Bundeswehr in Afghanistan: Keine Gefangenen seit 2007

Verteidigungsminister zu Guttenberg erklärt auf Nachfrage, dass die Bundeswehr seit 2007 keine Gegner mehr in Gewahrsam genommen habe. Genau seitdem sie dies dokumentieren muss.

Bloß niemanden festnehmen! Deutscher Soldat in Afghanistan. Bild: reuters

BERLIN taz | Deutsche Soldaten haben in Afghanistan seit dem 26. April 2007 "keine Personen in Gewahrsam genommen". Dies schreibt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in einem der taz vorliegenden Brief an den grünen Abgeordneten Volker Beck, der sich nach dem Verbleib gefangener Afghanen erkundigt hatte.

Zuvor haben die seit Ende 2001 in Afghanistan aktiven deutschen Soldaten der internationalen Isaf-Truppe dem Verteidigungsministerium zufolge 33 Personen "in Gewahrsam genommen". Doch was mit ihnen geschah, ob sie an afghanische Sicherheitskräfte übergeben oder freigelassen wurden oder fliehen konnten - darüber liegen zu Guttenberg zufolge "keine belastbaren Informationen vor".

Beck, der menschenrechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, nennt dies einen "Skandal" und hakt jetzt mit einer parlamentarischen Anfrage nach. "Es ist unvorstellbar, dass die Bundesregierung keine Informationen über Menschen hat, die von den eigenen Truppen festgehalten wurden", sagte er der taz.

Die Isaf-Truppen sind nicht nur für Afghanen in ihrem Gewahrsam verantwortlich, sondern auch rechtlich und moralisch mitverantwortlich, wenn von ihnen an afghanische Kräfte übergebene Gefangene gefoltert, misshandelt oder gar getötet werden. Erst recht, wenn dies vorher nicht ausgeschlossen werden konnte und dagegen nichts unternommen wurde. Laut Tom Koenigs, grüner Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im Bundestag und 2006 und 2007 Leiter der UN-Mission in Afghanistan, ist Folter in afghanischen Gefängnissen an der Tagesordnung.

Weil von der Isaf-Truppe übergebene Gefangene immer wieder gefoltert wurden, gab es in einigen Truppenstellerländern innenpolitische Kontroversen. In Kanada lösten die Versäumnisse der eigenen Truppen sogar eine Regierungskrise aus. Manche Regierungen versuchten vergeblich, sich von Kabul entsprechende Garantien geben zu lassen. Auch in Afghanistan ist Folter und Misshandlung illegal, nicht jedoch die Todesstrafe. Das Bemühen der Bundesregierung, die Anwendung der Todesstrafe bei von deutschen Isaf-Truppen gefangenen Personen auszuschließen, lehnte die Regierung in Kabul mit Verweis auf die afghanische Verfassung ab. Dies teilte die Bundesregierung im März dem grünen Abgeordneten Omid Nouripour auf eine parlamentarische Anfrage mit.

Das Verteidigungsministerium erteilte am 26. April 2007 den "Befehl zur Behandlung von Personen, die bei Auslandseinsätzen von deutschen Soldatinnen und Soldaten in Gewahrsam genommen werden", wie zu Guttenberg schreibt. Der Befehl mache die Dokumentation bei Gefangennahmen oder Übergaben zur Pflicht und versetzt deutsche Stellen in die Lage, sich nach dem Verbleib der Gefangenen zu erkundigen.

Doch merkwürdigerweise haben dem Minister zufolge deutsche Soldaten genau seitdem überhaupt keine Gefangenen mehr gemacht. "Der Verdacht liegt nahe, dass die Ingewahrsamnahmen der deutschen Isaf-Truppen einer menschenrechtlichen und grundrechtlichen Prüfung nicht standgehalten hätten", meint Beck. "Warum sonst hätten deutsche Truppen damit schlagartig aufhören sollen, nachdem ein neuer Befehl zur Dokumentation herausgegeben worden war?"

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte das Ausbleiben von Gefangennahmen durch deutsche Soldaten der taz mit Hinweis auf die gemeinsamen Einsätze deutscher und afghanischer Soldaten: "Wir agieren ja nie allein. Es sind die afghanischen Kräfte, die dafür zuständig sind." In der Antwort der Regierung auf Nouripours Anfrage heißt es dazu: "Da Isaf auf dem Boden eines souveränen Staates handelt, dessen Sicherheitsbehörden von ihr mandatsgemäß nur unterstützt werden, obliegen Festnahmen zum Zwecke der Strafverfolgung den afghanischen Stellen." Doch warum dies dann nicht bereits vor dem 27. April 2007 galt, vermochte der Ministeriumssprecher vorerst nicht zu sagen. Beck: "Ist das eine neue Form der Arbeitsteilung? Und ist es uns dann gleichgültig, was mit diesen Menschen geschieht, solange wir nicht selbst die Menschenrechte verletzen?"

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