MORDPROZESS: Die Schule war um Gero bemüht

Der Vater der ermordeten Lehrerin Heike Block erhebt vor Gericht Vorwürfe gegen den Schulleiter. Der verweist auf die intensiven Gespräche, die er mit Gero S. führte.

Die Frage, warum die Lehrerin Heike Block sterben musste, versucht das Landgericht zu klären Bild: dpa

Konzentriert, aber irgendwie auch unbeteiligt sitzt Gero S., der Mörder der Lehrerin aus Osterholz-Scharmbeck, in der Verhandlung. Er spricht von "Heike", das Gericht gewöhnt sich diese vertrauliche Ausdrucksweise an. Gefühle zeigt er nicht, auch nicht, wenn frühere Lehrerinnen berichten, dass er schon als zehnjähriger Schüler keinerlei Emotionen zeigen konnte und dem Unterricht eher teilnahmslos gefolgt sei. Als Gero S. in der fünften Klasse war, habe sie die Schüler aufgefordert, ihren Stammbaum zu zeichnen, erinnert sich eine Lehrerin - Gero S. habe seine Mutter als verweste Leiche mit Grabstein gemalt. Die Mutter, so hatte er mehrfach erzählt, habe ihm gesagt, er sei "nicht gewollt" gewesen. Der Vater tauchte erst auf, als er von seinem Sohn in der Zeitung las - als Mörder.

Beim gestrigen Verhandlungstag ging es über Stunden um die Frage, wie die Schule mit dem verhaltensauffälligen Schüler umgegangen war. Auch der Schulleiter war als Zeuge geladen. Der berichtete, er habe in stundenlangen Gesprächen immer wieder den Kontakt zu dem Schüler gesucht, ihn stabilisieren wollen, ihm auf dem Weg zum Abitur helfen.

Gero S. hatte Ende Dezember 2007 Selbstmord-Absichten geäußert, im Januar 2008 fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung einen Sprengstoffgürtel - aber eine gezielte Gefährdung der Lehrerin "Heike" hatte der Schulleiter nie in Betracht gezogen. Ihrem Tagebuch hatte sie anvertraut, dass sie sich bedroht fühlte, anderen Lehrern hat sie es gesagt, auch dem Vater."Unsere Tochter hatte Angst vor Ihnen", sagt der Vater der Toten, der als Nebenkläger den Prozess verfolgt, dem Schulleiter vor Gericht.

Der erwidert, er habe sich intensiv um den Schüler gekümmert - was er denn getan habe in seiner Fürsorgepflicht für die Lehrerin, will der Vater wissen. Eine Lehrerin hatte den Schüler als "tickende Zeitbombe" bezeichnet und dem Schuleiter offiziell und schriftlich ihre Sorge mitgeteilt, dass der Lehrerin Heike Block etwas passieren könnte. Wie hat der Schulleiter darauf reagiert? Die Beurteilungen dieser Lehrerin seien für ihn nicht stichhaltig gewesen, kein Grund zu reagieren, sagt der Schulleiter vor Gericht aus - "tragischerweise" habe die Lehrerin aber in diesem Falle Recht gehabt.

Heike Block hatte Mitleid mit dem selbstmordgefährdeten Schüler gehabt und ihm helfen, zumindest zuhören wollen. Als er das als emotionales Verhältnis missverstand, versuchte sie sich zurückzuziehen - und wollte Gero S. schließlich nicht mehr unterrichten. Eine Anweisung von ihm, dass die Lehrerin Gero S. "Einzelunterricht" geben sollte, habe es nicht gegeben, versichert der Schulleiter vor Gericht. Auf Nachfragen kommt heraus: Gero S. hatte im Frühjahr nicht mehr an dem normalen Kurs teilgenommen. Um seine Zulassung zum Abitur nicht zu gefährden, sollte Heike Block ihn aber bewerten. Das sei gemeinsam so überlegt worden, sagt der Schulleiter. Die Schulleitung habe darauf bestanden, notierte damals Heike Block in ihrem Tagebuch. "So machte ich Einzeltermine mit ihm ab." Erst als die Beurteilung des Schulleiters für ihre Verbeamtung feststand, lehnte sie den Einzelunterricht strikt ab.

Da hatte Gero S. längst den Beschluss gefasst, sie zu ermorden. "Es hat bei uns nie einen Schüler gegen, der über die Jahre so viel Hilfe erhalten hat", sagt eine Betreuungslehrerin vor Gericht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.