+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Selenski ernennt Geheimdienst-Chef

Wolidimir Selenski besetzt die Spitze des ukrainischen Geheimdienstes einstweilig neu. Die EU kündigt weitere 500 Millionen für Waffen an die Ukraine an.

Der ukrainische Präsident Selenski im T-Shirt bei einer Videoansprache der letzten Woche.

Der ukrainische Präsident bei einer Videoansprache der letzten Woche Foto: Foto: Ukrainian Presidential Press Off/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa

Ukrainischer Geheimdienst: Selenski ernennt Interimschef

Nach der viel beachteten Entlassung des ukrainischen Geheimdienstchefs Iwan Bakanow hat Präsident Wolodymyr Selenskyj dessen bisherigen Stellvertreter zum Interimschef gemacht. Einem Erlass vom Montag zufolge soll Wassyl Maljuk vorerst den Geheimdienst SBU leiten. Der 39-Jährige war seit März der erste Stellvertreter von Bakanow. Der Militär hat seine juristische Ausbildung an der Geheimdienstakademie erhalten und danach in den Korruptionsbekämpfungsstrukturen der Behörde gearbeitet.

Am Vortag hatte Selenskyj seinen Jugendfreund Bakanow, der den Dienst mit seinen mehr als 30 000 Mitarbeitern seit 2019 leitete, von der Leitung des SBU entfernt. Offiziell wurden die Entlassung Bakanows sowie die von Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa mit einer hohen Zahl an Mitarbeitern begründet, die aus dem ukrainischen Sicherheitsapparat zu den russischen Besatzern in der Südukraine übergelaufen sein sollen.

Medien verwiesen allerdings auch darauf, dass der 47-jährige Bakanow als Fachfremder nur wenig Autorität unter seinen Angestellten genossen habe. Der jetzige Interimschef Maljuk wiederum soll laut Medienberichten erst kürzlich an der Festnahme eines ehemals hochrangigen SBU-Beamten beteiligt gewesen sein, der wegen der mutmaßlichen Übermittlung von geheimen Informationen an Russland unter dem Verdacht des Hochverrats steht. (dpa)

EU kündigt 500 Millionen Euro für Waffen für Ukraine an

Die EU will weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. Das kündigte EU-Ratspräsident Charles Michel am Montag nach Beratungen der Außenminister der EU-Staaten in Brüssel an. Mit der neuen Unterstützung erhöhen sich die für die Ukraine zur Verfügung gestellten EU-Mittel für Militärhilfe auf 2,5 Milliarden Euro. „Europa steht an der Seite der Ukraine“, schrieb Michel in einer Twitter-Nachricht an die Adresse des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Ein erstes Paket über 500 Millionen Euro war bereits Ende Februar bewilligt worden, drei weitere folgten dann im März, April und Mai. Mit den Geldern werden laut EU-Angaben Waffen, aber auch Dinge wie persönliche Schutzausrüstung, Sanitätsmaterial und Treibstoff finanziert. (dpa)

EU will Gasimporte aus Aserbaidschan verdoppeln

Die Europäische Union (EU) will angesichts der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine die Erdgasimporte aus Aserbaidschan verdoppeln. Die Importe aus dem Kaukasus-Land sollen bis 2027 auf mindestens 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erhöht werden, sagte EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag. „Mit dieser Absichtserklärung schlagen wir heute ein neues Kapitel in unserer Energiezusammenarbeit mit Aserbaidschan auf.“

Das Land sei ein wichtiger Partner in den Bemühungen der EU, sich von russischen Energielieferungen zu lösen. Die Gasimporte aus Aserbaidschan würden bereits erhöht. So werden in diesem Jahr voraussichtlich zwölf Milliarden Kubikmeter Erdgas in die EU geliefert, im Vergleich zu 8,1 Milliarden Kubikmeter 2021. (Bericht von Marine Straus and Jan Strupczewski, geschrieben von Nette Nöstlinger. (rtr)

Scholz warnt vor einer Renaissance der fossilen Energie

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat vor einer globalen Renaissance der fossilen Energie gewarnt. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die rasant steigenden Energiepreise bestärkten ihn nur in dem Ziel, „mit Vollgas“ raus aus Kohle, Öl und Gas zu kommen, sagte Scholz am Montag beim Petersberger Klimadialog in Berlin. „Unsere Devise lautet: Jetzt erst recht“. Umweltschützer kritisierten Scholz allerdings scharf.

Angesichts der jüngsten energiepolitischen Entscheidungen der Bundesregierung mit einem verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken in Deutschland sagte Scholz, niemand könne zufrieden sein, dass auch in Deutschland der Anteil der Kohleverstromung derzeit wieder steige. Dies sei aber eine zeitlich befristete Notmaßnahme – sie werde nicht zu Lasten der Klimaziele Deutschlands gehen. „Alles, was wir heute zur Sicherung der Gasversorgung tun, das muss in Einklang stehen mit unserem Ziel, in Zukunft in Deutschland und weltweit CO2-neutral zu werden“, sagte Scholz.

Konkret bedeute dies, dass keine neuen dauerhaften Abhängigkeiten von fossilen Energiequellen geschaffen würden. In Deutschland nicht, aber auch nicht in den Produktionsländern. Wenn heute neue Energiepartnerschaften geschlossen würden, dann nur mit der klaren Perspektive für die Energiewende oder einem Umstieg auf grünen Wasserstoff. (dpa)

Modekette H&M zieht sich ganz aus Russland zurück

Die schwedische Modekette H&M zieht sich vollständig vom russischen Markt zurück. Die Fortführung des 2009 gestarteten Geschäfts in Russland sei „angesichts der aktuellen Lage unmöglich“, erklärte Firmenchefin Helena Helmersson am Montag in Stockholm. H&M hatte seine Läden in Russland bereits im März als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine geschlossen. Sie sollen nun befristet wiedereröffnet werden, um die letzten Bestände zu verkaufen.

H&M beschäftige nach eigenen Angaben zuletzt etwa 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Russland. Firmenchefin Helmersson zeigte sich in der Erklärung „tief betrübt über die Folgen, die dieser Schritt für die Kollegen haben wird“. (afp)

Generalstaatsanwältin und Geheimdienstchef entlassen

Der ukrainische Präsident Selenski hat Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa und den Chef des Geheimdienstes SBU, Iwan Bakanow, entlassen. Er verwies am Sonntag dabei auf Hunderte Strafverfahren wegen Verrats und Kollaboration mit Russland in diesen Behörden. „Insbesondere sind mehr als 60 Beschäftigte der Staatsanwaltschaft und des SBU in den besetzten Gebieten geblieben und arbeiten gegen unseren Staat“, erklärte Selenski.

Dies seien Verbrechen gegen die Fundamente der nationalen Sicherheit. „Die aufgezeichneten Verbindungen zwischen ukrainischen Sicherheitskräften und russischen Spezialdiensten lassen sehr ernste Fragen über ihre jeweiligen Leiter aufkommen“, fügte er hinzu. Zum Nachfolger Wenediktowas ernannte er deren bisherigen Stellvertreter Oleksij Symonenko. Einen Nachfolger für Bakanow nannte er nicht. Der Geheimdienstchef ist ein langjähriger Vertrauter und ehemaliger Geschäftspartner des Präsidenten. (ap)

Vassiliadis fordert sozial gestaffelte Entlastungen

Der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, hat angesichts steigender Gaspreise eine Entlastung der Haushalte nach Einkommen und Verbrauch gestaffelt gefordert. „Die Gießkanne wird nicht mehr funktionieren“, sagt der Gewerkschafter im Deutschlandfunk. Jedem Kopf und Bürger müsse eine Energie- und Gasmenge garantiert werden. Sein Vorschlag dazu sei, dass man den Haushalten verschiedene Preisstufen biete, also eine Grundversorgung, und dann diejenigen, die wesentlich mehr verbrauchen als der Durchschnitt, das Ganze über den Preis finanzieren müssten. Es gebe „eine Menge Menschen, die eine Menge Geld verdienen und eine Menge Energie verbrauchen“. Im Zweifel müsse Gas subventioniert werden, wenn der Preis zu hoch ist. Des Weiteren müssten die systemrelevanten Industrien identifiziert werden und auch ihnen Kontingente zugewiesen werden, die zumindest den Weiterbetrieb gewährleisten. (rtr)

Greenpeace untersucht Strahlung bei Tschernobyl

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace untersucht eine verlassene russische Stellung nahe der Atomruine Tschernobyl in der Ukraine auf radioaktive Strahlung. Ein internationales Expertenteam werde dort Messungen vornehmen, teilte Greenpeace am Montag mit. Es solle herausgefunden werden, welche Folgen die russische Invasion für kontaminierte Gegenden habe. Die Recherchereise sei von der ukrainischen Regierung genehmigt worden. Die russischen Streitkräfte hatten am 24. Februar, dem ersten Tag ihres Angriffs auf die Ukraine, die Kontrolle über die Atomruine übernommen. Ende März zogen sie sich von dem Gelände wieder zurück. Es werde nun erstmals unabhängig untersucht, gemessen und die Aussage der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) überprüft. Laut IAEO hat zu keinem Zeitpunkt eine große Gefahr für Menschen und Umwelt bestanden. „Wir wollen wissen, was vor Ort geschehen ist“, erklärte der Atomexperte von Greenpeace Deutschland, Thomas Breuer. Die bisherigen Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu den Auswirkungen des Krieges auf Atomanlagen seien „unzureichend“. (afp)

Gasturbine nach Wartung in Kanada zurück in Deutschland

Die für den Betrieb der Gaspipeline Nord Stream1 wichtige Turbine ist einem russischen Zeitungsbericht zufolge repariert und von Kanada nach Deutschland geliefert worden. Sie sei am Sonntag per Flugzeug nach Deutschland gebracht worden, berichtet die russische Zeitung Kommersant unter Berufung auf mit den Vorgängen vertraute Personen. Sollte es keine Probleme mit der Logistik oder dem Zoll geben, werde es weitere fünf bis sieben Tage dauern, bis die Turbine in Russland ankomme. (rtr)

General warnt vor Fehleinschätzung der russischen Armee

Der oberste deutsche Heeresgeneral Alfons Mais warnt einem Zeitungsbericht zufolge vor einer Fehleinschätzung der russischen Streitkräfte. „Das ist ein Zermürbungs- und Abnutzungskrieg, der die Frage aufwerfen wird, wie lange die Ukraine das durchhalten kann. Da rede ich nicht nur über Material, sondern auch über das Personal“, sagt der Generalleutnant dem Handelsblatt. Die Phase eins – der Angriff auf Kiew – sei „zum Desaster geworden“. Trotzdem dürfe man Russland nicht unterschätzen. „Armeen, die nah an der Niederlage entlang gesegelt sind, lernen am schnellsten.“ (rtr)

Aiwanger fordert Ausrufung der Gas-Notfallstufe 3

Bayern dringt beim Bund auf die Wiederinbetriebnahme des bayerischen Atomkraftwerks Gundremmingen und das sofortige Ausrufen der Gasnotlage, um große Gaskraftwerke herunterzufahren. „Ich fordere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf, sofort die Gas-Notfallstufe 3 auszurufen“, sagt der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger der Augsburger Allgemeinen. Der Staat müsse sich jetzt in das Gas-Management einmischen. „Wir verbrennen derzeit riesige Mengen an Erdgas zur Stromerzeugung“, erklärt der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef mit Blick auf das bayerische Großkraftwerk in Irsching. Solange der Strom aus Gas noch lukrativ produziert werden könne, werde es auch gemacht. „Das Wichtigste ist jetzt, dass wir sofort massiv Gas einsparen, denn momentan bewegt sich beim Auffüllen der Speicher fast nichts mehr.“ (rtr)

TV-Journalistin Owsjannikowa kurzzeitig festgenommen

Die durch eine Protestaktion im russischen Fernsehen bekannt gewordene TV-Journalistin Marina Owsjannikowa ist nach einer erneuten Kritik an Russlands Angriffskrieg in der Ukraine vorübergehend festgenommen worden. „Ich wollte mit den Hunden spazieren und bin gerade aus dem Tor getreten, als mich Uniformierte ansprachen“, schreibt sie auf ihrem Telegram-Kanal. Sie sitze im Krasnoselskij-Ministerium für innere Angelegenheiten, einer Polizeistation in Moskau. Drei Stunden später sei sie wieder freigelassen worden. „Ich bin zu Hause. Alles ist in Ordnung“, schreibt sie auf ihrer Facebook-Seite. „Aber jetzt weiß ich, dass es immer am besten ist, einen Koffer und einen Reisepass mitzunehmen, wenn man ausgeht.“ Ihre kurze Verhaftung am Sonntag folgte auf ein Foto in den sozialen Medien vom 15. Juli, auf dem sie mit einem Plakat zu sehen ist, das den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Mörder und seine Soldaten als Faschisten bezeichnet. „Wie viele Kinder müssen noch sterben, bevor ihr aufhört?“, ist dort zu lesen. (rtr)

Selenski sauer auf Kanada wegen Nord Stream 1-Turbine

Nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski werde die Ukraine Kanadas Ausnahme von den Sanktionen im Fall der Siemens-Gasturbine für Nord Stream 1 niemals billigen. In einem Telefonat mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau habe er „betont, dass die Ukrainer die Entscheidung Kanadas bezüglich der Nord-Stream-Turbine niemals akzeptieren werden“, sagt Selenski in seiner abendlichen Videobotschaft. Die Übergabe an Deutschland verstoße gegen die Sanktionen gegen Russland und ermutige zu weiteren Verstößen. (rtr)

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