch in den Niederlanden auch den Strafgerichtshof besucht. Später sollte er unter anderem mit Premier Mark Rutte und dem belgischen Premier Alexander De Croo zusammenkommen.

Dass Putin tatsächlich in Den Haag der Prozess gemacht wird, gilt zurzeit als ausgeschlossen. Dazu müsste der russische Präsident ausgeliefert werden. Russland erkennt das Gericht in Den Haag nicht an.

Auch die Ukraine ist zwar kein Vertragsstaat des Strafgerichtshofes. Aber Kiew hat die Befugnis des Gerichts für seit 2014 auf ukrainischem Staatsgebiet verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen anerkannt. 2022 wurden die ukrainischen Gesetze angepasst, damit die Ankläger aus Den Haag auf ukrainischem Staatsgebiet ermitteln können.

Ukraine: 18 von 24 Drohnenangriffen abgewehrt

Die ukrainische Luftabwehr hat nach eigenen Angaben 18 von 24 von Russland vor Morgengrauen gestarteten Kamikaze-Drohnen abgeschossen. Auf den Schwarzmeer-Hafen Odessa seien 15 Drohnen des iranischen Typs Schahed abgefeuert worden, von denen zwölf abgefangen worden seien. Die übrigen drei seien auf dem Gelände der Universität niedergegangen, es habe keine Verletzten gegeben, teilt das Militärkommando für die Südfront mit. Die Stadtverwaltung in Kiew erklärt, alle auf die Hauptstadt zielenden Drohnen seien abgeschossen worden. (rtr)

Teile einer russischen Ölraffinerie offenbar in Brand geraten

Teile einer Ölraffinerie im Süden Russlands sind nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Tass bei einem Drohnenangriff in Brand geraten. Ein Treibstoffreservoir der Ilsky-Raffinerie in der Nähe des Schwarzmeerhafens Noworossijsk in der Region Krasnodar habe Feuer gefangen, berichtet Tass unter Berufung auf eine mit der Angelegenheit vertraute Person. „Eine zweite turbulente Nacht für unsere Rettungsdienste“, schreibt der Gouverneur der Region, Weniamin Kondratjew, auf dem Nachrichtendienst Telegram. Es habe keine Verletzten gegeben. Er bestätigt, dass in der Ilsky-Raffinerie Erdöl-Tanks brennen, macht aber keine Angaben zur Ursache. Tags zuvor ging ein russisches Treibstofflager weiter westlich in der Nähe der Krim-Brücke in Flammen auf. (rtr)

Selenski in Niederlanden angekommen

Der ukrainische Präsident Selenski ist überraschend in die Niederlande gereist. Am späten Mittwochabend landete er aus Helsinki kommend mit einer Maschine der niederländischen Regierung auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol, wie mehrere Medien berichten. Der TV-Sender NOS zeigte Aufnahmen von der Landung und der Autokolonne, die mit starker Polizeibegleitung Richtung Den Haag fuhr. Abgeordnete bestätigten auf Twitter, dass am Donnerstag ein Treffen mit Selenski in Den Haag geplant sei.

Der Präsident war mit der Regierungsmaschine in Finnlands Hauptstadt abgeholt worden, wie die Nachrichtenagentur ANP und der TV-Sender NOS zuerst berichteten. Es ist der erste Besuch des Präsidenten in den Niederlanden.

Der Präsident sollte den Berichten zufolge an diesem Donnerstag in Den Haag mit Premier Mark Rutte und Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren zusammenkommen. Außerdem soll er in Den Haag eine Rede halten mit dem Titel „Kein Frieden ohne Gerechtigkeit für Ukraine.“

Auch ein Besuch beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ist den Medienberichten zufolge geplant. Das Weltstrafgericht hatte bereits kurz nach der russischen Invasion Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen eingeleitet und im März auch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen internationalen Haftbefehl wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen.

Die Niederlande haben der Ukraine bisher militärische Hilfe im Wert von rund 1,2 Milliarden Euro für ihren Abwehrkampf gegen den Angriffskrieg Russlands geliefert. Premier Rutte hatte auch erklärt, dass auch die Lieferung von Kampfflugzeugen kein Tabu sei. (dpa)

Finnische Zeitung nutzt Onlinespiel zur Umgehung von russischer Zensur

Eine finnische Zeitung hat Informationen und Berichte zum Krieg in der Ukraine in dem weltweit beliebten Onlinespiel Counter-Strike versteckt. Wie die Zeitung Helsingin Sanomat am Mittwoch bekanntgab, habe sie so einen Weg gefunden, die Medienzensur in Russland zu umgehen. In Russland spielen das Computerspiel rund vier Millionen Menschen.

„Während Helsingin Sanomat und andere ausländische unabhängige Medien in Russland gesperrt werden, sind Onlinespiele vorerst nicht verboten“, erklärte Antero Mukka, der Chefredakteur der Zeitung, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Spieler des Ego-Shooter-Spiels Counter-Strike können benutzerdefinierte Karten erstellen, die jeder herunterladen und verwenden kann. „Also bauten wir eine slawische Stadt namens Wojna, was auf Russisch Krieg bedeutet“, sagte Mukka.

Im Untergeschoss eines der Gebäude der Stadt versteckten die Techniker von Helsingin Sanomat einen Raum, in dem Spieler Berichte in russischer Sprache finden können, die von den Kriegskorrespondenten der Zeitung in der Ukraine erstellt wurden.

Die Wände des digitalen Raums bedeckten sie mit Artikeln und Fotos, die Ereignisse wie die Massaker in den ukrainischen Städten Butscha und Irpin dokumentieren. Es handle sich um „Informationen, die im Propaganda-Apparat des russischen Staates nicht verfügbar sind“, sagte Mukka.

Seit seiner Veröffentlichung am Montag sei die Karte schon mehr als zweitausendmal heruntergeladen worden. „Dies zeigt, dass jeder Versuch, den Informationsfluss zu verhindern und die Öffentlichkeit in die Irre zu führen, in unserer modernen Welt zum Scheitern verurteilt ist“, sagte der Chefredakteur. (afp)

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