Nicht existierende Wahllokale: Karsai vor gefälschtem Wahlsieg

Der Präsident steht bei der Stimmenauszählung kurz vor der absoluten Mehrheit. Unruhen werden befürchtet. Berichtet wird auch über massivem Wahlbetrug.

Für Präsident Hamid Karzai sind die meisten Stimmen verbucht worden. Bild: dpa

KABUL taz | Nur ein Viertel der Stimmen, die bei der afghanischen Präsidentenwahl am 20. August abgegeben wurden, muss noch geprüft und das Ergebnis verkündet werden. Dies solle "bei der nächsten Pressekonferenz" geschehen, hieß es am Sonntag, als die Unabhängige Wahlkommission (IEC) die Ergebnisse von 18.777 der 25.450 Wahllokale vorlegte. Regulär müsste diese Pressekonferenz eigentlich an diesem Dienstag stattfinden. Erwartet wird, dass Präsident Hamid Karsai dann auch die 50-Prozent-Grenze überschreiten wird, die ihm die Wiederwahl garantiert und einen zweiten Wahlgang mit unsicherem Ausgang erspart.

Doch ob es dazu kommt, ist fraglich. Karsai nahestehende politische Kreise berichten, dass in seiner Umgebung große Besorgnis herrsche, dass dann Anhänger seines Hauptkontrahenden Abdullah Abdullah Unruhen auslösen könnten. Die Verkündung des vorläufigen Endergebnisses könnte deshalb auf nächste Woche verschoben werden. Doch dies ist noch nicht offiziell.

Abdullah ist im Lager der früheren Mudschahedin verankert. Sie sind immer noch bewaffnet. Mittwoch jährt sich zudem zum zehnten Mal der Tag, an dem das Mudschahedin-Idol Ahmad Schah Massud durch einen al-Qaida-gesteuerten Mordanschlag ums Leben kam. Dann finden in Kabul zahlreiche Gedenkfeiern statt.

Anhänger der Nationalen Front - der politischen Dachorganisation vieler Mudschahedin, der auch Abdullah angehört - werden nach Kabul strömen. Gerüchten zufolge wurden schon Waffen und Geld verteilt. Zwar herrsche wegen der massiven Wahlfälschungen und wegen der dominierenden Rolle der USA und ihrer Verbündeten Apathie unter vielen politisch interessierten Afghanen, hieß es aus den zitierten Quellen. Aber diese Afghanen würden weder für Karsai noch Abdullah auf die Straße gehen. Mobilisiert werden könne nur "für Geld".

Gefahr geht aber nicht nur von den Ex-Mudschahedin aus. Auch aus Karsais Umgebung heißt es, man werde Demonstrationen nicht hinnehmen. Im Falle eines Wahlausgangs ohne absolute Mehrheit für Karsai werde man selbst die Paschtunen in Süden des Landes mobilisieren. Das klingt bedrohlich. Doch ist zu bezweifeln, dass sie solch einem Aufruf in großer Zahl folgen würden. Auch im paschtunischen Süden blieben viele Menschen der Wahl fern, weil sie weder für Karsai noch für einen seiner Gegenkandidaten stimmen wollten.

Karsai ist verärgert, dass sich die UNO am Wochenende gegenüber der Wahlkommission durchgesetzt hat und Wahlzettel aus 447 Urnen annulliert wurden, die etwa 200.000 Stimmen repräsentieren. Ergebnisse aus Wahlkreisen mit verdächtig runden Zahlen und ohne Gegenstimmen waren am Sonntag von der IEC-Webseite verschwunden.

Die New York Times berichtete am Montag unter Berufung auf ungenannte westliche Diplomaten, Karsai-Anhänger hätten landesweit Stimmen in 800 Wahllokalen gefälscht, die nie geöffnet wurden und weitere 800 zum selben Zweck "übernommen", indem schon bei der Rekrutierung eigene Leute in das Wahlpersonal eingeschleust wurden oder sogar Polizei oder Stammesmilizen dort "einmarschierten". Die Diplomaten sprachen von "massenhaftem Betrug". In Südafghanistan hätte so die Zahl der abgerechneten Stimmen von 350.000 die der tatsächlich abgegebenen (25.000) um mehr als das Zehnfache überstiegen.

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