Grüne Umweltministerin Simone Peter: "Ich sehe mich eher als Maklerin"

Ich hatte mich für Rot-Rot-Grün ausgesprochen, sagt die grüne Politikerin Simone Peter. Seit November ist sie Umweltministerin in der saarländischen Jamaika-Koalition.

Die Vertreter der Grünen, der FDP und der CDU unterzeichnen den Jamaika-Vertrag. Bild: dpa

taz: Das bettelarme Saarland hat zehn Milliarden Euro Schulden. Außer der Bildungspolitik steht alles unter Haushaltsvorbehalt. Sie dagegen sprechen von den exorbitanten Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen das Umweltministerium an der Saar jetzt biete. Was aber geht wirklich, Frau Peter? Und wie hoch ist überhaupt Ihr Etat?

Simone Peter: Zum Etat kann ich noch nichts sagen.

Sie kennen also Ihre, sicher engen, finanziellen Spielräume noch gar nicht?

Das liegt daran, dass wir wegen der Erweiterung der Zuständigkeiten des Ministeriums um Bereiche aus dem Wirtschaftsministerium - wie etwa die Abteilungen Verkehr, ohne den Flughafen Saarbrücken, und Energie - die uns zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel noch nicht abschließend berechnen konnten.

Die SPD wirft Ihnen wohl auch deshalb vor, bislang nur Absichtserklärungen abgegeben und viel heiße Luft verbreitet zu haben. Die Linke spricht gar von "Überforderung"?

Simone Peter, 44, ist promovierte Mikrobiologin. Die "Jamaika-Queen" (Cicero) gehörte bis zu ihrer Promotion ein Jahr lang dem Landesvorstand der Grünen Saar an, den sie aus Protest gegen den – nach der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens – an seinem Comeback als Landesparteivorsitzender arbeitenden Hubert Ulrich wieder verließ. Danach: Chefredakteurin der Fachzeitschrift Solarzeitalter; Geschäftsführerin bei der Agentur für erneuerbare Energien in Berlin.

Dass sie im Oktober 2009 ausgerechnet von Ulrich gefragt wurde, ob sie nicht Umweltministerin einer Jamaika-Koalition an der Saar werden wolle, war die Überraschung. Die linke Grüne warb eigentlich für Rot-Rot-Grün. Sie sagte dennoch zu. (kpk)

Was soll ich dazu sagen? Lieber nichts. Ich bin seit Mitte November im Amt. Und ich bin vor lauter inhaltlicher und organisatorischer Arbeit noch nicht einmal dazu gekommen, hier im Ministerbüro meine persönlichen Bilder aufzuhängen. Wir hatten ja schließlich schon im Jamaika-Koalitionsvertrag eine grüne Linie mit zahlreichen Projekten, die zum Teil mit Landesmitteln, zum Teil aber auch ohne realisiert werden sollen. Das läuft jetzt alles an.

Ohne Finanzierung? Wie soll das funktionieren?

Man kann Mittel innerhalb eines Ressortbudgets auch umschichten - etwa vom Straßenbau zum ÖPNV. Da kann man noch einiges erreichen. Auch mit den Kommunen muss man in diesem Sinne kommunizieren, zum Beispiel beim Bau von Radwegen. Beim Ausbau des Schienennah- und -fernverkehrs stehen teils Bundesmittel zur Verfügung. Die muss man nur abrufen.

Bundesmittel werden Sie auch brauchen, wenn Sie Ihren Masterplan erneuerbare Energien durchsetzen wollen. Noch ist das Saarland mit nur einem Prozent Anteil an den erneuerbaren Energien das Schlusslicht in Deutschland. Um das zu ändern, werden Sie viel Geld in die Hand nehmen müssen.

Es gibt auf Bundesebene ein hervorragendes Gesetz für erneuerbare Energien. Bislang aber wurden vom Bund daraus zur Verfügung gestellte Fördermittel vom Saarland gar nicht abgerufen. Das ändert sich jetzt. Solardächer, Windanlagen: Dafür stehen in Berlin Fördermittel bereit. Wir werden konsequent auf erneuerbare Energien setzen. Da müssen auch finanzielle Anreize für Hausbesitzer her, die mitziehen wollen. Dafür sind dann auch Landesmittel zur Verfügung zu stellen.

Die alten Kohlekraftwerke laufen derweil weiter. Ihr Fraktions- und Parteichef Hubert Ulrich hat sich sogar schon genötigt gesehen, auf den Jamaika-Koalitionsvertrag zu verweisen, wonach im Saarland keine neuen Kohlekraftwerke über 500 Megawatt mehr gebaut werden dürften. Gab es bereits entsprechende Änderungswünsche von CDU und FDP?

Es gibt immer wieder Stimmen, die das Saarland weiter als Kohleland sehen, das dann auch wieder neue, mit Kohle zu befeuernde Großkraftwerke brauche. Ich allerdings sehe im Moment gar keinen Investor, der bereit wäre - nach dem gescheiterten Versuch in Ensdorf -, im Saarland einen Neubau über 500 Megawatt anzustreben. Fakt ist, dass wir die bestehenden Kohlekraftwerke an der Saarschiene jetzt nicht einfach abschalten können; wir haben dort energieintensive Unternehmen. Man wird jetzt mit den Betreibergesellschaften viel über Emissions- und Nachbarschaftsschutz und damit zusammenhängende technische Nach- und Umrüstungen reden müssen. Es gilt, das im Koalitionsvertrag aus Klimaschutzgründen fixierte CO2-Minderungsziel von 30 bis 40 Prozent bis 2020 zu erreichen. Neubauten von Großkraftwerken rechnen sich alleine deshalb schon heute nicht mehr, weil wir unseren Masterplan erneuerbare Energien konsequent umsetzen werden.

Ist es für Sie und die Umwelt an der Saar eher ein Vorteil oder ein Nachteil, dass im Bund jetzt Schwarz-Gelb regiert und im Saarland Jamaika?

Der Vorteil ist, dass man mit Christ- und Freidemokraten auch schon einmal über den Schöpfungsgedanken diskutieren kann. Und wenn der neue Bundesumweltminister Norbert Röttgen sagt, er möchte bis 2050 exakt 100 Prozent erneuerbare Energien im Einsatz sehen, dann nehme ich den Mann beim Wort. Da habe ich auf Bundesebene doch einen Kollegen, mit dem ich das dann auch umsetzen kann.

Und der sich gerade für den Bau neuer Kohlekraftwerke ausgesprochen hat. Und auch längere Laufzeiten für Atomkraftwerke stehen für Röttgen wohl nicht im Widerspruch zum Schöpfungsgedanken.

Darüber wird intensiv mit ihm zu reden sein. Bei den Kohlekraftwerken kann und werde ich ihm nicht folgen. Und bei den Atomkraftwerken hat er gesagt, zumindest gleich nach seiner Berufung, dass er nicht unbedingt sehe, dass man eine Laufzeitverlängerung brauche. Vielleicht muss man ihm jetzt noch stärker klarmachen, dass eine Laufzeitverlängerung nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch keinen Sinn macht.

Im Saarland dagegen steht die Widerstandsfront gegen die Laufzeitverlängerung - von Ministerpräsident Peter Müller von der CDU bis Simone Peter von den Grünen.

Genau. Das ist schließlich im Koalitionsvertrag so festgeschrieben.

Ein wohlfeiler Passus. Das Saarland hat keine AKWs. Und die paar Stimmen des Landes im Bundesrat werden bei einer eventuellen Abstimmung über Laufzeitverlängerungen nur symbolisch von Bedeutung sein.

Das mag so sein. Aber es wird jetzt auch in der Union darüber debattiert. Und das ist gut so. Das war jetzt schon so bei der letzten Umweltministerkonferenz - meiner ersten.

Wie fühlt man sich eigentlich als Hubert Ulrichs Geheimwaffe zur Befriedung der Partei?

Ich fühle mich nicht so.

Aber Sie wurden doch von Ihrem früheren Intimfeind Hubert Ulrich, den Sie noch vor zehn Jahren das Grauen nannten, auch als Umweltministerin nominiert, um in der Partei den linken Widerstand gegen Jamaika zu brechen; was ja auch gut funktioniert hat. Es gab kaum Gegenstimmen auf dem entscheidenden Parteitag in Spiesen-Elversberg.

Ich habe denen in der Partei, die Jamaika nicht wollten oder sich mit der Entscheidung dafür schwergetan haben, schon auf dem Parteitag davor in Saarlouis ein Kommunikationsangebot gemacht. Und ich stehe zu meinem Wort. Ich habe bereits einen lebendigen Diskussionsabend mit der streitbaren Grünen Jugend verbracht und auch in meinem Orts- und Kreisverband Saarbrücken - dort waren einige Mitglieder gegen Jamaika - Rede und Antwort gestanden. Weil es jetzt in der Stadt Saarbrücken Rot-Rot-Grün gibt und im Land Jamaika, sehe ich mich als linke Grüne aktuell auch in der Rolle der Vermittlerin zwischen diesen beiden Welten. Aber Ulrichs Geheimwaffe? Ich war zehn Jahre lang nicht in die ganzen innerparteilichen Auseinandersetzungen eingebunden, weil ich vornehmlich in Berlin lebte und dort wissenschaftlich gearbeitet habe. Ich sehe mich deshalb eher als ehrliche Maklerin. Und das wird auch anerkannt.

Jetzt ist also alles wieder gut bei den Grünen Saar?

Gut war, dass es in der Partei eine lange und breite Debatte über den Koalitionsvertrag gab. Das hat wieder Leben in die Partei gebracht; und das ist Hubert Ulrich zu verdanken.

Sie selbst waren in dieser Debatte als linke Grüne lange Fürsprecherin für Rot-Rot-Grün. Ist da jetzt noch eine Trauer, dass es nicht geklappt hat mit dem Linksbündnis? Oder überwiegt die Freude über die Regierungsbeteiligung und einen Koalitionsvertrag mit einer deutlichen grünen Handschrift?

Ja, ich hatte mich vor und gleich nach der Landtagswahl immer für Rot-Rot-Grün ausgesprochen. Ich habe auch nach wie vor guten Kontakt zu den Sozialdemokraten. Als Umweltministerin muss und will ich ja auch mit Sozialdemokraten und Linken in den Kommunen kommunizieren und zusammenarbeiten. Ich bin da sehr offen - auch für inhaltliche Anregungen. Bei den von uns angestrebten Verfassungsänderungen in den Bereichen Bildung und Gesellschaft werden die Stimmen der Landtagsabgeordneten der SPD ja ohnehin gebraucht. Da liegen wir, wie bei vielen anderen Themen auch, programmatisch immer noch auf einer Linie.

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