Krebskranke Jade Goody: Tod vor der Kamera

Jade Goody wurde durch das Reality-Fernsehen in Großbritannien bekannt. Nun stirbt sie an Krebs. Mit der Vermarktung ihrer Krankheit sorgt sie für die finanzielle Zukunft ihrer Kinder.

Bei der Hochzeit mit Jack Tweed trug die Braut Trauer. Bild: ap

In wenigen Wochen wird die 27-jährige Britin Jade Goody an Gebärmutterhalskrebs gestorben sein. Sagen ihre Ärzte. Doch statt sich zurückzuziehen, lässt Goody sich und ihre Leiden filmen. Lässt eine Dokumentation über ihren Kampf gegen Krebs drehen. Kassiert 1,1 Millionen Euro für die mediale Verwertung ihrer Hochzeit mit Jack Tweed - mit chemokahlem Kopf und Schmerzmittelbeutel im Brautkleid.

Die britische Öffentlichkeit ist hin und her gerissen zwischen Mitgefühl für und Abscheu gegen Goody. Die Frage, warum um alles in der Welt diese Frau so etwas tut, kann sich aber nur jemand stellen, der Jade Goody nicht kennt - als vollbusig-blondes Prolldummchen aus diversen "Big Brother"-Containern, als vulgäre White-Trash-Queen, als rasende Rassistin, die in Indien Unruhen auslöste, weil sie vor laufender Kamera Bollywood-Star Shilpa Shetty beleidigte. Und eben als die Frau, die live im Container erfuhr, dass sie an Krebs erkrankt ist.

Nach der Shilpa-Shetty-Episode musste sich Gordon Brown, der damals noch Finanzminister war, während eines Indienbesuchs 2007 für Goodys Äußerungen entschuldigen. Letzte Woche aber zeigte sich der heutige Premierminister gar nicht nachtragend, eher nachdenklich. Der damalige Vorfall sei traurig und tragisch gewesen, sagte er. Nun sollten die Menschen Jade Goodys Entschlossenheit loben. Justizminister Jack Straw lockerte für die Hochzeit sogar den Hausarrest des Bräutigams. Zu dem war er verurteilt worden, weil er einen Jugendlichen mit einem Golfschläger angegriffen hatte. Statt wie gewöhnlich um sieben Uhr abends wieder zu Hause sein zu müssen, durfte Tweed die Hochzeitsnacht mit Goody verbringen.

Es ist nicht wirklich ein Wunder, dass Jade Goody sich nicht vor den Medien zurückzieht, nachdem sie von ihrer Krebserkrankung erfahren hat. Denn ohne das bisschen Aufmerksamkeit von Boulevardblättchen und Unterschichtenfernsehen wäre sie noch immer eine strohdumme Zahnarzthelferin aus miesen sozialen Verhältnissen. Seit sie 20 ist, tingelt sie als billiger Proll durch alle Schundmedien. Die Klatschmagazine berichteten über ihre Gewichtsprobleme - gerne mit dem Zusatz "Schwein" -, buddelten Exfreunde aus und drängten ihre einarmige, lesbische Mutter zu Homestorys, die das Elend ihrer Herkunft zeigen sollten.

Und so lässt Goody die Kameras eben auch ihr Krebsleiden dokumentieren. Erduldet, dass die ganze Nation ihren Zusammenbruch sieht, als ihr die Haare ausfallen. Zeigt sich entkräftet im Rollstuhl. Jeden Tag, solange sie noch lebt.

Schamlos finden das viele. Doch Jade Goody ist es gewohnt, sich öffentlich zu entblößen und entblößt zu werden - gibt es doch kaum einen Aspekt in ihrem Leben, den die Boulevardpresse noch nicht aus den hintersten Ecken ihrer Vergangenheit hervorgezerrt hat. Sie lasse sich von Medien begleiten, weil das, was sie erdulden müsse, auch Tausenden anderen Briten widerfahre, hat Goody gesagt. Sie hat offen darüber gesprochen, dass sich ihre Krebserkrankung durch bessere Vorsorge vielleicht hätte verhindern lassen. Und bewirkt, dass die Krebsvorsorgeuntersuchungen bei jungen Britinnen in die Höhe geschossen sind.

Nun hat sie sich entschieden, die letzten Wochen ihres Lebens so gewinnbringend wie möglich auszuschlachten. Ihr bleiches Gesicht und der Glatzkopf auf den Hochzeitsfotos zwingen die britische Nation, über die gerne verdrängten Themen Krankheit und Tod zu reden. Das öffentliche Sterben von Jade Goody ist anders als andere Dokumentationen über unbekannte Krebspatienten im Endstadium. Denn hier stirbt eine Frau, deren prollig-pralles Leben die britische Öffentlichkeit schon seit Jahren im Fernsehen verfolgen kann. In deren Welt Tod und Leiden nie eine Rolle spielten.

Dass diese laute Skandalnudel in ein paar Wochen einfach nicht mehr leben wird, beschäftigt die Menschen. Goodys Auftritte zeigen ungefiltert, wie entsetzlich die Krankheit Krebs ist. Vielleicht rettet sie damit sogar ein paar Britinnen das Leben.

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